Die rostigen Brücken des Frank Walter Steinmeier

Seite 2: Auch die zweite Chance wird vertan

Nach der Annexion der Krim und der beginnenden Eroberung der östlichen Ukraine durch "Separatisten" gelang es unter Führung der OSZE einen Waffenstillstand zu vereinbaren, dessen Umsetzung Frankreich und Deutschland im sogenannten Minsk II-Abkommen konkretisierten.

Für die Ukraine war dabei die (brüchig gebliebene) Waffenruhe das Wichtigste, für Russland dagegen die Verselbständigung der beiden Ostrepubliken Donezk und Lugansk.

Vereinbart war eine "Dezentralisierung der Macht in der Ukraine", unter anderem durch die Verabschiedung eines Gesetzes "über die vorübergehende Ordnung der lokalen Selbstverwaltung in bestimmten Regionen der Gebiete Donezk und Lugansk". Ein Sonderstatus sollte "lokale Selbstverwaltung in bestimmten Regionen der Gebiete Donezk und Lugansk" und unabhängige Wahlen garantieren.

Aber es kam zu einem Präsidentenwechsel in der Ukraine. Unter dem jetzigen Präsidenten Selenskyj wurde nicht nur diese Verselbständigung nicht verfolgt, sondern sogar die dort durchlaufende Eisenbahnverbindung zur Krim unterbrochen. Also wieder Provokation statt Vertragstreue.

Nun wäre es an Frank Walter Steinmeier gewesen, die Vertragseinhaltung einzufordern, auch wenn man das Zögern von Selenskyj verstehen kann. Aber er überlies das anderen, selbst dann, als die immer massiveren Panzerkonzentrationen an der ukrainischen Grenze zur unübersehbaren Drohgebärde wurden.

Sicher, nun war Frank Walter Steinmeier Bundespräsident. Aber als ehemaliger Verhandlungsteilnehmer und mit Blick auf Deutschlands Mitgliedschaft im Aufsichtsgremium wäre es auch in seiner neutraleren Rolle als Bundespräsident möglich, ja Pflicht gewesen, zu mahnen und die Vertragseinhaltung einzufordern. Aber das unterblieb, diese letzte Chance zur Beruhigung des "russischen Bären" wurde vertan.

Vor diesem Hintergrund genügt das Eingeständnis des langjährig verantwortlichen Außenministers über die "im Ansatz gescheiterte europäische Sicherheitspolitik" nicht. Es geht um die politische Verantwortung, um die Initiativlosigkeit in historisch wichtiger Wendezeit.

Der Auftrag eines Außenministers ist, Frieden zu wahren – und wenn das misslingt, ist auch nur die geringste Teilschuld schon Grund genug, alle politischen Ämter aufzugeben.