Digitale Razzia: Wie künstliche Intelligenz Steuersünder überführt

KI fahndet nach Steuersündern

(Bild: Andrey_Popov / Shutterstock.com)

Das Finanzamt jagt Steuersünder jetzt mit künstlicher Intelligenz und durchforstet soziale Medien. Doch die erste große Razzia endete anders als geplant.

Niemand ist begeistert, wenn das Finanzamt an das hart erarbeitete Geld heranwill. Mit legalen – und manchmal auch mit weniger legalen – Tricks versuchen viele, die Steuerlast zu senken. Doch die Behörden rüsten mit Künstlicher Intelligenz auf, um an die versteckten Schätze heranzukommen. Vorreiter auf diesem Gebiet ist Griechenland.

KI scannt das Internet, überprüft und übergibt an menschliche Kollegen

Influencer und Social-Media-Akteure, die Produkte und Dienstleistungen bewerben, geraten ins Visier der Unabhängigen Behörde für Staatseinnahmen (AADE). Zu diesem Zweck werden Beiträge griechischer Nutzer in sozialen Medien mithilfe von KI analysiert. Entdeckt die KI dabei Beiträge, die als Werbung für Produkte oder Dienstleistungen interpretiert werden können, werden weitere Überprüfungen eingeleitet.

Das System prüft, ob die Influencer identifiziert werden können. Im nächsten Schritt wird geprüft, ob für die als Werbung eingestuften Postings die entsprechenden Einnahmen beim Finanzamt versteuert wurden.

Gleichzeitig prüft die KI, ob Zahlungen, die Influencer möglicherweise von Sponsoren und Werbekooperationen erhalten, auf ihren Bankkonten aufscheinen. Auch hier wird geprüft, ob diese Zahlungen in der Steuererklärung angegeben wurden.

Wenn in den Büchern eines Unternehmens Ausgaben an Influencer ausgewiesen sind, wird ebenfalls geprüft, ob diese Beträge als Einnahmen verbucht wurden. Letzteres ist die Standardpraxis für alle Zahlungen, die vom griechischen Finanzsystem erfasst werden.

Die Bankeinlagen und Vermögenswerte eines Influencers werden mit den angegebenen Einkünften verglichen. Sind die Vermögenswerte oder Einlagen im Verhältnis zum deklarierten Einkommen unverhältnismäßig hoch, wird der Influencer aufgefordert, deren Herkunft zu begründen. Hat die KI einen Treffer erzielt, beginnt die Steuerfahndung mit der konventionellen Prüfung.

Viele Influencer erhalten Produkte oder Dienstleistungen als Gegenleistung dafür, dass sie für Unternehmen werben. Die AADE prüft, ob es sich dabei um verdeckte Einkünfte handelt und ob diese als steuerpflichtiger Vorteil deklariert wurden. In diesem Fall wird der Marktwert der bereitgestellten Produkte oder Dienstleistungen ermittelt und als steuerpflichtiger Umsatz verbucht. Kurz gesagt, es wird teuer für die ertappten Internet-Akteure.

230.000 Euro Strafsteuer – aber das Gericht sagt nein!

Doch während die Steuerfahnder mithilfe von KI den Druck auf Influencer auf Facebook, Instagram, TikTok und Co. erhöhen, beginnen diese, sich mit den Mitteln des Steuerrechts zu wehren. Ein aktuelles Beispiel ist eine Influencerin, die nach einer KI-Überprüfung von der Steuerbehörde der Insel Syros ins Visier genommen wurde.

Die Kontrolltechniken des Sprachmodells hatten angeschlagen und Unregelmäßigkeiten für die Jahre 2017 bis 2020 diagnostiziert. Das Finanzamt überprüfte die Bücher und Buchungen der Bankkonten. Die Influencerin wurde aufgefordert, die Herkunft der auf ihren Konten gutgeschriebenen Geldbeträge detailliert nachzuweisen. Sie sollte nachweisen, ob diese entweder gemäß den steuerlichen Bestimmungen versteuert wurden oder aus zu erläuternden Gründen steuerfrei waren.

Obwohl die sorgfältige Prüfung der Bankkonten nichts Verdächtiges ergab, wurde sie aufgefordert, Kopien von Rechnungen und eventuellen Vereinbarungen mit Werbepartnern, die in ihren Beiträgen in den sozialen Medien erwähnt wurden, vorzulegen und nachzuweisen, dass diese wie vorgeschrieben bei der Prüfungsdirektion registriert wurden. Die Prüfer gingen davon aus, dass die KI nicht ohne Grund Alarm schlagen konnte.

Anstelle des Nachweises der Schuld des Influencers gab es eine Umkehr der Beweislast. Die Prüfer untersuchten Posts, in denen ihrer Meinung nach verschiedene Produkte oder Unternehmen über getaggte Accounts beworben wurden. Die Prüfung ergab, dass die Posts aufgrund ihrer Beliebtheit und Followerzahl einen positiven Effekt auf die beworbenen Unternehmen haben müssten.

Für die Beiträge, für die keine expliziten Rechnungen vorlagen, wurden Schätzverfahren angewandt, um die angenommenen Einnahmen zu ermitteln. Anschließend wurden Bußgelder für nicht gemeldete Einnahmen festgesetzt und die Umsatzsteuer zu den Einnahmen hinzugerechnet. Daraus ergaben sich

  • Für 2017: 58.625 Euro + MwSt. 14.070 Euro
  • Für 2018: 65.875 Euro + MwSt. 15.810 Euro
  • Für 2019: 44.025 Euro + MwSt. 10.566 Euro
  • Für 2020: 17.000 Euro + MwSt. 4.080 Euro

Insgesamt forderte das Finanzamt von der Influencerin 226.451 Euro an Steuernachzahlungen plus Säumniszuschläge. Die Influencerin vertrat dagegen den Standpunkt, dass sie ihre Einkünfte offengelegt, die Herkunft aller Einkünfte erklärt und deren Versteuerung nachgewiesen habe. Sie legte Widerspruch beim Dispute Resolution Directorate, der Beschwerdestelle, ein. Dort werden die Fälle von Richtern entschieden.

Die Verteidigungsstrategie der Influencerin basierte hauptsächlich auf einem Formfehler der Steuerfahnder. Sie argumentierte, dass es sich um eine rechtswidrige und ungerechtfertigte Anwendung der Bestimmungen des Artikels 28 des Gesetzes 4172/2013 (Einkommensteuergesetzbuch) handele. Die Voraussetzungen für die Feststellung von Steuerverstößen seien bei der AI-Methode nicht erfüllt gewesen, eine fehlerhafte Buchführung sei nicht nachgewiesen worden. Daher seien die geschätzten Einkünfte gegenstandslos.

Dem Einspruch der Influencerin wurde stattgegeben. Die Richter stellten fest, dass im vorliegenden Fall die Prüfungsvoraussetzungen nicht ordnungsgemäß erfüllt waren und somit alle weiteren Konsequenzen rechtsunwirksam waren. Für sie ging die Sache also gut aus. Es ist jedoch zu erwarten, dass die Regierung die Gesetze nachschärfen wird.

Erfolgreiche KI-Einsätze

In anderen Bereichen, den globalen Handelsplattformen des Internets und den elektronischen Zahlungsdiensten, war das AI-System weitaus erfolgreicher. Im Visier sind registrierte Unternehmen, die keine oder nur geringe Umsätze ausweisen und sich über Zahlungsdienstleister wie PayPal, Revolut, E-Wallet oder Ähnliches bezahlen lassen.

Das automatisierte System scannt die Inserate auf den Plattformen. Die durchschnittlichen An- und Verkaufspreise der angebotenen Waren sind bekannt. Ebenso die Verkaufsprovisionen. Das System hat Zugriff auf die vom Unternehmen gemeldeten internationalen oder innereuropäischen Verkäufe. Diese werden mit den Verkaufsanzeigen verglichen, aber auch mit den Einkäufen, die von Dritten für das Unternehmen gemeldet werden.

Allein ein Durchlauf über eine international tätige, nicht näher bezeichnete Handelsplattform brachte mehr als 8,5 Millionen Euro Schwarzgeld zum Vorschein. Ein Lampenhändler aus Thessaloniki hatte 8.107 Verkäufe über netto 2,8 Millionen Euro nicht korrekt abgerechnet. Bei einem Schmuckhändler aus Athen schlug die KI Alarm. Eine Steuerprüfung ergab für die Jahre 2018 bis 2022 einen hinterzogenen Nettobetrag von 2,13 Millionen Euro. Bei drei Konkurrenten des Unternehmens fanden die Fahnder weitere 810.000 Euro hinterzogen. Bei einem Modeschmuckhersteller aus Athen waren es 680.000 Euro.

Wie bei der Influencerin beruhen die von den Steuerfahndern ermittelten Summen oft auf Schätzungen, für deren Plausibilität wiederum die statistischen Fähigkeiten der KI genutzt werden. KI prüft auch, ob griechische Händler, die im Internet aktiv sind, korrekt als Händler registriert sind.

Ganz ohne KI, nur mit Digitalisierung, wurden dagegen die Einnahmen aus der Umsatzsteuer erhöht. Rechnungen und Kassenbelege werden von der Steuerbehörde in Echtzeit erfasst. Anstatt auf die periodischen Umsatzsteuererklärungen zu warten, bucht der Fiskus die Umsatzsteuerbeträge in Echtzeit vom Konto der Unternehmen ab.