EU-Debatte: gelenkte Bürgerbeteiligung
Unions- und SPD-Politiker wollen bei der "Konferenz zur Zukunft Europas" keine Grundsatzfragen diskutieren. Dafür lassen sie deutlich Großmachtambitionen erkennen
Wohin entwickelt sich die Europäische Union? Das ist das Kernthema der "Konferenz zur Zukunft Europas", die erste auf europäischer Ebene, die gezielt Bürger der EU-Länder ansprechen und in die Diskussion einbinden soll. Am 9. Mai wurde sie eröffnet, mehr als 14.000 Personen beteiligten sich bislang daran; und in den nächsten zwölf Monaten sind etwa 660 Veranstaltungen in ihrem Rahmen geplant. Am Dienstag stellten Katja Leikert (CDU) und Michael Roth (SPD) die Konferenz für das Publikum in der Bundesrepublik vor. Roth ist Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt und Leikert Europasprecherin der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag. In ihren online übertragenen Statements zeigten sie sich begeistert von der Konferenz, machten aber auch deutlich: Grundsatzfragen sollen nicht diskutiert werden.
Beteiligung nur, wenn die Richtung stimmt
Ein wenig erinnert die Konferenz an die Idee der Bürgerräte, die zurzeit in der Bundesrepublik propagiert wird: Bürger diskutieren, machen Vorschläge und suchen nach Lösungen, die Politikern noch nicht in den Sinn kamen. Inwieweit der Bürgerwille von den politischen Gremien berücksichtigt wird, liegt im Ermessen letzterer - aber die Diskussion verleiht den Entscheidungen zumindest den Schein von Legitimität, den sie auch brauchen, wenn die Richtung, in die es gehen soll, schon vorher feststeht.
Roth stimmte das Publikum ein und gab sich gegenüber Skeptikern konziliant: Es solle über alles diskutiert werden, was die Menschen in Europa bewegt. Ist Europa gut durch die Pandemie gekommen und was kann besser gemacht werden? Was heißt es für die europäischen Werte, für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, wenn auch in Europa das Autoritäre, das Nationale und das Populistische an Zuspruch gewinnt? Wie soll Europa mit den Krisen, Kriegen und Konflikten umgehen, mit "den furchtbaren Ereignissen in Belarus" zum Beispiel?
Leikert wurde deutlicher: Die europäischen Staaten sind für sich zu klein, um die großen Fragen in der Weltpolitik allein beantworten zu können. Mit Verweis auf den französischen Präsidenten Emmanuel Macron sagte sie, es gebe eine höhere Form der Souveränität durch die Abgabe der eigenen. Darüber werde im Kern bei der Konferenz gesprochen. Man müsse über eine europäische Armee sprechen, über einen europäischen Sicherheitsrat. Es gehe darum, auch bei diesen - teils längst überfälligen - Fragen substanziell voranzukommen.
Warnung vor "Populisten und Nationalisten von rechts und links"
Aus dem Publikum wurde die Frage gestellt: "Wenn die Staaten noch mehr von ihrer Souveränität auf die europäische Ebene verlagern sollen, wie kann dann die Mitbestimmung der Bürger erhalten bleiben?" Leikerts Antwort: Sie rate davon ab, "Globaldiskussionen" zu führen - also Grundsatzfragen zu diskutieren. Am Ende der Konferenz müssten substanzielle Ergebnisse und konkrete Beschlüsse stehen. Es gehe darum, dass wir am Ende "unsere europäischen Werte" in der Welt einbringen können.
Roth betonte in diesem Zusammenhang noch einmal, dass die Nationalstaaten bei vielen Themen der Weltpolitik schon keine Handlungsmacht mehr hätten - sie aber über die Europäische Union wiedererlangen könnten. Er hegt die Hoffnung, dass die Konferenz die Diskussion "versachlicht" und ihr die Härte nimmt. Die Richtung steht für ihn aber auch schon fest: mehr Europa! Und die Gefahr, die es abzuwehren gelte, komme von Populisten und Nationalisten von rechts und links, welche die Europäische Union zerstören statt verbessern wollten, behauptete er.
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