Downing Street 10: Der Nächste, bitte!

Seite 4: Geht das "Quit Game" weiter?

Die Minister-Rücktritte der letzten Monate haben ein kaum denkbares Maß erreicht. Die Rücktritte der Premierminister Johnson und Truss wurden schließlich von zahlreichen anderen Rücktritten flankiert.

Hier scheint es wohl gewisse strukturelle Probleme zu geben. Sicherlich wirkt der Brexit nach. Er wäre an sich vielleicht zu bewältigen und wurde tatsächlich bereits in zahlreichen Teilgebieten umgesetzt, auch wenn noch viel Kreativität gefragt ist, wie beispielsweise in der Frage Nordirlands. Aber die entscheidende Schwierigkeit war weder für Johnson, noch für Truss zu bewältigen: Die hochfliegenden Erwartungen der Brexiteers.

Der weitgehend beschäftigungslose Nigel Farage (Ex-Tory, Ex-UKIP, EX-Brexit-Partei), inszeniert sich zwar gerne als erfolgreicher Unternehmer, faktisch aber hängt er vornehmlich in Radio- und Fernsehstudios herum und warnt davor, dass der Brexit "verraten" würde.

Farages Forderungen – und die zahlreicher anderer –, sind für keinen Premierminister der Welt zu erfüllen. Kurzversion: Die Briten sagen jetzt dem Rest der Welt, wo es lang geht. Die Brexiteers haben immer noch eine nicht unbedeutende Öffentlichkeit hinter sich.

Johnson konnte bei der Wahl gegen Jeremy Corbyn einen Pakt mit Farage schließen und endlich den Brexit "liefern", allerdings nur, indem er unangenehme Details großzügig unter den Tisch fallen ließ.

Diese Details kommen nun nach und nach zum Vorschein. Getrieben vom rechten Rand und den Brexitideologen kann es kaum Verhandlungslösungen mit der EU geben, weil ja stets "Härte" gezeigt werden muss, um jenen einsamen Herrn im Radiostudio zufriedenzustellen.

Liz Truss muss angenommen haben, mit ihrem harten, neoliberalen Kurs die Brexiteers zufriedenstellen zu können. Dabei missachtete sie, dass dem Land dafür im Moment schlicht die Mittel fehlen.

Dem nicht genug. Am Samstag marschierten Tausenden durch die Londoner Innenstadt um für den Wiedereintritt Großbritanniens in die EU zu demonstrieren. Ein "Italien-Effekt" könnte sich einstellen. Die EU war lange Zeit in Italien sehr beliebt, weil angenommen wurde, die Brüsseler Bürokratie sei (mutmaßlich) weniger verdorben als die eigenen politischen Eliten.

Die Frage, die sich nun viele in London stellen müssen: Was müsste Brüssel aufführen, um annähernd so chaotisch zu sein, wie die britische Politik? Eine mögliche Rückbesinnung auf die EU, die sich derweil erst zaghaft abzeichnet, wäre dann von den Tories hausgemacht.

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