Dreamcast bricht bisherige Verkaufsrekorde, doch die Zielflagge ist noch nicht in Sicht
Probleme mit der Internetanbindung, Lieferschwierigkeiten und Ankndigung der Playstation II bremsen Verkaufserfolg.
Mit der Einfhrung der Dreamcast-Konsole ist es SEGA nur teilweise gelungen, die europischen und amerikanischen Mrkte zurckzuerobern. "Rekordzahlen" und kolossale Umstze in den ersten Tagen sprechen vorerst fr den Erfolg der Konsole. Doch wird es dem japanischen Konzern wirklich gelingen, seine Rivalen zu bertreffen, angesichts der Konkurrenz, die SEGA momentan zu spren bekommt?
Nur kurze Zeit nach dem 14. Oktober, dem offiziellen Verkaufsbeginn des SEGA-Dreamcast in Europa, kamen schon die ersten euphorischen Meldungen aus dem Faxgert: Innerhalb der ersten fnf Tage mehr als 185.000 Dreamcast-Konsolen, 350.000 Software-Units und 280.000 Peripheriegerte in Europa verkauft. Das entspricht einem Einzelhandelsumsatz von 80 Mio. Euro. In der SEGA-Zentrale herrschte sprichwrtlich Partystimmung! Das Konzept einer technisch und grafisch (angeblich) berlegenen, 128 bit Internet-fhigen Konsole schien im ersten Augenblick aufgegangen zu sein. Ebenso das Vermarktungskonzept, die "Konsole in Konkurrenz zu anderen Freizeitangeboten zu positionieren, und nicht neben Nintendo 64 oder der Playstation". Rechnet man noch die Anzahl der in den USA verkauften Konsolen dazu - 514.000 in den ersten zwei Wochen - so wurden von den SEGA-Spielkonsolen mehr in einem krzeren Zeitraum verkauft als vor 4 Jahren, als der Hauptrivale Sony die Playstation auf den Markt brachte. 1995 erreichte Sony mit seinem damals neuen Konzept einer "Spielkonsole fr junge Erwachsene" erst nach vier Monaten die Halbe-Million-Marke. Inzwischen sind weltweit ber 21,6 Mio. Playstations ber die Ladentheken gegangen.
Fr SEGA kommen diese Nachrichten gerade rechtzeitig. Konnte die Konsole in den USA und Europa bisherige Verkaufszahlen toppen, so stie€ sie in Japan auf etwas gedmpftere Resonanz. Bis April dieses Jahres, vier Monate nach Einfhrung, waren gerade mal 900.000 Einheiten in Japan verkauft worden, 100.000 weniger als prognostiziert. Auch der Verkauf von Software konnte in Japan SEGAs Hoffnungen nicht erfllen, die Playstation zu "killen ". Bei 3 Mio. verkauften Titeln in den ersten vier Monaten lagen die Zahlen weit unter der Zielvorgabe von 5 Mio. Dementsprechend wurden im Juni dieses Jahres Umstrukturierungen angekndigt, um SEGAs Nettoverluste in Hhe von US$ 378 Mio. wiedergutzumachen (Quelle: Wired Magazine).
Schuld daran drfte wohl hauptschlich die Ankndigung der neuen Playstation II gewesen sein. Im Rahmen einer sehr unreprsentativen Mini-Umfrage fr Wired gaben junge Japaner mehrfach an, lieber auf die Dreamcast zu verzichten, und stattdessen auf die neue Sony-Konsole im nchsten Frhling zu warten. Knapp ein Jahr vor Markteinfhrung kann auch hierzulande die nchste Generation der Playstation-Konsolen mehr Aufmerksamkeit verzeichnen als SEGA vor einem Jahr. Ein Grund hierfr mag vermutlich die "zufllig" gleichzeitig zur SEGA-Markteinfhrung lancierte Meldung einer neuen SONY Playstation II sein. Selbst der recht hoch vermutete Startpreis von zwischen DM 700,- und DM 900,- vermag den potentiellen Kundenstamm nicht abzuschrecken. Insbesondere scheint die Umsetzung mit DVD-Technik, sowie deren "Rckwrts-Kompatibilitt" mit bisherigen Playstation-Spielen den Hauptreiz auszumachen.
Nicht nur Sony reagierten aggressiv auf den Einbruch einer neuen €ra. Seit April dieses Jahres machten auch Nintendo Wellen fr ihr Nachfolgesystem zur jetzigen N64-Konsole, die "Dolphin". Technisch auf dem allerhchsten Stand, munkelt man, dass die Konsole im nchsten August auf der Nintendo Spaceworld-Show zum ersten Mal der Presse vorgefhrt wird. Entwickelt wird die Konsole in Kooperation mit IBM und Matsushita (die Panasonic-Vaterfirma). Herzstck der Konsole wird der von IBM entwickelte 400 MHz Hauptprozessor auf Kupferbasis sein. Laut Pressemeldung soll diese Technologie leistungstechnisch und preislich allen Konkurrenten berlegen sein. Zwar nicht unbedingt als unmittelbare Gefahr anzusehen, aber wahrscheinlich mit Stirnrunzeln wurde die Nachricht empfangen, dass auch Bill Gates' Microsoft in den Konsolenmarkt einsteigen will.
Laut Heise-Newsticker von Ende September soll die Konsole aus Seattle "X-Box" hei€en. Ersten Gerchten zufolge knpft die Entwicklung der Konsole an den Ausbau der Microsoft Network-Gaming-Zone sowie des Spielebereichs an. Die Konsole soll mit einem 500 MHz Prozessor und Grafikchip von Nvidia ausgestattet sein. Allen Erwartungen nach wird die Konsole auch fr den Internetzugang optimiert sein. Der V÷-Termin ist noch dieses Jahr angesetzt - ungefhre Preislage: US$ 200 bis 300. Was aber SEGA die Pole Position noch kosten knnte, sind die eigenen kleineren Makel: In Japan verzgerten Lieferprobleme den Verkaufsbeginn, in den USA waren es Softwaremngel. In Australien - wie in Europa - darf inzwischen ein paar Wochen lnger gewartet werden, bis wieder gengende Konsolen fr den Markt hergestellt wurden. Auch in Deutschland beschweren sich Hndler weniger ber Nachfrage, als ber die langen Lieferzeiten. In einigen Fachlden kommt man kaum noch an Konsolen heran, und Zusatzhardware sollte man sich auch schleunigst anschaffen, bevor die nchste erst zu Weihnachten erwartete Lieferung eintrifft.
Besonders erbost sind die ersten Nutzer aber darber, dass die vermeintliche globale Spielwiese bislang ausgeblieben ist. Die Internetanbindung der Konsole, eigentlich das meist umworbene Feature, hat nicht nur bis jetzt extrem wenige Spielmglichkeiten mit anderen Spielern anbieten knnen, sondern auch fr Komplikationen bei der Einwahl gesorgt: Selbst der versierteste PC-Benutzer wurde technologisch in die Knie gezwungen. Beiden Problemen ist SEGA nachgegangen: Die ersten SONIC-Levels sollen Ende November zum Download in der kostenlosen "DreamArena" bereitstehen. Und die Nutzung des (bis auf Telefongebhren) kostenlosen VIAG Interkom-Dienstes macht nur noch bei komplizierten Telefonanlagen Probleme. Nach wie vor unbefriedigend jedoch ist der Zugang nach dem veralteten 33.6K Modem-Standard. Mit dem Einbau eines amerikanischen Dreamcast 56K Modem-Adapters gbe das Spielen - laut World of Games (Heidelberg) - dann doch einiges her.
Auf kurze Sicht drfte der Markteinstieg der Konsole dennoch gesichert sein. Bis Ende des Jahres sollen 40 vorwiegend schnellfeuernde Spiele auf dem Markt erscheinen - eine Tatsache, die fr das berleben einer solchen Hardware heutzutage essentiell ist. Als ernchternd drften sich Testberichte ber die eigentliche grafische Leistung erweisen. So schrieb die c't (22/99): "Der 128-Bit-Vorsprung zieht nicht zwangslufig eine Verdoppelung der Qualitt nach sich." Fr den versierten Es ist erstaunlich, wie wenige Spiele einem in punkto Grafik wirklich den Atem rauben. Zu allem berdruss lassen sich keine der hochqualitativen japanischen und amerikanischen Spiele auf den europischen Dreamcasts spielen. Und - nein Kinder - auch keine Raubkopien! Bislang ist auch jeder Hack- Versuch am internen Windows CE Betriebssystem gescheitert. Dennoch kann man vermuten, dass der Untergrund fieberhaft damit beschftigt ist.