"Dieser Geheimdienst foltert nicht"

CIA-Chef Porter Goss erklärt, die CIA habe "einzigartige und innovative" Techniken entwickelt, aber diese seien keine Folter und völlig legal

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Einzelne Länder wie Spanien, Italien, Schweden oder Deutschland haben bereits Verfahren eingeleitet, um illegalen Entführungen, die auf ihrem Territorium durch CIA-Agenten stattgefunden haben, und Zwischenlandungen von CIA-Flügen nachzugehen, mit denen möglicherweise Gefangene nach Guantanamo oder in andere Gefängnisse gebracht wurden. So hat die Staatsanwaltschaft Zweibrücken ein Verfahren wegen des in Mailand von CIA-Agenten entführten Imam Hassan Mustafa Osama Nasr eingeleitet, der in Ramstein von einer Maschine in eine andere geschafft wurde (Haftbefehl für CIA-Agenten). Jetzt will auch die EU, wenn auch sehr zögerlich, Auskunft von der US-Regierung über die Flüge erlangen. Ungeklärt ist noch, ob sich tatsächlich in einem EU-Land ein geheimes Gefängnis der CIA befindet oder ob in EU-Mitgliedsländern befindliche CIA-Zentren auch illegale Operationen wie Entführungen oder Auslieferungen von Gefangenen an Folterländer stattgefunden haben (Die CIA betreibt in über 20 Ländern geheime Operationszentren.

Dass CIA-Mitarbeiter nach dem 11.9. Gefangene auch gefoltert haben, ist sehr wahrscheinlich. Bekannt sind letzthin einige der angeblich explizit genehmigten Methoden geworden, mit denen Gefangene zur Erzwingung von Aussagen weich geklopft wurden (Die genehmigten harten Verhörtechniken der CIA). Und indirekt hat US-Vizepräsident Cheney den Folterverdacht auch bestätigt, nachdem er versucht hat, die CIA von einem Gesetz auszunehmen, das es Mitarbeitern der US-Regierung verbietet, Folter anzuwenden, d.h. Menschen "grausam, unmenschlich und entwürdigend" zu behandeln (US-Regierung will für die CIA eine Ausnahme vom drohenden Folterverbot).

Das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, das von den USA ratifiziert wurde, nennt Folter Handlungen, die mit "großen" körperlichen, aber auch seelischen Schmerzen eine Aussage erzwingen wollen:

Im Sinne dieses Übereinkommens bezeichnet der Ausdruck "Folter" jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen oder um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen, oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigend im Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind.

Die US-Regierung hatte allerdings versucht, 2002 das Zusatzprotokoll zur Anti-Folter-Konvention zum Scheitern zu bringen. Hier stand die US-Regierung in Gleichklang mit einer illustren Gesellschaft, nämlich mit China, Kuba, Libyen, Indien, Pakistan, Russland oder Iran. Das Zusatzprotokoll sieht vor, dass internationale und nationale Organisationen regelmäßig Orte besuchen können, wo "Menschen ihrer Freiheit beraubt" sind, um "Folter oder andere grausame, unmenschliche oder entwürdigende Behandlungen oder Bestrafungen" zu verhindern.

In einem vom jetzigen US-Justizminister Gonzales in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten des Office of Legal Counsel vom August 2002 wurde das Verbot der Folter erheblich gelockert (Die intellektuellen Wegbereiter von Folter und Willkürjustiz). Hier heißt es, dass manche Handlungen zwar "grausam, unmenschlich und erniedrigend" sein können, ohne deswegen schon Folter zu sein, wenn sie nicht "Schmerzen oder Leiden in der erforderlichen Intensität" verursachen. Körperlicher Schmerz wäre nur dann als Folter zu verstehen, wenn Schmerz dem vergleichbar ist, der von "einer schweren Verletzung wie einem Organschaden, einer Lähmung körperlicher Funktionen oder sogar dem Tod ausgeht". Psychische Folgen müssten in schweren psychischen Schäden signifikanter Dauer, mindestens Monate, münden. Das lässt sich als Freibrief für Folter bezeichnen. Das UN-Abkommen über Folter, das von den USA ratifiziert wurde, verbiete nach Ansicht der willigen Rechtsexperten daher nur "die extremsten Taten" (Die US-Regierung und die Folter).

Während also Cheney den einmal offiziell geöffneten Freiraum für Folter zumindest für die CIA wahren will, sucht sich CIA-Chef Porter Goss herauszuwinden. Man stehe dem Vorhaben des republikanischen Abgeordneten McCain "neutral" gegenüber, der grausame, unmenschliche und entwürdigene Behandlung von Gefangenen mit seinem Gesetzesvorschlag verbieten will. Es würde eine Menge an Gerüchten über die Behandlung von Gefangenen herumschwirren. Und Goss stellt nun ganz wie Bush in einem Interview fest:

Der Geheimdienst foltert nicht. Folter funktioniert nicht. Wir verwenden gesetzeskonforme Mittel, um Informationen zu sammeln, und das machen wir in einer Vielzahl von einzigartigen und innovativen Weisen, die alle legal sind und von denen keine Folter ist.

Welche innovativen Mittel die CIA anwendet, mochte Goss aber lieber nicht mitteilen. Gegenüber Feinden, die in einem "amorphen Netzwerk" arbeiten und keine Vorschriften beachten müssen, hätten träge bürokratische Organisationen einen Nachteil. Daher müsse man Handlungsfähigkeit entwickeln: "im Rahmen der Gesetze und mit den Anforderungen unserer professionellen Ethik". Über die angeblichen Gefangenenlager der CIA in osteuropäischen Länder wollte Goss sich ebenfalls nicht äußern. Das seien Behauptungen in den Medien, die der CIA die Arbeit erschweren und Anschläge provozieren könnten. Goss sagte allerdings auch nicht, dass es diese nicht gibt. Er stritt auch ab, dass die CIA im Ausland Personen festnimmt. Wenn die CIA einen Terroristen im Ausland festnehmen wolle, dann müsse sie sich an die jeweiligen Sicherheitsbehörden des Landes wenden.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch erklärt, dass es genügend Hinweise darauf gibt, dass die CIA Folter eingesetzt habe. Einige der genehmigten Verhörmethoden seien Folter.