Hungerdemonstrationen in Venezuela

Vorgekochtes Maismehl zählt zu den wichtigsten Grundnahrungsmitteln in Venezuela

Maduro verspricht Annäherung an die USA

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In Venezuela demonstrierten Bürger in einem Armenviertel der Hauptstadt Caracas und in der Küstenstadt Cumana mit dem Slogan "Wir haben Hunger" für Lebensmittel, die in dem Land inzwischen so knapp und teuer sind, dass die Regierung den Bürgern Urban Gardening empfiehlt (vgl. Venezuela: Urbane Landwirtschaft als "Produktivitätsrevolution" und Regierungsprogramm). In Cumana kam es dabei auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, bei denen es nach Angaben der MUD-Abgeordneten Milagros Paz einen Toten gab. Außerdem sollen 27 Menschen verletzt worden sein.

Während sich die Lage bei Lebensmitteln weiter verschärft, scheint sie sich nach Beginn der Regenzeit im Energiebereich des weitgehend von Wasserkraft abhängigen Landes etwas zu entspannen: Der öffentliche Dienst, dessen Arbeitszeit im April auf zwei Wochentage reduziert wurde, um Strom zu sparen, muss inzwischen wieder an fünf Tagen in der Woche arbeiten - bis auf weiteres allerdings nur sechs Stunden täglich. Auch dies Schulen sollen ab dieser Woche wieder an fünf Tagen wöchentlich unterrichten.

Da Venezuela eine Präsidialrepublik ist, wird die Politik des Landes vom Präsidenten Nicolás Maduro und dessen Partido Socialista Unido de Venezuela (PSUV) bestimmt, obwohl das Wahlbündnis Mesa de la Unidad Democrática (MUD) bei den Parlamentswahlen im Dezember fast eine Zweidrittelmehrheit erreichte. Am 3. Mai gaben MUD-Vertreter bei der Wahlbehörde 1,85 Millionen Unterschriften für ein Referendum zur Amtsenthebung des Präsidenten ab.

Die Wahlbehörde verkündete nach einer dreiwöchigen Überschreitung der Prüffrist, dass sie von diesen 1,85 Millionen Unterschriften 605.727 als ungültig wertet - vor allem wegen Mängeln beim Ausfüllen der Formulare. Nun sollen die Unterzeichner ihre Unterschriften zwischen dem 20. und dem 24. Juni mit Fingerabdrücken bei der Wahlbehörde oder einer ihrer Außenstellen bestätigen. Dann will man die Validierung bis zum 26. Juli fortsetzen und entscheiden, ob man der MUD erlaubt, in einem zweiten Schritt noch einmal knapp vier Millionen Unterstützerunterschriften zu sammeln, um das Referendum einzuleiten.

Machterhalt durch Referendumsverschleppung?

Regierungskritiker wie der MUD-Abgeordnete Tomas Guanipa glauben, dass die PSUV den Behördenapparat angewiesen haben könnte, den Referendumsgenehmigungsprozess nach Möglichkeit bis nach dem 10. Januar 2017 zu verschleppen, um sich durch Ausnutzen eines Verfassungstricks die Herrschaft bis 2019 zu sichern. Bei dieser Annahme stützen sie sich unter anderem auf Äußerungen des Präsidenten Maduro des Vizepräsidenten Aristobulo Isturiz. Beide hatten letzte Woche öffentlich verlautbart, dieses Jahr werde es kein Referendum geben.

Bei gewalttätigen Demonstrationen vor dem Hauptquartier der Wahlbehörde in Caracas soll am Donnerstag deren Chef Julio Borges verletzt worden sein. Auch Polizisten attackierte man angeblich mit Stöcken und Steinen.

Maduro kündigt Normalisierung der Beziehungen zu den USA an

Präsident Maduro verkündete seinem Volk währenddessen, er wolle das Verhältnis zur den USA normalisieren, zu denen das Verhältnis seit der Machtübernahme der Chavisten Ende der 1990er Jahre sehr gespannt ist. Venezolanische Politiker und regierungsnahe Medien hatten US-Akteure immer wieder bezichtigt, aus wirtschaftlichen Erwägungen einen Putsch im ölreichsten Land der Welt anzustreben und die Wirtschaft dort absichtlich zu schädigen.

Gewicht erhält die Ankündigung Maduros dadurch, dass auch US-Außenminister John Kerry nach einem Treffen mit seiner venezolanischen Amtskollegin Delcy Rodriguez am Rande einer internationalen Konferenz in der Dominikanischen Republik angekündigt hat, er werde bald einen ranghohen Diplomaten nach Venezuela schicken. Auf Fragen zum Referendum meinte er diplomatisch, die USA unterstützten den "verfassungsmäßigen Prozess".

2005 scheiterte ein Referendum zur Absetzung von Maduros Vorgänger Hugo Chávez, der 2013 an Krebs starb. Damals stimmten die Venezolaner mit 59,25 Prozent für den Verbleib von Chávez im Amt. Der ehemalige Oberstleutnant war allerdings deutlich charismatischer als der ehemalige Busfahrer Maduro, weshalb man nicht unbedingt von einer Wiederholung dieses Ergebnisses ausgehen kann.

Außerdem hat sich die wirtschaftliche Lage in Venezuela in den letzten elf Jahren deutlich verschlechtert: Das Bruttoinlandsprodukt ging 2015 um etwa zehn Prozent zurück. Die Inflationsrate, die im letzten Jahr bei über 140 Prozent lag, könnte dieses Jahr nach Schätzungen des IWF 720 Prozent erreichen. Und die Mordrate in der Hauptstadt ist die höchste der Welt.

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