Die Rüstungsbranche bekommt Aufwind
Krisen, Konflikte, Konjunkturen
Die Bundeswehr, so alarmierende Berichte in den Leitmedien, sei nicht einsatzfähig für das "Mehr an weltpolitischer Verantwortung", bei dem "militärische Mittel" als unverzichtbar gelten. Es mangele an einer brauchbaren Ausstattung mit modernen Waffen. Zu demselben Schluss kam eine Studie der Wirtschaftsprüfungsfirma KPMG; ein weniger bürokratisches und endlich einmal "professionelles" Beschaffungswesen auf Seiten des Staates wird darin gefordert.
Die für das Militär zuständige Ministerin präsentierte das kritische Gutachten recht zufrieden; sie erhofft sich nun mehr Finanzen für ihr Ressort, und vermutlich setzt sie darauf, dass Profis aus der Rüstungsbranche ihr bei der Administration behilflich sind.
Die Militärindustrie in der Bundesrepublik befindet sich in einem Prozess unternehmerischer Umstrukturierung, zu klären ist dabei auch, wie sie mit einschlägigen Firmen in anderen Staaten der EU kooperiert. Im Weltwaffenmarkt stehen deutsche Anbieter nach wie vor erfolgreich da, trotz heftiger Konkurrenz haben sie einen Spitzenplatz, an Kaufinteressenten fehlt es nicht. Von der Bundesregierung erwarten sie Beihilfe und ein "Bekenntnis" zu Deutschland als Standort moderner Militärproduktion.
Hier kommt der Bundeswirtschaftsminister ins Spiel. Er steht unter Druck - einerseits der auf Akquise sinnenden Rüstungsbranche, andererseits einer durchaus ansehnlichen Strömung in der Zivilgesellschaft (auch an der Basis seiner Partei), die sich nicht damit abfinden will, dass deutsche Waffen in Länder und an Regierungen geliefert werden, die alles andere als friedensfreundlich sind.
Jetzt hat Sigmar Gabriel zu diesem Dilemma ein langes Grundsatzreferat vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik gehalten. Der Ton ist staatsmännisch, die Argumentation erscheint abwägend, eher politologisch objektivierend, beide Seiten in der Kontroverse über Rüstungsexporte können darin ihre Anliegen bestätigende Sätze finden. Bei genauer Lektüre allerdings stellt sich heraus: Der Wirtschaftsminister und SPD-Vorsitzende will deutsche "Wettbewerbsfähigkeit" in der miltärtechnischen Konkurrenz, keineswegs möchte er den Rang der Rüstungsindustrie als "Schlüsselbranche" in Frage stellen, auch nicht den Waffenexport aus der Bundesrepublik in "Drittstaaten", die weder der NATO noch der EU angehören. "Transparent" freilich soll es dabei zugehen, intensive "Prüfung" von Lieferwünschen müsse stattfinden, "Parameter" dafür schlägt Gabriel vor, recht ausgeklügelte.
Im Effekt solcher Verfahren wird dann wohl das Publikum dazu neigen, auf Kritik zu verzichten, in dem Gefühl: "Die ganze Angelegenheit ist eben komplex..."
Gabriel plädiert für eine europäische Struktur in der Rüstungswirtschaft, aber erst müssten die deutschen Unternehmen dafür fit gemacht werden. Und nicht ohne List schlägt er vor, in Sachen militärischer Ausfuhr dem Außenministerium mehr Zuständigkeit zu geben, schließlich diene Waffenexport ja "außen- und bündnispolitischen Interessen" der Bundesrepublik. So wäre demnächst die Verantwortung bei dem wenig angenehmen Thema gleich auf drei ministerielle Schultern verteilt (das Verteidigungsministerium ist in der Praxis mitbeteiligt).
Die am Rüstungsgeschäft interessierten Konzerne und Firmen werden, anders als die Bürgerinnen und Bürger, sich in einer solchen Komplexität staatlichen Handelns zurecht finden, und ihre Ambitionen sind nicht gefährdet. Die politische Weltlage verschafft ihnen Aufwind, die Grundrichtung der herrschenden Politik ist: Bei Ausbrüchen von Waffengewalt mehr eigener Waffeneinsatz - also auch mehr Waffenproduktion, zum Wohle der heimischen Wirtschaft.
In dem mörderischen Treiben der Milizen unter dem Namen "Islamischer Staat" und ebenso in dem kriegerischen Geschehen auf ukrainischem Terrain zeigt sich, rüstungsökonomisch betrachtet, eine "Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft" - nämlich neue Aufträge für die Produzenten von Rüstungs-"Gütern".
Nach einem Bericht der "Welt" vom 9.10. hat der prominente deutsche Europapolitiker Elmar Brok diesen Mechanismus ("wohltuend zynisch", heißt es in der Zeitung) folgendermaßen gewürdigt: "Putin verdient ein Denkmal." Der auch von Brok als Urheber ukrainischer Konflikte angesehene russische Staatspräsident habe der etwas unterbeschäftigten NATO zu einem großen neuen "Auftrag" verholfen. So ein geo-militärpolitischer "Auftrag" zieht Aufträge nach sich. Die Rüstungsbranche ist auf Sicht konjunkturell gut dran.
Die jüngste Liste der Empfängerländer für Waffenlieferungen aus der Bundesrepublik, die von der Bundesregierung genehmigt wurden: Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate, Katar, Kuwait, Oman, Jordanien, Algerien.