Die Vermischung von genveränderten Samen in normales Saatgut ist weit verbreitet

Proteste gegen eine Veranstaltung der Bio-Tech-Industrie in Genua, das sich zur gentechnikfreien Zone erklärt hat

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Kürzlich wurde bekannt, dass "versehentlich" Samen von genverändertem Raps (RT 73) in den von "normalem" Raps gelangt ist und so in einigen europäischen Ländern, darunter auch Deutschland, ohne Wissen und Genehmigung angebaut wurde. Das aber scheint ganz normal zu sein, wie eine amerikanische Firma nach einer Überprüfung von zufällig ausgewählten Samenproben amerikanischer Händler herausgefunden haben will.

Was unlängst in Europa bekannt wurde, scheint nach Jeffrey Smith von Genetic ID, einer Firma, die landwirtschaftliche Erzeugnisse nach genveränderten Bestandteilen untersucht, keineswegs eine Ausnahme zu sein. Es handele sich vielmehr um die Spitze eines Eisberges, erzählte er New Scientist: "Ich glaube, dass dies andauernd passiert." Bei mehr als der Hälfte von 20 zufällig untersuchten Proben von normalen Samen von Mais habe man auch genveränderten Samen gefunden. In zwei der 12 "positiven" Funde sei mehr als ein Prozent genveränderter Samen enthalten gewwesen.

Pioneer Hi-Bred, der größte Lieferant von normalem und genverändertem Samen in den USA, räumte ein, dass eine geringe Vermischung unvermeidlich sei: "Eine absolute Nullreinheit wird in keinem landwirtschaftlichem Produkt in der Nahrungskette erreicht", beteuerte Doyle Karr, ein Sprecher des Konzerns. So könne der nach Europa exportierte normale Mais durchaus Bt-Mais enthalten, also eine genveränderte Maissorte, die ein für Insekten tödliches Gift enthält. Zwar ist diese Maissorte, obwohl die Folgen umstritten sind, da das Gift sich auch auf andere Insekten als nur Schädlinge auszuwirken scheint und sich im Boden anreichert, in der EU genehmigt worden, aber durch die "unabsichtlichen" Vermischungen wurden wahrscheinlich bereits auch andere Genpflanzen in ungenehmigten Freilandversuchen angebaut.

Greenpeace behauptet, dass sogar zwischen 5 und 15 Prozent der in Europa verkauften Maisaussaat gentechnisch verändert sei. Das weist zwar die Saatgutunternehmen zurück, allerdings haben jetzt auch französische Saatgutlieferanten eingeräumt, sie könnten nicht garantieren, dass die Samen völlig frei von genverändertem Saatgut sei. Man garantiere jedoch, so ein Sprecher der in Brüssel ansässigen European Seed Association, dass weniger als ein Prozent des Saatgutes kontaminiert sei. Der Verband hat auch die europäischen Regierungen aufgefordert, sich für eine internationale Regelung einzusetzen, dass in Saatgut bis zu einem Prozent genveränderte Samen enthalten sein können, ohne dass eine Auszeichnung erfolgen müsse.

Die Nachricht kam gerade richtig, da zur Zeit in Genua eine Messe stattfindet, die auch die Absicht hat, eine Kampagne gegen die ablehnende Haltung der Menschen gegenüber der Gentechnik in Lebensmitteln zu starten. In Genua aber hat sich auch der Stadtrat mit den Demonstranten verbunden. Mit 28 zu 0 Stimmen bei 5 Enthaltungen wurde am Montag Abend bereits die Stadt zur gentechnikfreien Zone erklärt. Mauro Cordo, Pressesprecher der Stadtversammlung: "Die Stadtväter wollten mit der Entscheidung ein Zeichen setzen und ihre Bedenken hinsichtlich der Gefahren für Gesundheit und Umwelt zum Ausdruck bringen." In den letzten Wochen hatten, so berichtet Greenpeace schon Lazio, Marche und die Toskana den Anbau von Gen-Pflanzen verboten. Heute findet ein Protestmarsch zum Tagungsgelände der Biotech-Messe statt, bei dem einige Tausend Teilnehmer erwartet werden. Die italienische Polizei befürchtet gewaltsame Auseinandersetzungen und hat 5000 Mann bereitgestellt. Die Gentechnik-Gegner haben sich unter der Parole "Rebellion ist natürlich" zusammengefunden und hoffen darauf, in Genua ein "Mini-Seattle" inszenieren zu können. Wegen der Gefahr, dass die Protestaktionen in Gewalt münden könnten, haben Greenpeace und Friends of the Earth bereits ihre Beteiligung an den Demonstrationen abgesagt.

Fabrizio Febri von Greenpeace meinte, die Gentech-Branche wollte das Signal aussenden, dass gentechnisch veränderte Lebensmittel Teil der breiteren biotechnologischen Forschung etwa in der Medizin seien. Das Anliegen aber sei gescheitert. Der Nobelpreiträger Renalto Dulbecco räumte auf der Konferenz ein, dass für möglicherweise gefährliche Techniken Kontrollen notwendig seien, aber man müsse auch die Vorzüge der Gentechnik wie die Schaffung von Pflanzen anerkennen, die mit wenig Wasser auskommen oder zusätzlich Vitamin A enthalten, was den Entwicklungsländern zugute kommen würde (Werbegag oder Entwicklungshilfe?).