Ehen mit Minderjährigen: Andere Länder, andere Sitten
Seite 4: Schwangerschaft Todesursache Nr. 1
Laut Michell fordert TdF die verbindliche Festlegung des Heiratsalters auf 18 Jahre - international, ohne Wenn und Aber.
Weltweit werden täglich 41.000 Mädchen vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet, Tendenz steigend. Auch in den Flüchtlingsunterkünften in Jordanien, im Libanon und in der Türkei steigt die Zahl der Frühverheiratungen dramatisch an: Während vor dem Krieg in Syrien bei 13% aller Hochzeiten mindestens ein Ehegatte minderjährig war, sind es nach Angaben der SOS-Kinderdörfer aktuell über 50%.
Jeden Tag werden weltweit 39.000 Mädchen vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet, obwohl die UN-Kinderrechtskonvention als gesetzliches Mindestheiratsalter 18 Jahre empfiehlt. In vielen Fällen, so die TdF-Expertin, käme es zu Schwangerschaften.
Mädchen, die jünger als 15 Jahre sind, sterben fünf Mal häufiger bei der Geburt ihrer Kinder als Frauen in den Zwanzigern. Schwangerschaft ist für 15-19-jährige Frauen weltweit Todesursache Nummer eins.
Besonders drastisch scheint die Situation in Afghanistan zu sein, jenem Land, gegen das ein NATO-Krieg geführt wurde, u.a. um die Situation der Frauen und Mädchen zu verbessern:
In Afghanistan gehören Frauen und Mädchen nicht sich selbst, sondern den Vätern, Ehemännern, Brüdern und erwachsenen Söhnen. Ein Mädchen wird spätestens mit 12 Jahren zur Ware. Dann kann sie der Vater gegen ein Grundstück, gegen 6000 Dollar oder eine Ziege verkaufen. Meist an einen älteren Mann, der sich die Zweit- oder Drittfrau leisten kann. Dann gehört sie ihm und seiner Familie. Wie eine Sklavin. Er darf sie schlagen, vergewaltigen, ihr ärztliche Hilfe verweigern. ...
Dazu sterben in keinem Land der Welt so viele Frauen bei der Geburt eines Kindes. Auch geschuldet der dramatisch schlechten hygienischen Situation im hintersten Stall der Häuser und Hütten sowie der fehlenden ärztlichen Hilfe, die nur von einer Frau kommen darf. Und seit dem Regime der Taliban gibt es unter anderem auch kaum noch Ärztinnen - Frauen hatten Berufsverbot.
Das medial geprägte Image der syrischen Frau
Dass ausgerechnet syrische Mädchen sehr begehrt scheinen, verwundert nicht anlässlich einer Publikation der Heinrich Böll-Stiftung:
Die syrische Frau gilt in der arabischen Welt als hellhäutig und schön, als willens, ihren Ehemann glücklich zu machen, ihm nie zu widersprechen und Tag und Nacht zu arbeiten, um seinen Wünschen nachzukommen. Eines der bedeutendsten Mittel, die dazu beigetragen haben, dieses Image zu fördern, sind die TV-Serien, die während des Monats Ramadan gezeigt und in der arabischen Welt viel geschaut werden.
(…)
Die historische syrische Fernsehserie 'Bab Al Hara' zum Beispiel präsentiert uns genau dieses Image. Dieses stereotypische Bild der syrischen Frau trägt dazu bei, junge Männer dazu zu motivieren, sich ein syrisches Mädchen zu angeln und damit die bekannte Redewendung zu erfüllen: 'Atgawaz Shaamieh bitaaish Ishaa Haniyeh' ('Nimm dir eine Ehefrau aus der Levante und du wirst ein gutes Leben haben').
Es ist ein internationaler Heiratsmarkt für syrische Frauen entstanden. So zitiert die Presse am Sonntag Claire Healy vom Wiener Forschungsinstitut Internationales Zentrum für die Entwicklung von Migrationspolitik (ICMPD): "Es gibt Agenturen, die vor allem sehr junge Frauen aus Syrien für ältere Männer aus Jordanien, dem Libanon, aus den Golfstaaten und sogar aus Europa suchen."
Die Wissenschaftlerin untersucht laut der Publikation "die Auswirkungen des Syrien-Krieges auf den Menschenhandel". Manche Mädchen seien noch "wirklich Kinder und kaum älter als zwölf, die Männer viel, viel älter". Da das legale Heiratsalter in den jeweiligen Ländern variiere, sei die Grenze zwischen Legalität und Illegalität verwaschen.