Die Psyche leidet unter dem Klimawandel

Depressionen nehmen im Zuge der Naturzerstörung zu. Bild: Norbert Tóth, Unsplash

Energie und Klima – kompakt: Posttraumatische Belastungsstörungen nach Extremwetter, Klimaangst und Depressionen. Eine Fachgesellschaft schlägt Alarm. Warum die Politik nun dringend handeln muss.

Dass sich der menschengemachte Klimawandel negativ auf die menschliche Gesundheit auswirkt, ist mittlerweile ins Bewusstsein gerückt, auch wenn bisher kaum Strategien existieren, diese Folgen abzumildern. Doch der Klimawandel beeinträchtigt nicht nur die körperliche, sondern auch die psychische Gesundheit, wie die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) in einer jüngsten Veröffentlichung feststellt.

In einer "Berliner Erklärung" ruft sie die Politik dazu auf, auf die neuen psychischen Belastungen zu reagieren. Die DGPPN verpflichtet sich selbst zur Klimaneutralität bis 2030, zur Aufklärung des Zusammenhangs zwischen Klimawandel und psychischer Belastung und dahingehende Aus- und Weiterbildung sowie darauf, sich auf den veränderten Bedarf einzustellen.

Direkt auf die Psyche wirken sich erwiesenermaßen Extremwetterereignisse aus. Betroffene von Überschwemmungen leiden etwa häufiger an Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS). Ein Jahr nach einer Flutkatastrophe in England litt über ein Drittel der Betroffenen unter PTBS, nach Hurrikan Katrina zeigte ebenfalls fast jede:r dritte Bewohner:in Symptome von PTBS.

Studien deuten ebenfalls auf erhöhte Suizidraten, generalisierte Ängste und Depressionen nach durchlebten Extremwetterereignissen. Aber auch bisher nicht von Katastrophen Betroffene können Zukunftsängste entwickeln. Unter dem Begriff "eco distress" werden negative Emotionen zusammengefasst, die etwa durch die Klimakrise und Biodiversitätsverlust ausgelöst werden.

Gemeint sind Hoffnungslosigkeit, Traurigkeit, Schuldgefühle, Wut, Sorgen, Angst und Panik der allgemeinen Bevölkerung. Die Verhaltensweisen reichen von Verleugnung und Verdrängung, Starre aufgrund von Überforderung und Hilflosigkeit bis hin zu aufopferndem Aktivismus,

… heißt es in dem Positionspapier der DGPPN. Manche Menschen entwickelten "Klimaangst", eine Angst davor, in Zukunft von katastrophalen Folgen des Klimawandels betroffen zu sein. Mit "Solastalgie" wiederum wird eine Trauer um den Verlust von Umwelt und Heimat bezeichnet.

Auch Hitze kann die Psyche negativ beeinträchtigen. Hier wird eine 2021 veröffentlichte Meta-Analyse angeführt, die besagt, dass pro Ein-Grad-Celsius-Temperaturanstieg ein 0,9 Prozent höheres Risiko für psychische Erkrankungen existiert.

In Hitzewellen steigen nicht nur die Einlieferungen in Notaufnahmen insgesamt, sondern auch die Aufnahmen in psychiatrische Kliniken. Zudem vermuteten Forschende einen Zusammenhang zwischen Hitze und Aggressivität. Hitze belastet aber auch besonders Menschen mit psychiatrischen Vorerkrankungen. Suchtkranke und Menschen mit Demenz seien beispielsweise oft nicht in der Lage, sich selbst ausreichend vor Hitzebelastungen zu schützen.

Offenbar erhebliche Folgen durch Luftverschmutzung

Telepolis hatte ebenfalls über Gesundheitsbelastungen durch Luftverschmutzung berichtet. Hier zeigt sich nach dem Bericht der DGPPN, dass diese auch in Bezug auf die kognitiven Fähigkeiten und psychische Erkrankungen eine negative Rolle spielt. Eine wachsende Zahl an Studienbefunden weise auf einen Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und Risiken für psychische Erkrankungen wie etwa Depression, ADHS und Schizophrenie hin.

Neben den hier beschriebenen direkten Auswirkungen von Klimawandel und Luftverschmutzung, werden zukünftig wohl auch jede Menge indirekte psychische Folgen zu erwarten sein, die vor allem vulnerable Bevölkerungsgruppen aus dem Globalen Süden betreffen.

Hier sind die Folgen von Mangelernährung zu nennen, die beispielsweise zu Depressionen und ADHS führen kann. Die Klimakrise zieht den Verlust von Lebensräumen nach sich, Menschen werden zu Flucht und Migration gedrängt. Fluchterfahrungen sind häufig belastend und wirken sich negativ auf die Psyche aus.

"In der Psychiatrie und Psychotherapie müssen wir in den nächsten Jahren mit einer Häufung von Erkrankungen rechnen, die im Kontext des Klimawandels stehen", sagt Andreas Meyer-Lindenberg, Vorstandsmitglied der DGPPN.

Um eine adäquate Versorgung sicherstellen zu können, wird in der Berliner Erklärung eine Reihe von Forderungen an die Politik gestellt, die wichtigste davon, sofort tätig zu werden. Prävention psychischer Erkrankungen sollte an erster Stelle stehen, Gesetzesvorhaben sollten auf ihre gesundheitliche Wirkung geprüft werden, steigende Bedarfe der psychiatrischen Versorgung bei Belastungen durch den Klimawandel sollten eingeplant werden.

Hitzeaktionspläne, die von der Seite des Gesundheitswesens ohnehin gefordert werden, können auch die psychische Gesundheit schützen. WHO-Grenzwerte zur Luftverschmutzung sollten implementiert werden, klimaschützende und gesundheitsförderliche Lebensweisen gefördert werden. Und schließlich sollen besonders Aspekte der Umweltgerechtigkeit und der Schutz vulnerabler Gruppen berücksichtigt werden.

Das alles klingt sinnvoll und wichtig. Leider ist die psychotherapeutische und psychiatrische Versorgung schon heute an vielen Stellen unzureichend, Therapeut:innen und Kliniken oftmals über lange Zeit ausgelastet. Der WDR berichtet, dass die durchschnittliche Wartezeit für einen Psychotherapieplatz in Deutschland fünf Monate beträgt.

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