Die kalifornische Ideologie Teil II

Seite 3: Vorwärts in die Vergangenheit

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Trotz der Emanzipation der Sklaven und den Siegen der Bürgerrechtsbewegung steht die Rassentrennung noch immer im Zentrum der amerikanischen Politik, besonders an der Westküste. In den kalifornischen Gouverneurswahlen siegte 1994 Pete Wilson, der republikanische Kandidat, durch eine bösartige Kampagne gegen die Immigranten. Auf der nationalen Ebene basierte der Sieg der republikanischen Partei von Gingrich bei den Kongreßwahlen auf der Mobiliserung der "wütenden weißen Männer" gegen die unterstellte Bedrohung durch schwarze Wohlstandsdiebe, Einwanderer aus Mexiko und andere dreiste Minoritäten. Diese Politiker ernteten in den Wahlen die Folgen der wachsenden Polarisierung zwischen der hauptsächlich weißen und wohlhabenden Bevölkerung der suburbanen Zonen, die zum großen Teil zur Wahl geht, und den größtenteils nicht-weißen und ärmeren Bewohnern der Innenstädte, die meistens nicht wählen.

Auch wenn sich die kalifornischen Ideologen ein paar der Hippie-Ideale bewahrt haben, finden sich viele von ihnen außerstande, eine klare Position gegen die Teilungspolitik der Republikaner zu beziehen. Der Grund liegt in dem Sachverhalt, daß die High-Tech- und Medienfimen ein zentrales Element in der auf die Wahlen ausgerichteten Koalition der Neuen Rechten bilden. Kapitalisten und gut bezahlte Angestellte fürchten teilweise, daß das offene Zugeständnis der Subventionierung ihrer Unternehmen seitens der öffentlichen Hand Steuererhöhungen rechtfertigen könnten, um die verzweifelt benötigten Ausgaben für das Gesundheitssystem, den Schutz der Umwelt, den Bau von Wohnungen, die öffentlichen Verkehrsmittel und die Ausbildung bezahlen zu können. Aber entscheidender ist, daß viele Mitglieder der virtuellen Klasse durch die liberalistische Rhetorik und den technologischen Enthusiasmus der Neuen Rechten: verführt werden wollten. Da sie für High-Tech- und Medienfirmen arbeiten, würden sie gerne glauben, daß der elektronische Marktplatz irgendwie Amerikas soziale und wirtschaftliche Probleme ohne Opfer auf ihrer Seite lösen könnte. Gefangen in den Widersprüchen der kalifornischen Ideologie, ist Gingrich, wie es ein Beitrag in Wired formulierte, gleichzeitig ihr Freund und Feind .

In den USA ist eine größere Verteilung des Reichtums für das langfristige wirtschaftliche Wohlergehen des Landes dringend nötig. Aber das richtet sich gegen die kurzfristigen Interessen der reichen Weißen, zu denen auch viele Mitglieder der virtuellen Klasse gehören. Anstatt ihren schwarzen und lateinamerikanischen Nachbarn etwas abzugeben, ziehen sich die Yuppies lieber in ihre reichen Vorstädte zurück, die von bewaffneten Wächtern beschützt werden und mit ihren privaten Fürsorgeeinrichtungen sicher sind. Die Ausgeschlossenen partizipieren am Informationszeitalter nur als billiges, nicht gewerkschaftlich organisiertes Arbeitsreservoir für die ungesunden Firmen der Chiphersteller im Silicon Valley. Selbst der Bau des Cyberspace wurde zum Bestandteil der Fragmentierung der amerikanischen Gesellschaft in antagonistische und durch die Rassenangehörigkeit bestimmte Klassen. Die Bewohner der armen innenstädtischen Zonen, bereits von den profithungrigen Telekommunikationsunternehmen an den Rand geschoben, werden durch Geldmangel vom Zugang zu den neuen Online-Diensten abgehalten. Im Gegensatz dazu können die Mitglieder der virtuellen Klasse und andere Spezialisten spielen, daß in der Hyperrealität Cyberpunks seien, ohne ihren verarmten Nachbarn nch begegnen zu müssen. Mit der sich immer weiter vergrößernden sozialen Kluft wird eine andere Apartheid zwischen "Information-rich" und den "Information-poor" geschaffen. In dieser High-Tech-Jeffersonschen Demokratie geht die Unterscheidung zwischen Herren und Sklaven in eine neue Form über.