Die OPEC und vor allem Venezuela hoffen auf Moskau

Raffinerie in Amuay. Bild: Luisovalles/CC-BY-SA-3.0

Auch das gebeutelte Russland zieht nun in Betracht, seine Ölproduktion zu verringern, um den Preis zu steigern, wenn sich die OPEC tatsächlich dazu durchringt

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Kürzlich erst hatte sich die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) in Algier dazu theoretisch durchgerungen, die Ölproduktion praktisch auf dem derzeitigen Niveau zu deckeln. Die Preise zogen danach weiter leicht an, als auf der Energiekonferenz in Istanbul auch Wladimir Putin - und damit der weltgrößte Produzent - erklärte, Russland ziehe in Betracht, die Produktion ebenfalls zu deckeln oder zu kürzen. Es handelt sich um eine ökonomische Notwendigkeit von Ölländern, die in der Rezession hängen und deren Defizite explodieren. Der staatliche Ölkonzern Venezuelas ist praktisch pleite, und damit das gesamte Land.

Seit geraumer Zeit klammert sich das kollabierende Venezuela an die Hoffnung wie an einen glühenden Nagel, dass die Ölpreise wieder steigen und damit endlich wieder mehr Geld in leere Kassen gespült werden würde. Denn dieses OPEC-Land steckt, wie längst bekannt, in einer doppelten Bredouille. Das Ölförderland leidet massiv einerseits unter dem Absturz der Ölpreise. Andererseits trifft der Venezuela besonders hart, weil es sich als unfähig zur Diversifizierung erwiesen hat und heute sogar noch abhängiger vom Erdölexport ist als früher.

Aber dazu kommt aber noch erschwerend, dass es in den letzten Jahren nicht einmal in der Lage war, seine Ölproduktion auch nur stabil zu halten. Die Produktion ist um etwa 30% eingebrochen. Also hat dieses OPEC-Land unfreiwillig in den letzten Jahren seine Förderung deutlich gesenkt. Für die Staatskassen ist das ruinös, was enorme soziale Folgen im Land hat (Hungerdemonstrationen in Venezuela).

Es fehlt Venezuela und seinem staatlichen Ölkonzern PDVSA, der in akuter Zahlungsnot ist, auch das Geld, um seine Produktion ausweiten zu können. Gemeinsam mit dem größten russischen Ölförderer Rosneft sollen deshalb Reserven am Orinoco-Fluss ausgebeutet werden. In einem Joint Venture wollen beide Firmen insgesamt 20 Milliarden US-Dollar investieren. Ein entsprechendes Abkommen wurde kürzlich in Caracas unterzeichnet. Woher Venezuela, das zu 60% beteiligt ist, das Geld dafür nehmen will, ist dabei allerdings ziemlich unklar.

Angesichts der massiven Geldnot muss Venezuela auch auf den spanischen Ölkonzern Repsol zurückgreifen. So erhält PDVSA aus Spanien eine Kreditlinie über 1.2 Milliarden Euro. Und das Geld dient nicht nur zur Stützung des gemeinsamen Unternehmens Petroquiriquire und zur Sicherung der Investitionen, sondern darüber sollen auch Renditen für die Aktionäre finanziert werden, womit Zahlungsschwierigkeiten mehr als deutlich geworden sind.

Doch das Unternehmen steht real kurz vor der Pleite. Das hat sich nun erneut gezeigt, als eine Frist schon zum dritten Mal bis Freitag den 21. Oktober verlängert wurde, um ausländische Gläubiger zu einer Umwandlung von fälligen Anleihen in länger laufende Anleihen zu bringen. Es geht um einen Umfang von mehr als fünf Milliarden Dollar. Doch offenbar ist die Bereitschaft dazu weiter gering, obwohl für die im 2017 fälligen Anleihen nun sogar eine Verzinsung von 8,5% statt bisher 5,25% geboten wird, wenn die Laufzeit bis 2020 verlängert wird.

Dieser deutliche und teure Aufschlag wird dafür geboten, dass das Ausfallrisiko weiter steigt, sollte es in der Zeit bis 2020 nicht gelingen, die Ölpreise deutlich zu steigern. Doch sollten sich nicht genug Anleger finden, die zu der geplanten Umschuldung bereit sind, droht schon jetzt dem Land eine sehr schwierige Situation. Dann "könnte es für das Unternehmen schwierig werden, die fälligen Schulden zum vereinbarten Zeitraum zu bezahlen", schreibt PDSVA selbst und räumt damit die schweren Probleme ein. Das bedeutet, dass Venezuela mit seinem Staatsbetrieb praktisch schon vor einem Zahlungsausfall steht. Das ist die aussichtslose Lage, die ohne größere Probleme seit einiger Zeit vorhersehbar war.

Hoffen auf eine Förderbegrenzung

Da für Caracas die Lage nun extrem bedrohlich ist, setzt man darauf, dass die OPEC im Bündnis mit Russland eine Förderbegrenzung beschließt. Die Lage Venezuelas dürfte auch dazu beigetragen haben, dass sich Wladimir Putin gerade beim Weltenergiekongress in Istanbul erklärt hatte, auch Russland ziehe es in Betracht, die Produktion zu deckeln oder zu kürzen, wenn die OPEC das letztlich umgesetzt bekommt. Denn ohne die Russen, die ihre Produktion in den letzten Jahren deutlich auf mehr als 11 Millionen Barrel täglich ausgeweitet haben und zum weltweit größten Produzenten aufgestiegen sind, hätte das OPEC-Kartell, das gerade noch für 40% der Produktion verantwortlich ist, kaum die Kraft, um für eine deutliche Preiserhöhung zu sorgen.

Höhere Gewinne braucht neben Venezuela auch das Rezessionsland Russland. Denn zur Kompensation wegbrechender Einnahmen haben die Russen ihre Förderung stärker und stärker ausgeweitet. Damit war auch Russland massiv für den Preisverfall mitverantwortlich, während man in Moskau und Caracas gerne von einer Verschwörung und von einem "Ölkrieg" sprach, hinter der die USA gesteckt haben sollen. Venezuela hofft nun im Schlepptau der Russen eine doppelte Sonderbehandlung in der OPEC durchsetzen zu können. Mit russischer Unterstützung soll die eingebrochene Produktion wieder gesteigert werden, um der dramatischen Haushaltslage zu begegnen. An eine weitere Senkung der Fördermenge ist in einem abstürzenden Venezuela überhaupt nicht zu denken.

Kehrt der Fracking-Boom in den USA zurück?

Diese Situation ist nicht unähnlich zu der, die man auch im Iran vorfindet. Denn eigentlich ist auch das Land nach Aufhebung der Sanktionen nicht dazu bereit, die eigene Fördermenge zu senken. Der Iran will sogar zurück zu der Quote, die es vor der Ausrufung der Sanktionen hatte. So dürfte bei der OPEC-Sitzung im November in Wien der Iran aller Voraussicht nach nur dann mitspielen, wenn andere Länder bei der Verteilung der Förderquoten zurückstecken und das Land mindestens seine derzeitige Produktion halten kann.

Die Vereinbarung kürzlich in Algier kam nur deswegen einstimmig zustande, da damit verbunden war, dass dem Iran "sinnvolle Höchstmengen" zugestanden werden. Inzwischen hat das Land auch schon angekündigt, es werde seine Produktion von 3,8 auf 4 Millionen Barrel pro Tag ausweiten. Und das bedeutet, dass dafür andere OPEC-Länder und/oder Russland zurückstecken müssten, um auch nur eine Deckelung der Produktion zu erreichen.

Ob die sunnitischen Saudis dabei mitspielen, das erneute Aufsteigen des Irans zu einer Regionalmacht durch eine Drosselung der eigenen Produktion mitzufinanzieren, darf abgewartet und durchaus bezweifelt werden. Schließlich war die gesamte Politik der Saudis bisher auch auf Konkurrenz zum Iran ausgerichtet und dessen Einnahmen niedrig zu halten. Dazu verfolgte man in der Wüste auch das Ziel, die Fracking-Industrie in Nordamerika vom Markt zu drängen, die zwischenzeitlich die Saudis vom ersten Rang der Produzenten verdrängt hatten.

Der Iran hat aber, allein über die Spekulationen darauf, dass es ein Abkommen zwischen der OPEC und Russland zur Förderbegrenzung geben könnte, sein erstes Ziel schon erreicht. Denn das Land hatte klargestellt, dass es zunächst nur einen Ölpreis von 50 Dollar pro Barrel anstrebt. Und die Entwicklungen der letzten Wochen haben dafür gesorgt, was auch an deutschen Tankstellen bereits spürbar ist, dass sich der Ölpreis wieder leicht über diesem Niveau eingependelt hat.

Frackinganlage auf dem Fayetteville Shale in Arkansas. Bild: Bill Cunningham, USGS.gov

Überproduktion wird bestehen bleiben

Zu einer merklichen Begrenzung der Fördermenge wird es vermutlich aber nicht kommen. Sogar die OPEC hat schon das lange ausgegebene Ziel kassiert, die Produktion auf dem Stand des vergangenen Januars einzufrieren. Damit würden tatsächlich täglich etwa 1,5 Millionen Barrel weniger auf den Markt geschwemmt, als es der nun beschlossene Kompromiss vorsieht, der durch die reale Verteilung der Fördermengen zudem noch abgesegnet werden muss. Somit bleibt weiter eine massive Überproduktion bestehen. Russland, nun weltgrößter Förderer, wird wohl kaum bereit sein, so stark seine Produktion zu drosseln, dass es real zu einer Verknappung auf dem Markt kommt.

Da die gesamte Fracking-Industrie in Nordamerika in den Versuch nicht eingebunden ist, hat die Strategie, die Preise über eine Deckelung oder eine Senkung der Produktion zu drücken, wenigstens so lange einen großen Haken, so lange die Weltwirtschaft nicht deutlich wächst und damit auch die Nachfrage nach Öl wieder steigt. Doch die Weltwirtschaft schwächelt beträchtlich, weshalb einige schon vor "Schocks" warnen und sich US-Notenbank auch deshalb weiter vor einer Normalisierung der Leitzinsen drückt.

Saudi-Arabien hat mit der Bereitschaft zur Deckelung letztlich eingeräumt, mit einem seiner zentralen Ziele gescheitert zu sein, nämlich die Fracker in Nordamerika vom Markt zu drängen. Die bisherige Strategie hat sich nicht für die USA, sondern für die Saudis als ziemlich ruinös herausgestellt. Bekannt ist, dass das Wüstenland angesichts der eingebrochenen Öleinnahmen 2015 ein enormes Defizit von 100 Milliarden Euro auswies, das waren sogar 21% der jährlichen Wirtschaftsleistung. Nach Schätzungen sollen es 2016 erneut gut 13% werden.

Zwar sind die Kosten zur Ölförderung in Saudi-Arabien geringer, doch der gesamte Staatshaushalt hängt am Ölgeschäft. Nach Schätzung brauchen die Saudis einen Preis von fast 70 Dollar pro Barrel, um wieder einen einigermaßen ausgeglichen Haushalt zu erreichen. Da dort auch Banken in Schieflage geraten und völlig ungewohnt die Beschäftigten beim Staat (die überwiegende Zahl aller Beschäftigten) schon Sparmaßnahmen auferlegt bekommen, will der Staat den Ölkonzern Aramaco privatisieren, um Geld in die Kassen zu spülen.

Das Problem der Saudis ist, dass die Öl-Produktion in den USA vom Peak vor gut zwei Jahren zwar um gut 1,1 Millionen Barrel pro Tag zurückgegangen ist. Doch trotz anhaltend niedriger Preise stabilisierte sie sich im vergangenen Juli wieder bei 8,4 Millionen. Sie stieg seither sogar zeitweise wieder auf 8,6 Millionen an. Und derzeit sind es wieder etwa 8,5 Millionen Statt vom Markt zu verschwinden und eine große Blase platzen zu lassen (Platzt angesichts des Ölpreissturzes nun die Fracking-Blase in den USA?), setzte mit dem Preiskampf eine starke Rationalisierung ein. Die Kosten für die Förderung von Fracking-Öl sind in den letzten Jahren deutlich gesunken und zudem wurde die Ausbeute an den Bohrlöchern gesteigert.

Mit steigenden Preisen wird auch die Fracking-Aktivität wieder zunehmen, zumal wenn die Aussicht besteht, dass die Preise weiter steigen könnten. Falls also die Saudis durch Drosselung der Produktion tendenziell auf dem Weg kommen, einen ausgeglichenen Haushalt zu erhalten, werden auch wieder große Mengen an Fracking-Öl auf den ohnehin noch immer überversorgten Markt gespült werden. Es müsste eigentlich allen klar sein, dass allein die Fracker in den USA relativ schnell die Förderung um eine Million Barrel täglich steigern können. Die von der OPEC geplante Förderbegrenzung (die ohnehin fraglich ist) dürfte also über den angestrebten Preissteigerungseffekt durch das Fracking wieder überkompensiert werden.

Schon all diese Tatsachen sind kaum dazu geeignet, davon auszugehen, dass es mittelfristig zu einem deutlich steigenden Ölpreis kommen wird. Letztlich spielt auch die Nachfrageseite eine bedeutende Rolle. Mittel- bis Langfristig soll ja zumindest über das Klimaabkommen, das noch in diesem Jahr in Kraft treten wird (Pariser Klimaabkommen kann in Kraft treten), eine Dekarbonisierung erreicht werden, weshalb die Öl-Nachfrage eher sinken sollte. Zudem macht sich auch immer stärker die Vorstellung breit, dass Elektrofahrzeuge eine Alternative zum Verbrennungsmotor sind. Mit wieder steigenden Ölpreisen würden alternative Systeme im Bereich Verkehr und Energieversorgung zusätzlich interessanter und dürften dann ebenfalls für Einschränkungen auf der Nachfrageseite sorgen.