Die abgewählte spanische Regierung streitet Informationsmanipulation weiter ab

Zapatero bekräftigte in Gesprächen mit zur Trauerfeier angereisten Regierungsvertretern seine Haltung. Wegen der Anschläge wird eine Zunahme rassistischer Gewalt befürchtet

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Unter einem großen Sicherheitsaufgebot fand gestern in der Madrider Kathedrale La Almudena der Trauergottesdienst statt, um den Opfern der Anschläge vom 11. März in Madrid zu gedenken. Unter den Gästen des Staatsbegräbnisses befanden sich 15 Staats- und Regierungschefs, wie Gerhard Schröder, Tony Blair oder Jacques Chirac. Offiziell wird die Zahl der Toten nun mit 189 angegeben, statt mit 202 wie bisher. 134 Menschen befinden sich noch im Krankenhaus, bei zweien ist die Lage noch sehr instabil und bei weiteren 13 kritisch. Heftige Kritik gab es von Angehörigen, die nicht verstanden, warum in einem säkularen Staat eine katholischen Messe zelebriert wird, wodurch Angehörige ausgeschlossen wurden. VIele kamen auch nicht, weil sie der noch im Amt befindlichen Regierung die Verantwortung für die Terroranschläge zuweisen.

Der designierte sozialistische Ministerpräsident José Luis Zapatero nutzte die Anwesenheit der Regierungschefs, um vor dem EU-Gipfel in Brüssel, an dem er noch nicht teilnehmen darf, die Grundlinien seiner Außenpolitik festzuklopfen. Er bekräftigte, Spanien werde seine Soldaten bis zum 30. Juni aus dem Irak abziehen, wenn die UN bis dahin den Einsatz nicht übernimmt. Um die Konfrontation mit den USA zu mildern, wird an eine Verstärkung in Afghanistan und im Kosovo nachgedacht. In Aussicht wurde auch eine Einigung über die EU-Verfassung noch in der irischen EU-Präsidentschaft bis zum Sommer gestellt. Bisher hatte Spanien zusammen mit Polen die Verfassung blockiert (Polnische Lockerungsübungen).

Nach ihrem Wahlverlust igelt sich die konservative Volkspartei in den Institutionen ein, um von dort Angriffe zu starten. Die ersten Schüsse gegen die Sozialisten konnten auf dem Parteikongress der PP am Dienstag vernommen werden. Statt Selbstkritik über die eigenen Lügen bestimmten Vorwürfe an die Linke das Bild. Der abgewählte Ministerpräsident José María Aznar behauptete sogar, seine Regierung habe nach den Anschlägen keine Informationen manipuliert oder vorenthalten. Er machte dunkle Mächte für den Wahlsieg der PSOE verantwortlich:

Wir müssen mit aller Klarheit sagen, in den Tagen vom 12. bis zum 14. haben Führer der PSOE und eine faktische Macht, die einfach zu identifizieren ist, gewalttätig die Trauer und die Reflektion der Spanier gestört, um Stimmen zu gewinnen.

Es ist klar, wen Aznar als Strippenzieher sieht: Die Mediengruppe Prisa mit ihrem Flaggschiff, der größten Tageszeitung El País. Prisa steht als einzige bedeutende Gruppe nicht unter dem Einfluss der Regierung. Es entbehrt nicht einer ungewollten Komik, aus dem Mund von Aznar diese Vorwürfe zu hören. Er hat acht Jahre lang die öffentlich rechtlichen Medien und fast alle Privatmedien benutzt, die seine Regierung über den Kommunikationsriesen Telefonica kontrolliert, um Propaganda zu machen (Spanien: Berlusconis Medienmacht als Vorbild?).

Der von der PP eingesetzte Generalstaatsanwalt Jesús Cardenal hat angeordnet, Ermittlungen gegen diejenigen aufzunehmen, die vor den Wahlen spontan gegen die Manipulationen demonstrierten. Cardenal hat eine Anweisung an alle Gerichte geschickt, damit den Anzeigen der PP nachgegangen wird.

Verstärkung des Rassismus gefürchtet

Es mehren sich Stimmen, die vor einer neuen Welle rassistischer Gewalt gegen Einwanderer warnen, weil Täter aus Marokko hinter den Anschlägen stehen dürften. Neun Marokkaner wurden bisher verhaftet. Bei zwei der Hauptverantwortlichen, dem angeblichen Zellenführer Jamal Zougam und dem mutmaßlichen Bombenbauer Abderrahim Zbakn, seien Fingerabdrücke in dem gestohlenen Kleintransporter gefunden worden.

Zu einigen Übergriffen ist es schon gekommen. Mit Bezug auf die Anschläge wurde das Haus einer marokkanischen Familie in Balsapintada (Murcia) mit Flaschen beworfen. Mit roter Farbe hinterließen die Täter "11. März". In Barbastro (Aragon) wurde bei einer Moschee die Scheiben zerstört. Die Polizei in Madrid wurde alarmiert, weil Skinheads zu einem "Kreuzzug" gegen Schwarze und Araber aufriefen. Es werde massiv mit Wandschmierereien zum "Mord an Negern" aufgerufen. Der Rektor der Madrider Universität Carlos Berzosa hat die Polizei davon unterrichtet, dass Rechtsradikale die Uni nutzten, um sich zu organisieren.