Durch ein Wurmloch ans andere Ende der Galaxis

"Ghost radiation" als Mittel zur Stabilisierung des Raumzeittunnels

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Noch ist es die Utopie der Science-Fiction-Serie Star Trek, eine Raumstation nahe eines stabilen Wurmlochs zu errichten, um den Verkehr in einen anderen Quadranten des Universums zu kontrollieren. Wissenschaftler aus Korea und Japan sind aber überzeugt, dass es möglich ist, nach genauen Berechnungen Menschen durch derartige Raumzeittunnel zu transportieren.

Reise durchs Wurmloch, Bild: University of Delaware

Nach Stephan Hawkings Definition ist ein Wurmloch:

Eine dünne Röhre in der Raumzeit, die weit entfernte Regionen des Universums miteinander verbindet. Wurmlöcher könnten auch Verbindungen zu Parallel- oder Babyuniversen sein sowie die Möglichkeit zu Zeitreisen bieten.

Kein Wunder, dass Kosmologen und Physiker von der Idee begeistert sind und immer wieder neue theoretische Modelle zu ihrer Existenz und den sich ergebenden Nutzungsmöglichkeiten entwerfen. Im All sind bisher keine Wurmlöcher gefunden worden, aber das Modell beruht auf Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie und Reisen ans andere Ende des Universums sind denkbar (da der Raum gekrümmt wird, braucht es keine Überschreitung der Lichtgeschwindigkeit).

Die potenziellen Durchgänge in der vierten Raumdimension, dem Hyperraum, erhielten Ende der 80er Jahre Unterfütterung durch die Physiker Kip S. Thorne und Michel S. Morris. Sie waren die ersten, die eine plausible Theorie für durchquerbare Wurmlöcher vorlegten. Seither diskutieren viele Physiker ernsthaft diese Möglichkeit. Entscheidend für den Ansatz von Thorne und Morris ist die Existenz von negativer Energie, die wie eine abstoßende Gravitationskraft funktioniert und den galaktischen Tunnel davor bewahrt, bei der kleinsten Störung oder Interaktion sofort einzustürzen. Negative Energie ist heute keine Science-Fiction-Fantasie mehr, einige ihrer Effekte konnten experimentell nachgewiesen werden. Nach der Definition der Physiker Lawrence H. Ford und Thomas A. Roman handelt es sich um:

Gemäß der Quantenphysik ist das Vakuum erfüllt von virtuellen Teilchen, die entstehen und sofort wieder vergehen. Gelänge es, diese Quantenfluktuationen lokal zu unterdrücken, so entstünde ein Zustand, dessen Energie unterhalb der Null-Energie des Vakuums läge - negative Energie.

Exotische Materie ist also die Voraussetzung stabiler Wurmlöcher.

Vor zwei Jahren legte der russische Physiker Sergei Krasnikow einen theoretischen Ansatz für stabile Wurmlöcher vor, der aber die Wissenschaftswelt offensichtlich nicht restlos überzeugen konnte (vgl. Galaktische Reisen durch Wurmlöcher). Ob es der neuen Theorie aus dem Fernen Osten besser ergehen wird, bleibt abzuwarten. Sean Hayward von der Ewha Womans University in Korea und Hisa-aki Shinkai vom Riken Institute of Physical and Chemical Research in Japan stellen in ihrem bereits online veröffentlichten Artikel "Fate of the first traversible wormhole: black-hole collapse or inflationary expansion" eine neue Theorie stabiler Wurmlöcher vor.

Sie bauen auf das Modell von Morris und Thorne auf und betrachten "Geisterstrahlung" (Englisch: ghost radiation) als das Mittel zur Stabilisierung des Raumzeittunnels für eine bestimmte Zeit. Sie bauen auf die Idee auf, dass Wurmlöcher ähnlich funktionieren wie Schwarze Löcher unter dem Einfluss negativer Energie. Sean Hayward hat früher in diesem Jahr eine Arbeit veröffentlicht, die in diese Richtung weist (Black Holes and traversible wormholes a synthesis, PDF-Datei!

Die beiden Physiker untersuchen in ihrer Studie verschiedene numerische Simulationen, um die Dynamik von Wurmlöchern präzise zu berechnen. Sie gehen davon aus, dass die Zufuhr einer ausreichenden Menge der Geisterstrahlung verhindern könnte, dass ein Raumzeittunnel durch den Eintritt herkömmlicher Materie, z.B. in Form einer Person oder eines Raumschiffs, kollabiert und zu einem schwarzen Loch wird. Die Geisterstrahlung ist reine Strahlung aus negativer Energie und dadurch fähig, positive Energie zu verdrängen. Alles hängt von der richtigen Menge ab. Wichtig sei, die Geschwindigkeit des Reisenden oder des Schiffs und die nötige Zufuhr negativer Energie genau zu berechnen. Ist das Wurmloch durchquert, fällt es anschließend in jedem Fall in sich zusammen. Die Berechnung ist deswegen entscheidend, denn sonst bleiben die galaktischen Astronauten auf ewig im Schwarzen Loch stecken oder finden sich überraschend in einem anderen, neu entstandenen Universum wieder.