Dolly ist hier - und wir sind die nächsten

Das Aufmerksamkeitsspektakel der geschäftstüchtigen Reproduktionsmediziner

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Man hatte die Veranstaltung aufmerksamkeitsökonomisch schon frühzeitig angekündigt, um das Medienspektakel zu sichern, wenn mitten in der Heiligen Stadt ein kleines Häuflein von Wissenschaftlern einzig aus dem Grund tagt, um noch einmal zu bekräftigen, dass man demnächst einen Menschen klonen will. Offenbar waren, wie man einer dpa-Meldung entnehmen kann, vornehmlich Journalisten auf dem Workshop anwesend. Damit hat dieser seinen Zweck bereits erfüllt.

Dolly 1997 mit "Mutter"

Nach der Ankündigung des Projekts Ende Januar hätten schon 600 Paare Interesse bekundet, Kinder zu klonen (Ein italienischer Wissenschaftler will Menschen klonen). Zavos meinte, er sei seit der Ankündigung gar von Emails Interessierter überschwemmt worden: "Dolly ist hier - und wir sind die nächsten." Vermutlich geht es bei den Veranstaltungen just darum, das sowieso schon profitable Geschäft mit der Reproduktionsmedizin durch eine neue und teure Technik weiter zu ergänzen. Aber um in das Geschäft einzusteigen, benötigt man Versuchspersonen, die überdies noch dazu bereit sein müssen, viel Geld für ein zweifelhaftes Unternehmen zu zahlen. Reiche, aber unfruchtbare Männer sind die Zielgruppe, die es durch Aktionen und Versprechungen zu erschließen gilt. Die Medien lassen sich willfährig vor den Karren spannen und vermitteln den Kontakt mit den Kundenstamm.

COST:

Human cloning:
This service is offered for the amount of $200,000. US.

Clonaid von der Rael-Sekte

Der Reproduktionsmediziner Severino Antinori hatte 1998 in Konkurrenz mit Richard Seed und der ebenso aufmerksamkeitslüsternen Rael-Sekte schon einmal verkündet, dass er auch Menschen klonen will. Damals ist das ziemlich klanglos untergegangen, während Antinori und seine Kollegen, vornehmlich der Reproduktionswissenschaftler Panayiotis Zavos vom Andrology Institute of America, sich jetzt fast in einer Weltöffentlichkeit sonnen können, der sie trotzig und provokant immer wieder mitteilen, dass sie die ersten sein wollen, die Menschen klonen werden. Das Geheimnis, mit dem kokettiert wird, wo und wann das stattfinden soll und wer das zahlende, aber womöglich über die Premiere prominent werdende Opfer sein wird, macht alles noch ein wenig interessanter. Möglicherweise darf man ja bald an der Börse in das neue Unternehmen investieren ....

Update: Allerdings meldet der Spiegel heute, dass Antinori und Kollegen ihre Premiere in Israel ausführen wollen, da hier das Klonen nicht verboten sei. Mitstreiter soll der der israelische Mediziner Avi Ben-Abraham sein, vorgenommen werden soll das Klonen angeblich durch eine Firma namens Abaclon. Ben-Abraham ist offenbar ein guter Mitstreiter: "Die Zeit ist gekommen, uns über die Gesetze der Natur hinwegzusetzen", meinte er. Überdies soll es reichlich Geld geben, zumindest verkündete er: "Geld spielt für uns keine Rolle."

Ist eine solche Nachricht einmal an die Öffentlichkeit gedrungen, verbreitet sie sich wie ein Mem. Es sind ja nicht diejenigen, die das für gut heißen, die Infektionsträger, sondern bekanntlich tragen vornehmlich die Gegner oder Kritiker die Meldung sehr viel effektiver weiter, während die Journalisten, die hier eine mehr oder weniger schon vorgepackte Meldung haben, sich begierig darauf zu stürzen. Jetzt kann man Artikel scheinbar distanziert schreiben, wenn man zitiert, dass amerikanische Wissenschaftler das reproduktive Klonen von Menschen wegen der noch nicht sicher beherrschten, ineffektiven und mit vielen Unwägbarkeiten begleiteten Technik als "kriminell" bezeichnen. Natürlich kommen dabei auch Akteure an die Öffentlichkeit, die sonst nicht so oft die Chance haben. Jetzt erfährt man, die italienische Ärztekammer drohe Antinori mit weit reichenden Maßnahmen, wenn er einen Menschen klone. Auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat eine Meinung und sagt, dass das Vorhaben für "unwissenschaftlich und unmoralisch" sei.

Man weiß allerdings, dass die öffentliche Erregung nicht lange anhalten dürfte. Vermutlich wird es mit dem Klonen so ähnlich gehen wie mit den Big-Brother-Inszenierungen: man muss nur ein Thema genügend abnudeln, damit es gewöhnlich und uninteressant wird, damit das Spektakuläre sich reduziert. Schon jetzt hat sich die Stimmung gegenüber der Aufregung merklich abgekühlt, die von der Meldung des erfolgreichen Klonens von Dolly ausgelöst wurde. Und wenn erst einmal der Damm gebrochen ist, das erste Kind geklont wurde, dann mögen nationale Gesetzgebungen dies noch immer verbieten, aber auch reproduktives Klonen wird wie künstliche Befruchtung zu einem mehr oder weniger normalen Vorgang geworden sein - und geklonte Menschen werden ebenso wenig als Zombies angesehen werden oder sich selbst nur als Produkte betrachten wie Menschen, die durch In-Vitro-Fertilisation entstanden sind.

Mit dem Zurückgehen der Aufgeregtheit werden endlich die wirklich problematischen Aspekte des reproduktiven Klonens deutlich. Solange die Gegner wie Don Quijote mit nicht existierenden Feinden kämpften, hatten sie das Feld den Geschäftemachern überlassen. Wer naiv argumentierte, dass ein Klon eine exakte Kopie eines anderen Menschen ist, überschätzte nicht nur Gentechnik und die Bedeutung des genetischen Codes, sondern unterstellte auch, dass das Verfahren letztlich ohne Probleme durchführbar sein wird.

Es sind nicht nur die immer noch großen Fehlerraten, die Klonen schlichtweg als Technik diskreditieren, sondern die Missbildungen und Fehlgeburten, die sie praktisch als undurchführbar erscheinen lassen. Zwar hat Antinori darauf hingewiesen, dass die Risiken nicht größer seien als bei der künstlichen Befruchtung, die zu Beginn ebenfalls kritisiert und abgelehnt worden sei, aber bei einer Fehlerquote wie beim Klonen des Schafs Dolly, bei dem fast 300 Versuche notwendig waren, spielt vermutlich keine Frau mehr mit und werden sich auch keine Leihaustragsmütter finden lassen. Seit dem Klonen von Dolly ist es auch nicht gelungen, das Verfahren wesentlich zu verbessern und die Fehlerrate zu senken. Allerdings sind die Wissenschaftler vom schottischen Roslin-Institut kürzlich auf eine Ursache gestoßen, warum geklonte Tiere häufiger zu Missbildungen und Fehlgeburten neigen, woraus sich die Möglichkeit eines verbesserten Verfahrens ergeben könnte (Gesundheitsschäden bei geklonten Tieren).

Antinori und Zavos versicherten zwar, dass das Klonen zwar bei Menschen anders sei, man die Fehlerrate durch intensive Qualitätskontrollen senken könne und sie als Reproduktionsmediziner sowieso gut über Embryonen Bescheid wüssten, aber sie stellen ihr Programm dennoch sicherheitshalber erst einmal auf die Männer ab. Die haben es leichter, weil sie ja nur Zellen hergeben müssen, weswegen bei einer Befragung von Antinori angeblich 70 Prozent der ohne Erfolg wegen Unfruchtbarkeit behandelten Männer am Klonen interessiert seien (wobei unbekannt ist, wie hoch dieses Interesse in Geld umgerechnet bestehen bleibt), dass aber nur zwei Prozent der Frauen sich für das Klonen interessiert hätten. Das ist nicht nur deswegen interessant, weil Antinori geschäftstüchtig zunächst nur Männer klonen will, sondern auch, weil immer wieder behauptet wurde, dass Klonen die Männer eigentlich überflüssig macht. Jetzt müssten sie nur noch zusammen mit dem Klonen ein Verfahren entwickeln, wie die klonwilligen Männer unabhängig von den Frauen werden können, in dem sie selbst die Kinder austragen oder sie in einem künstlichen Uterus heranwachsen.