EU schmiedet Anti-Terror-Bündnis mit Arabischer Liga
Außenminister wollen Anschläge gemeinsam mit repressiven Regimes aus der arabischen Welt abwehren - kein Wort zur Meinungsfreiheit; keine Entspannung in der Russland-Ukraine-Krise
Europa sei von einem gefährlichen "Feuerring" umgeben, schrieb der britische Economist in einer Geschichte über die EU-Außenpolitik. Von Libyen im Süden über den Nahen Osten bis hin in die Ukraine reicht der neue Krisenbogen. Seit dem Attentat auf "Charlie Hebdo" in Paris kommt noch die Terrorgefahr im Innern hinzu, die offenbar mit den Konflikten in Syrien, im Irak und im Jemen zusammenhängt. Bei ihrem ersten Treffen in diesem Jahr wollten die EU-Außenminister all diese Probleme angehen.
Man ahnt es schon: Sie sind an dieser Aufgabe gescheitert. Zwar waren die EU-Diplomaten mit vielen guten Vorsätzen nach Brüssel gereist. Auf den neuen Terror werde man nicht mit Schnellschüssen antworten, sondern kühlen Kopf bewahren und mit den muslimischen Ländern kooperieren, gab der britische Außenminister Philip Hammond die Linie vor. Man wolle neue Gesprächskanäle mit Russland suchen, ließ die EU-Außenvertreterin Federica Mogherini wissen.
Spitzentreffen Ukraine, Russland, Frankreich und Deutschland unsicher
Doch dann kam - nichts. Die geplante Öffnung gen Moskau erwies sich als Rohrkrepierer. Großbritannien, Polen, Litauen, Schweden und Dänemark blockierten Mogherinis Entspannungssignal. In einem Non-Paper hatte die Italienerin die schrittweise Rücknahme der Sanktionen vorgeschlagen. Nur die Strafen wegen der Krim sollten bleiben, ansonsten wollte Mogherini zum diplomatischen Tagesgeschäft zurückkehren. Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier denkt in diese Richtung.
Doch nach dem Treffen im mittlerweile militärisch abgeriegelten Brüssel - Soldaten mit Sturmgewehr patrouillieren im Europaviertel - mussten beide zurückrudern. "Wir hatten eine lange und nützliche Debatte", sagte Mogherini - was in Diplomatensprache heftigen Streit bedeutet. "Wir haben nicht die Absicht, den Kurs zu ändern", fügte sie hinzu - ein klares Zeichen, dass ihr Vorstoß gescheitert ist. Auch Steinmeier verbreitete kaum Hoffnung. Sein Plan, Ukrainer, Russen und Separatisten zusammenzubringen, kommt nicht voran.
"Ich kann nur sagen, es ist und bleibt ein mühsames Geschäft", so Steinmeier nach dem Brüsseler Treffen. Aktuell sei nicht einmal klar, ob es in dieser Woche ein neues Außenministertreffen geben könne und erst recht nicht, ob der von vielen erhoffte Gipfel in Astana stattfinden könne. Das Spitzentreffen mit Kanzlerin Angela Merkel und den Präsidenten aus der Ukraine, Russland und Frankreich hatte eigentlich bereits in der vergangenen Woche stattfinden sollen. Wegen der jüngsten Eskalation kam es aber nicht zustande.
Engere Geheimdienstzusammenarbeit mit Saudi-Arabien und Ägypten
Im Osten nichts Neues also. Im Süden hingegen, so zumindest die Krisenkommunikation der Außenminister, soll sich manches ändern. Statt nun einen "Krieg der Kulturen" auszurufen und den Terror gegen Christen und Ungläubige mit einer Jagd auf Muslime zu beantworten, wollen die EU-Diplomaten auf die arabische Welt zugehen. Mogherini sprach sogar von einer neuen Kultur-Allianz und davon, dass sich Europa mit der arabischen Sprache und Mentalität befassen müsse.
Wir müssen mehr miteinander reden und besser zuhören.
Doch was heißt das in der Praxis? Erst einmal engere Geheimdienstzusammenarbeit - und zwar auch mit repressiven Ländern wie Saudi-Arabien oder Ägypten. Die EU hatte eigens den Generalsekretär der Arabischen Liga nach Brüssel eingeladen, und der sagte auch prompt eine engere Kooperation zu. Dafür wollen die Europäer neue "Sicherheits-Attachés" schaffen, die dann mit den Militärregimes und Folterknechten in Nordafrika und im Nahen Osten Geheimdienst-Infos austauschen können.
Zudem strebt die EU laut Mogherini eine engere politische Zusammenarbeit mit Ländern wie der Türkei und Jemen an - dabei stehen diese im Verdacht, die neuen Terrorgruppen zu dulden oder gar zu unterstützen. Erst am Wochenende hatte der "Spiegel" gemeldet, dass die Türkei Waffen an Al Kaida geliefert habe. Und in den französischen Medien war zu lesen, dass sich die mutmaßliche Komplizin des getöteten Attentäters Amedy Coulibaly über die Türkei nach Syrien abgesetzt haben soll.
Man habe keine Informationen aus Paris bekommen, erklärte die türkische Regierung diese "Panne". Doch den EU-Außenminister war dies keine Nachfrage oder Rüge wert, jedenfalls nicht öffentlich. Sie haben es offenbar nicht eilig, die Ein- und Ausreise hunderter "ausländischer Kämpfer" über die Türkei nach Syrien zu unterbinden. Dabei geht davon nach Einschätzung des EU-Terrorbeauftragten Gilles De Kerchove derzeit die Hauptgefahr aus.
Europaparlament unter Druck
Merkwürdig mutet auch an, dass die Minister mit keinem Wort auf die Meinungs- und Pressefreiheit eingingen - dabei war der Anschlag auf "Charlie Hebdo" doch noch am 11. Januar, bei der Massendemonstration in Paris, weltweit als Anschlag auf eben diese gewertet worden. Wenigstens hätte man die neuen Partner der Arabischen Liga zur Einhaltung von Mindeststandards auffordern und zum Beispiel das Auspeitschen von Bloggern oder das Zensieren oppositioneller Zeitungen verurteilen können.
Doch das stand nicht auf der Tagesordnung - genauso wenig wie die Aufarbeitung eigener europäischer Fehler und Versäumnisse in Irak und in Syrien. Von einer kritischen Aufarbeitung des Irakkriegs und der Beteiligung der "neuen Europäer" war beim Außenminister-Treffen ebenso wenig zu hören wie von den Irrungen und Wirrungen der westlichen Syrien-Politik. Auch der "Islamische Staat" nahm keine prominente Rolle ein. Dabei ist der neue Terror ohne das sicherheitspolitische schwarze Loch, in das der IS gestoßen ist, kaum zu verstehen.
Ganz oben auf der EU-Agenda steht hingegen, das Europaparlament unter Druck zu setzen. Die EU-Abgeordneten sollen endlich ihren Widerstand gegen ein europäisches System zur Erfassung und Überwachung von Fluggastdaten aufgeben, forderte Mogherini. Doch sie sagte es nett, in diplomatischen Worten. Für die Schmutzarbeit sind die EU-Innenminister zuständig, die sich demnächst in Riga treffen, um ihrerseits über den "Kampf gegen den Terror" zu beraten. Ergebnisse werden erst Mitte Februar erwartet - beim nächsten EU-Gipfel in Brüssel.