Downing Street 10: Der Nächste, bitte!

Seite 2: Die Personalie Truss

Wenn Benny Hill Katastrophenfilme gedreht hätte – sie hätten wohl etwa so ausgesehen, wie die in Summe 30 Arbeitstage der Liz Truss. Der Witz dieser Slapstick-Comedy liegt darin, dass das Publikum das Fehlverhalten der Akteure leicht erkennen kann und sich darüber belustigen darf. In der politischen Realität wäre nun die spannende Frage: Wieso bemerken dies die Akteure selbst nicht?

Dieser schwerwiegende politische "Unfall" ist durchaus auch in der Person von Liz Truss begründet. Sie ist somit auch an sich selbst gescheitert. Und dies, obwohl Truss über die meiste Erfahrung aller Kandidaten für das Amt des Premiers verfügte und bereits zwölf Jahre lang verschiedene Kabinettsposten ausgeübt hatte.

Anders, als sie in ihrer tendenziösen, politischen Selbstdarstellung suggeriert, kam sie aus keinem unterprivilegierten Elternhaus. Der Vater war Mathematikprofessor und wenig begeistert von den politischen Überzeugungen seiner Tochter. Die Mutter, ebenfalls Akademikerin, engagierte sich in der Anti-Atomkraftbewegung und arbeitete als Lehrerin. Ein bildungsbeflissener Haushalt, der laut Aussage von Truss "links von Labour" war.

Sie selbst erwies sich im Studium bereits als meinungsstark, und zwar im Beibehalten der einmal strategisch ergriffenen Meinung. Studienkollegen erinnern sich, dass Truss kaum je interessiert an der Sichtweise ihrer Gegner war.

Truss lenkte mehrmals in ihrer Karriere bedeutend ein. Sie war ehemals in der Liberalen Partei, was sie später als Jugendsünde abtat. Auch war sie zunächst für den Verbleib in der EU, wurde dann aber zur glühenden Verfechterin des Brexit. Jedes Mal "erfand" sich Truss neu, ohne Nennung der Gründe.

Mit ihren Kollegen Kwasi Kwarteng, Priti Patel, Dominic Raab und Chris Skidmore publizierte sie das Werk "Britannia Unchained", eine Art "Atlas Shrugged" ohne die an den Haaren herbeigezogenen Handlung. Die Kernaussage: Großbritannien stünden goldene Zeiten bevor, wenn sich die Faulenzer endlich einmal aufraffen und ordentlich arbeiten würden.

Es gibt eben Menschen, die anpacken und ein literarischer Zufall will es, dass dies zugleich jene sind, die das Buch "Britannia Unchained" verfasst haben. Die Anpacker müssen folglich die Phlegmatiker im Lande anstoßen, damit jene leistungswilligen Verhältnisse entstünden, wie sie in Asien zu beobachten seien.

Dazu müssten gewisse flankierende Maßnahmen her: Wirtschaftswachstum, Steuersenkungen, weniger Sozialstaat (wegen der "sozialen Hängematten"), Rückbau der Bürokratie und überhaupt jedweder Regularien.

Umwelt- und Arbeitnehmerschutz verhindern Leistungswillen und führen zur Faulheit. Unklar ist, inwieweit die Autoren dies wirklich glauben, oder es aus purem Opportunismus verbreiten.

Klar ist: Texte dieser Art kommen in vermögenden Kreisen gut an. Diese Form von neoliberalem Umbau wird von Organisationen wie dem Institute of Economic Affairs, der Taxpayer Alliance oder dem Adam Smith Institute üppig alimentiert. Deren Geldgeber halten sich wiederum gerne im Hintergrund und sehen Politikerinnen wie Truss vermutlich als eine Art Testballon.

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