Die Seuche

Bild: Sbrandnere/gemeinfrei

Eine Seuche mit neuartigen Erregern ist ausgebrochen. Unter den Menschen geht die Angst um. Wer aber ist für sie verantwortlich zu machen? Ein Anlaß, um über das veränderte Gesicht des Bösen nachzudenken

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Gerade als der Film "12 Monkeys" in den deutschen Kinos angelaufen ist, kehrt in Europa die Angst vor der Rinderseuche ein, nachdem ein von der britischen Regierung eingesetztes Wissenschaftlerkomitee ein Gutachten vorgelegt hat, das zum Schluß kommt, die Rinderseuche könne auch auf Menschen übertragen werden. Gleichzeitig mehren sich die Todesfälle, darunter auch Kinder und Jugendliche. Auch in München soll bereits jemand an der Creutzfeld-Jakob-Krankheit erkrankt sein. Fast als hätte George Bush voraussehend gehandelt, als er noch als Präsident die neunziger Jahre zum Jahrzehnt des Gehirns erklärt hatte, nistet sich diese Krankheit in den Gehirnen der Menschen ein und durchlöchert sie.

Die krankheitsauslösenden Eiweißstoffe, die sogenannten Prionen, sind körpereigene, aber veränderte Zellen, die vom Immunsystem nicht als Gegner erkannt werden können. So hat man jetzt den ersten Krankheitserreger, der kein Erbmaterial besitzt und kaum totzukriegen ist. Ist jemand einmal befallen, gibt es keine Rettung. Und der Gipfel des Schreckens ist, daß vielleicht Millionen von Menschen den tödlichen Angreifer bereits in sich tragen, der erst nach einer Inkubationszeit von 10 Jahren sein unheimliches Werk verrichtet. Die Attacke des neuen, geheimnisvollen Erregers könnte noch gefährlicher als die des Aids-Virus sein, aber auch sie ist eine Folge der globalen Ökonomie, denn sie hat sich möglicherweise mit den Exporten des Rindfleisches bereits auf der Welt verbreitet.

Der autonom handelnde, selbstverantwortliche Mensch - so wie er das Ziel des traditionellen Humanismus war - ist längst untergegangen in integrierten und durchstrukturierten Organisationen. Seitdem die Informationstechnik dabei ist, in unser Handeln neue Netzwerke aus Hardware und Software einzubeziehen, verbleibt an Verantwortung und Kompetenz an vielen Stellen nur noch ein Restbereich. Dieser entsteht letztlich dadurch, daß zunehmende Entscheidungen und Aufgaben von der Informationstechnik übernommen werden ... Auf der einen Seite (verblassen) Kompetenzen, die jetzt übergehen an integrierte Gesamtsysteme, und auf der anderen Seite werden Verantwortungen entwertet, da diese jetzt in Systemen stecken.

Klaus Haefner