Die Stunde der Exilanten

Seitdem der Widerstand in den Randzonen Myanmars großenteils gebrochen ist, gärt es im Zentrum des Landes

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1988 fand in Myanmar ein öffentlicher Aufstand gegen die autoritäre sozialistische Regierung statt. Daraufhin mussten sich viele Oppositionelle ins Ausland flüchten. Sie nahmen ihre politische Arbeit im Exil auf und versuchen seitdem die Demokratisierung in Myanmar von Außen voranzutreiben. Maung Maung Myint (Norwegen) ist ein Teil dieser Bewegung. Auf dem diesjährigen Medienfestival transmediale sprach er gemeinsam mit Kanjin Sugita (Thailand) unter dem Titel "Burma Report" über Medien, Kunst und Kultur im Land der Angst.

Ende der 1980er gingen alle auf die Straße. Stundenten, Anwälte, Krankenschwestern, Geschäftsleute, Trishaw-Fahrer, Hausfrauen und Mediziner. Zu der letzten Gruppe gehörte auch Maung Maung Myint. In Myanmar war die Zeit für einen Volksaufstand gekommen und der junge Zahnarzt wollte dabei sein, als die Bevölkerung mit der Einparteienherrschaft abzurechnen begann. Angestachelt wurden die Unruhen durch eine ökonomische Krise, die eine Inflation nach sich zog. 75% des im Lande zirkulierenden Geldes waren September 1987 wertlos geworden.

Kinder des Widerstands

Die aufgebrachten Massen hatten sich allerdings nicht Geld, sondern Demokratie auf ihre Transparente geschrieben. Die pro-demokratischen Proteste sorgten für viel Wirbel, endeten jedoch jäh in einem Blutbad. Als selbsternannter "Staatsrat für die Wiederherstellung von Recht und Ordnung" riss das Militär die Macht im Staat mit aller Gewalt an sich. Zahlreiche Demonstranten wurden verhaftet, nicht wenige mussten ihr Leben lassen. Viele flüchteten nach China, Thailand oder Bangladesh. Maung Maung Myint entkam ebenfalls. Allerdings nicht in die Nachbarstaaten Myanmars. Sondern nach Norwegen, wo ihm März 1989 politisches Asyl gewährt wurde.

Positionen im Exil

Seine Wut über die Unterdrückung der demokratischen Bewegung in Myanmar klang im kühlen Skandinavien nicht ab. Während Maung Maung Myint an der Universität von Oslo seinen Doktor in Immunologie machte und weiterhin als Arzt arbeitete, führte er seine politischen Aktivitäten fort. Bis 1996 war er Nachrichtenredakteur von Democratic Voice of Burma, eine Radiostadion, die von Norwegen aus sendet. Später war er dann als redaktioneller Berater und Korrespondent für "Radio Free Asia" tätig, die ihre Sendestation in den USA hat.

Heute arbeitet er als Vorstandsmitglied für die im Januar 2001 gegründete "Burma Media Association" (BMA). Die internetgestützte, unabhängige Organisation, die sich für die Meinungsfreiheit in Myanmar einsetzt, hat mehr als 80 Mitglieder aus 12 verschiedenen Ländern. Anfang 2002 erweiterte sich der Einzugsbereich des Netzwerks sogar, als die BMA mit "Reporters without Borders" (RSF) zusammengeschlossen wurde. Seit Ende desselben Jahres gehört Maung Maung Myints Organisation zu den 30 Jurymitgliedern, die über den jährlichen Empfänger für den angesehenen "Foundation de France Prize" der RSF entscheiden.

In der Zwischenzeit hatten sich die Vorzeichen in seinem Heimatland gerändert. Mit der Machtergreifung des Militärs wurde in Myanmar das Verhältnis von Zentrum und Peripherie tendenziell auf den Kopf gestellt. Seit dem Abzug der Briten haben in Myanmar immer wieder die Randzonen für Unruhe gesorgt. Der Widerstand der zahlreichen, dort angesiedelten Ethnien eskalierte, als 1962 der Militärputsch von General Ne Win eine Verfassung installierte, die die Autonomie der Berg- und Dschungelstämme außer Kraft setzte. Ein aufreibender Bürgerkrieg zerrieb das Land über Jahrzehnte. Die Frage nach einem demokratischen Modell, das den Minderheiten einen angemessenen Platz im Staat einräumt, blieb in dieser Zeit unbeantwortet.

Widerstand zwischen Peripherie und Zentrum

Mit der Reinthronisierung der Junta im Jahre 1988 setzte ein Friedensprozess ein. Schnell gelang es der Zentralregierung, Waffenstillstandsabkommen mit fast allen Ethnien auszuhandeln. Während die Aufständischen in der Peripherie, zu denen auch die Kommunisten gehörten, großenteils depolitisiert wurden, gärte der Widerstand nun im Zentrum des Landes. Nach Zulassung von Parteien im September 1988 hatte sich rasch eine Opposition formiert. Aus den Parlamentswahlen vom Mai 1990 ging trotz zahlreicher Restriktionen die demokratische NLD siegreich hervor. Das Parlament wurde jedoch danach nicht einberufen; die Militärs blieben weiterhin an der Macht und machten die Führerin der Oppositionspartei zur Gefangenen.

Aung San Suu Kyi musste zunächst ins Gefängnis, später stand sie jahrelang unter Hausarrest. Selbst der Friedensnobelpreis, der ihr 1991 verliehen wurde, sollte daran nichts ändern. Die Bemühungen der Widerständischen wurden dadurch eher beflügelt als gedrosselt. Man konnte und kann sich mit dem vermeintlichen Frieden an den Rändern nicht zufrieden geben, zumal zahlreiche Gleichgesinnte im Zuchthaus sitzen und die Stabilität des Systems eigentlich nur durch die Verwicklungen des Regimes in den Opiumhandel gewährleistet werden kann. Menschenrechtsorganisationen und Medieninitiativen sind damit beschäftigt, diese Verhältnisse transparent zu machen - und die Medienkompetenz in Myanmar zu erhöhen.

Wie Maung Maung Myint berichtete, unterliegen die Medien ähnlichen Restriktionen wie in Kuba oder Nordkorea. Kanjin Sugita, die als Kunst- und Kulturvermittlerin zwischen Myanmar und Thailand hin- und herpendelt, lieferte in ihren Situationsbeschreibungen altvertraute Bilder: Internet können nur die Bewohner der zwei großen Städte in Anspruch nehmen. Die Kosten für eine Stunde Online-Zugang belaufen sich auf ein Zehntel eines Monatsgehalts. Wer sich das leisten kann und will, muss erdulden, dass ihm bewaffnete Militärs beim Chat über die Schulter schauen. Größere Verbreitung hat das Fernsehen gefunden. Bollywood, chinesische Martial Arts, koreanische Soaps und Sportberichte sind beliebt. Allerdings auch diverse Schwarzmarktprodukte.

Akzentverschiebung im Aktivismus

Als in den 1990ern die Stunde der Menschenrechtsorganisationen geschlagen hatte, schlug auch die Stunde von Exilantengruppen. Maung Maung Myints BMA begann aktuelle Informationen zu sammeln über inhaftierte Medienleute und über solche, die mit Hausarresten bestraft, im Gefängnis gestorben oder freigelassen worden waren. Die Organisation startete auf dieser Basis unterschiedliche Kampagnen, unter anderem mit dem Ziel der Freilassung von myanmarischen Journalisten. "Den Erfolg solcher Kampagnen zu beurteilen ist schwierig" sagt der Zahnarzt im Interview. "Wenn man aber bedenkt, dass von der Junta überwachte Zeitungen 2003 vier und 2004 fünf lange Artikel gedruckt haben, um uns anzugreifen, dann scheinen unsere Bemühungen nicht umsonst gewesen zu sein."

Laut Insiderberichten hat der Einfluss von politischen Exilantengruppen in letzter Zeit allerdings abgenommen. Heute sind es in erster Linie Menschenrechtsgruppen in Myanmar, die ihren Einfluss geltend machen. Vor allem die Vereinigung zur Unterstützung von politischen Gefangenen hat seit ihrer Gründung im März 2000 wachsende internationale Aufmerksamkeit gewonnen. Die Präsenz ehemaliger politischer Gefangener in der AAPP verleiht der Vereinigung und ihren Äußerungen Gewicht und Glaubwürdigkeit. Mit ihren diversen Aktionen unterstützt sie nicht zuletzt Familien von politischen Häftlingen und hilft ihnen bei der Organisation von Besuchen im Gefängnis; publiziert regelmäßig Stellungnahmen, Pressemitteilungen und Veröffentlichungen, verteilt dokumentierende DVDs und organisiert Ausstellungen.