Ehen mit Minderjährigen: Andere Länder, andere Sitten
Seite 5: Verständnis statt konsequente Haltung
Über das Ausmaß dieser Frühehen, die seit Sommer 2015 in den Flüchtlingsunterkünften registriert wurden, gibt es keine verlässlichen Zahlen. Im Regierungsbezirk Arnsberg, einem von fünf Regierungsbezirken in NRW, wurden 188 solcher Frühehen registriert, in Baden-Württemberg 177, in Bayern bis April 2016 550 Ehen, in denen ein Teil, die Ehefrau, bei der Eheschließung unter 18 Jahren alt war. Davon 161 Fälle, in denen die Braut jünger als 16 Jahre alt war.
Da verwundert es nicht, dass das Thema und auch das Bamberger Urteil in der FlüchtlingshelferInnen-Szene diskutiert wird. Von Ehepaaren mit Kindern, die Ehefrau gerade mal 13 oder 14 Jahre alt, ist die Rede.
Der Tenor geht indes in Richtung "Verständnis", "Empathie" "behutsamer Umgang", also Akzeptanz dieser Frühehen - und damit die Einführung des Scharia-Rechts in die bundesdeutsche Rechtsprechung. Als Argument wird angeführt, dass die Anerkennung dieser Frühehen z.B. die Chance böte, dass allein reisende Ehemänner im Rahmen der Zuzugsregelung ihre Familien nachholen könnten. Andernfalls blieben ausgerechnet die Schwächsten, nämlich minderjährige Mädchen, womöglich noch mit Kind, auf der Strecke.
Die Sorge um die Mädchen auf der Flucht ehrt die UnterstützerInnen. Allerdings wäre es sinnvoller, für die Anerkennung geschlechtsspezifischer Asylgründe und sichere Fluchtwege und -möglichkeiten einzutreten, für ein Sonderprogramm der UN für Minderjährige und Kinder auf der Flucht, statt für die Einführung frühmittelalterlicher Gesetze und die Aushebelung sozialer Errungenschaften.
Dann nämlich hätten die Mädchen - auch die jungen Mütter - ein Anrecht auf eigenständiges Asyl, auf besondere Betreuung aufgrund des Jugendschutzes und könnten sich von den Strapazen erholen; nicht nur der Flucht, sondern ihres Lebens.