"Die Schulen bleiben offen, koste es, was es wolle"

In Deutschland fordern Länder "zackige Öffnungen der Schulen". In Frankreich hält die Regierung am Präsenzunterricht fest

In Deutschland wollen nun immer mehr Bundesländer "zackige Öffnungen", wie es ein süddeutsches Medium beschreibt; aufgezählt werden Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, das Saarland, Schleswig-Holstein und Brandenburg. Als Orientierungstermin wird der 22. Februar genannt. Man setze sich gegen Merkel durch, ist der Tenor, mit dem diese Ankündigungen überschrieben werden.

In Frankreich hält man seit Monaten am Präsenzunterricht fest, "die Schulen bleiben offen, koste es, was es wolle", wie es die Zeitung Le Parisien heute etwas zackig formuliert. Wie geht das?

Auch jenseits des Rheins geht das nicht ohne Bedenken ab. Auch dort macht man sich Sorgen über eine größere Infektionsgefahr durch die neuen Mutationen des Virus. So plädieren Vertreter der Gewerkschaft der Ärzte im Nationalen Bildungswesen (SNMSU-UNSA Education) für eine allgemeine Verlängerung der Ferien, die vergangenen Freitag begonnen haben, aber nicht überall. Es gibt drei Zonen, die gestaffelt mit den Ferien beginnen. Nach Ansicht der Gewerkschaftsvertreter sollten alle Zonen erst in vier Wochen wieder mit dem Präsenzunterricht anfangen. Die jüngsten Zahlen verzeichnen einen Anstieg der Schulschließungen seit Ende Januar.

Ob die Regierung diesem Ansinnen entsprechen wird, hängt davon ab, wie sich die Infektionszahlen in der nächsten Zeit entwickeln. Vieles spricht aber dafür, dass Bildungsminister Jean-Michel Blanquer darauf Wert legen wird, an den bisherigen Ferienzeiten festzuhalten. Für ihn hat der Präsenzunterricht Priorität vor Schulschließungen, die er als "ultima ratio" bezeichnet. In Frankreich ist man stolz darauf, das europäische Land mit der höchsten Zahl von Präsenzunterrichtsstunden zu sein.

Dass im Nachbarland daran festgehalten wird, hat mehrere Gründe. Ganz oben steht, wie es die FAZ-Frankreich-Korrespondentin Michaela Wiegel berichtet, das "Entsetzen über die Konsequenzen der Schulschließungen während des ersten Lockdowns (französisch: "confinément") im Frühjahr 2021. Das Homeschooling hat wie auch hierzulande zu Klagen der Eltern geführt, die sozialen Unterschiede wurden deutlich, dazu "Konzentrationsschwierigkeiten, Lernrückschritte bis hin zu Verhaltensauffälligkeiten".

Das miserable Abschneiden beim internationalen Grundschulen-Leistungsvergleich Timss, das dann im Dezember 2020 auch in die französische Diskussion über den Stand der Schulbildung geriet, hat den Enthusiasmus für Homeschooling nicht unbedingt gesteigert.

Dazu kam die Einsicht, die vom Bildungsminister nachdrücklich vertreten wird, wonach es "keinen stichhaltigen Beweis" dafür gebe, dass das Virus besonders aktiv in Klassenzimmern zirkuliere. Die Cluster würden viel häufiger in Altenpflegeheimen und in Krankenhäusern entdeckt.

Getragen wird der Entschluss, am Präsenzunterricht festzuhalten, vom Pochen auf strenge Regeln. Die reichen vom verpflichtenden Maskentragen auch für Grundschüler selbst im Pausenhof bis zum ausgiebigen Händewaschen - angeblich koste das 40 Minuten bei einem Schultag von sechs Stunden, wie der oben erwähnte Bericht der Zeitung Le Parisien wiedergibt.

Die Pausen sind gestaffelt und wenn der Hof groß ist, werden die Klassen auf mehrere Sektoren verteilt. Die Kinder spielen mit, es ist unglaublich. Auch beim Händewaschen, auch wenn wir manchmal hydroalkoholisches Gel verwenden, um Zeit zu sparen, vor allem in kleinen Schulen, wo es nur einen Wasserhahn gibt", sagt Fabrice, ein Aushilfslehrer in der Region Yonne. "Ich habe das Gefühl, dass die Kollegen, die ich treffe, gerne zur Arbeit kommen. Ja, es ist lästig, den ganzen Tag die Maske zu tragen, auf alles zu achten, an diese Protokolle zu denken, die nach und nach hinzugefügt werden. Alle sind genervt, aber ich fühle mich nicht deprimiert"

Le Parisien

Der große Unterschied zu Deutschland bestehe im Testen, wie die FAZ feststellt. Lehrkräften, Eltern und Schülern würden flächendeckende Testmöglichkeiten zur Verfügung stehen. "Beim geringsten Verdacht - der Hals kratzt, der Kopf schmerzt - kann man sich in den meisten Apotheken einem Antigen-Schnelltest unterziehen. Innerhalb von 15 Minuten weiß man, ob sich der Verdacht erhärtet."

Auch die Versorgung mit PCR-Tests sei deutlich verbessert worden, es gebe viele öffentliche Testzentren und private Laboreinrichtungen, so dass der PCR-Test ohne lange Wartezeiten angeboten werde. Das Ergebnis liege spätestens 48 Stunden später als E-Mail vor oder könne am Testort abgeholt werden - und: "Die Kosten werden von der staatlichen Krankenversicherung getragen."

Mit 2900 pro 100.000 Einwohner testet Frankreich mehr Menschen als in Deutschland, wo die Quote 1100 beträgt. Nach Auskunft von Gesundheitsminister Olivier Véran werden jeden Monat eine Million Kinder ab sechs Jahren und Lehrer getestet.

FAZ

Damit könne man flexibel reagieren, so der Gesundheitsminister, der damit auch dem Beharren des Bildungsministers auf Beibehaltung des Präsenzunterrichts den Rücken stärkt.