Digitaler Friedensversuch: US Cyber Command legt Waffen nieder

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Das US Cyber Command stoppt seine digitalen Angriffe auf Russland. Die Anweisung kommt direkt vom Pentagon. Doch der Friedensversuch birgt enorme Risiken.
US-Verteidigungsminister Pete Hegseth hat Berichten zufolge das US Cyber Command angewiesen, offensive Cyberoperationen gegen Russland einzustellen. Dies ist offenbar Teil größerer Bemühungen der Trump-Regierung, Russlands Präsidenten Wladimir Putin zu Verhandlungen über die Ukraine und eine Neuordnung der Beziehungen zu bewegen.
Die genaue Reichweite und Dauer von Hegseths Anweisung ist unklar, da die Grenzen zwischen offensiven und defensiven Cyberoperationen oft verschwimmen. Laut aktuellen und ehemaligen Regierungsvertretern wurden die geheimen Anweisungen aber noch vor dem jüngsten Eklat zwischen Präsident Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Oval Office erteilt.
Experten sehen den Rückzug von Cyberoperationen als riskante Strategie. Denn er setzt darauf, dass Putin im Gegenzug den Cyberschatten-Krieg gegen die USA und ihre Verbündeten in Europa zurückfährt. Zuletzt hatten Angriffe auf kritische Infrastruktur wie Krankenhäuser in den USA und mysteriöse Explosionen und Sabotageversuche in Europa stark zugenommen. Viele davon gingen laut Geheimdiensten direkt von Russland aus oder wurden zumindest geduldet.
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Das US Cyber Command spielte bisher eine zentrale Rolle bei der Abwehr dieser Angriffe, häufig in verdeckten Operationen und in enger Abstimmung mit Partnern wie Großbritannien. Diese Zusammenarbeit könnte nun auf dem Spiel stehen, während sich die USA mehr auf China als Hauptgegner im Cyberraum konzentrieren.
Trumps Außenminister Marco Rubio verteidigte den Kurswechsel mit der Notwendigkeit, Russland an den Verhandlungstisch zu bringen, auch wenn unklar sei, ob Putin zu einer Einigung bereit ist. Kritiker sehen darin ein zu großes Entgegenkommen gegenüber Moskau, das von der Isolation durch die internationale Gemeinschaft wegen des Ukraine-Kriegs profitiert.
Auswirkungen auf die Ukraine und Europa
Die Anordnung könnte nicht nur die Cybersicherheit in den USA, sondern auch die Verteidigung der Ukraine und Europas vor russischen Cyberangriffen schwächen.
Vor dem russischen Überfall 2022 hatten US-Teams die digitale Abwehr der Ukraine gehärtet. Seither spielte das Cyber Command eine wichtige Rolle bei der Beobachtung und Analyse der russischen Cyberkriegsführung. Ein Rückzug könnte Kiew verwundbarer machen.
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Auch viele private Unternehmen und Einrichtungen in Europa und weltweit wären einem höheren Risiko ausgesetzt, wenn das Cyber Command nicht mehr effektiv russische Geheimdienste und Militär-Hacker in Schach hält. Zuletzt fand Microsoft heraus, dass der russische Auslandsgeheimdienst SVR Regierungsmitarbeiter und andere Personen in Dutzenden Ländern ins Visier genommen hat, um Zugriff auf deren Geräte und Systeme zu erlangen.
Die Folgen für die Cybersicherheit in Europa hängen auch davon ab, ob die Verbündeten wie Großbritannien und Kanada ihre Zusammenarbeit mit den USA reduzieren und eigene Abwehrmaßnahmen verstärken. In jedem Fall ist die transatlantische Geschlossenheit bei der Cybersicherheit in Gefahr.
Unklarheit herrscht auch über die Auswirkungen auf die Personalstärke des Cyber Commands. Sollte die Anweisung nur die wenigen hundert "digitalen Krieger" betreffen, die sich speziell mit Russland befassen, wären die Folgen überschaubar. Weitaus größer wären sie bei einer Ausweitung auf die Tausenden Analysten und Entwickler, die allgemein mit Aufklärung und Fähigkeitsentwicklung betraut sind.
Fest steht: Die Neuausrichtung kommt zu einer Zeit, in der das Cyber Command ohnehin Mühe hat, genügend Personal für den Kampf gegen mexikanische Drogenkartelle aufzustellen, die von der US-Regierung als Terrorgruppen eingestuft wurden. Der Rückzug an der Russland-Front dürfte diese Herausforderung noch vergrößern.