Droht den USA ein Super-DMCA?
Auf Betreiben der Filmwirtschaft wurden in zahlreichen US-Bundesstaaten Gesetzesverschärfungen durchgesetzt, die wesentliche Folgen für Netznutzer und IT-Wirtschaft haben könnten
Tom Liston hat soeben angekündigt, den Vertrieb seiner LaBrea-Sicherheitssoftware mit sofortiger Wirkung einzustellen. Damit reagiert er auf eine seit Jahreswechsel gültige Verschärfung des Strafrechts seines US-Bundesstaats Illinois. Die betreffende Gesetzesänderung stellt das Einsetzen und Betreiben so genannter "ungesetzlicher Kommunikationsmittel" unter Strafe. LaBrea ist ein Linux-Programm, das sich zum Aufspüren und Behindern von Portscans eignet. Dazu simuliert die Software eine Reihe von nicht existierenden Maschinen innerhalb eines LANs, um Angreifer von außen an sie zu binden.
Die fragliche Gesetzesänderung stellt jedoch unter anderem das Unterbrechen und Verschleiern von Kommunikationen ohne Zustimmung des Service-Providers unter Strafe. Da LaBrea zur Simulation seiner nicht existierenden Maschinen unter anderem auf geschickte Verschleierungen der Netzwerkkommunikation durch das Generieren nicht existenter MAC-Adressen setzt, hält Liston es für wahrscheinlich, dass er damit zumindest in Illinois gegen geltendes Recht verstößt. Zwar bezweifle er, dass er jemals für den Vertrieb von LaBrea bestraft werde, so Liston. "Aber ich glaube, dass die Menschen und Firmen, die auf Grundlage des DMCA belangt werden, das gleiche gesagt hätten."
"Dramatische Erweiterung des DMCA"
Listons Rückzieher ist möglicherweise nur der Anfang einer ganzen Reihe von Kontroversen um eine Reihe von neuen Gesetzen, die in den USA derzeit in zahlreichen Bundesstaaten durchgesetzt werden.
So wurde das Strafrecht bereits in Colorado, Michigan und sieben anderen Bundesstaaten hinsichtlich ungesetzlicher Kommunikationsmittel erweitert. In mindestens sechs weiteren Bundesstaaten wird derzeit über eine solche Verschärfung beraten.
Auffällig dabei ist, dass die verschiedenen Bundesgesetze nicht nur einander teilweise bis aufs Wort gleichen. Frappierende Ähnlichkeiten weisen sie auch mit einer von der Motion Picture Alliance of America (MPAA verbreiteten Modellgesetzgebung auf. Offenbar hat der Lobbyverband der US-Filmstudios bereits seit zwei Jahren daran gearbeitet, entsprechende Gesetzesänderungen in möglichst vielen Bundesstaaten durchzusetzen.
Die Electronic Frontier Foundation (EFF) spricht aus diesem Anlass bereits von einem "Super-DMCA". In einer Anfang der Woche veröffentlichten Stellungnahme erklärte die Vereinigung, die Gesetzgebung sei so weit gefasst, dass sich mit ihr alle Geräte und Programme regulieren ließen, mit denen man auf Internet, Kabelfernsehen und Satellitenübertragungen zugreife. Nach Auffassung der EFF geraten US-Netznutzer damit allein schon durch die Nutzung einer Firewall oder eines Virtual Private Networks (VPN) in rechtliche Grauzonen.
"Diese Maßnahmen stellen eine dramatische Erweiterung des DMCA dar", erklärte dazu EFF-Anwalt Fred von Lohmann. "Kommunikationsdiensteanbieter können sie dazu nutzen, eine Reihe von Programmen zu verbannen, mit denen sich die Anonymität und Sicherheit von Internet-Nutzern schützen lässt."