Ein Besuch im "Café am Rande der Welt"

Seite 5: Alternativen

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Ich will aber nicht abschließen, ohne mein Versprechen vom Anfang einzulösen, ein paar Alternativen zu nennen, die sich insbesondere auch für die besinnliche Zeit zum Jahresende eigenen: Ein zeitloser Klassiker ist und bleibt natürlich Antoine de Saint-Exupérys "Kleiner Prinz", eine literarische Abhandlung über Freundschaft und die philosophische Denkweise.

Tragischerweise hat sein Autor vom Erfolg seines 1943 erstmals erschienenen Weltbestsellers wenig gehabt, denn er verschwand 1944 spurlos bei einem Aufklärungsflug im Zweiten Weltkrieg. Mein Tipp für ein erfolgreiches Leben: Man hätte nur de Saint-Exupérys Erbe sein müssen, denn dann hätte man - Urheber- und Erbrecht sei dank - sein ganzes Leben lang keine müde Mark mehr verdienen müssen. Vielleicht klappt es, wenn man nur fest genug daran glaubt, Herr Strelecky? Im französischen Original übrigens ist das Buch inzwischen gemeinfrei.

Eine neuere, aber doch ähnlich bezaubernde Erzählung ist Sergio Bambarens "Träumender Delphin", in dem auch wunderschön thematisiert wird, wie unser Umfeld darauf reagiert, wenn wir uns auf die Suche nach uns selbst machen. Für Menschen, die mit dem Gedanken spielen, eine Familie zu gründen, ist auch das Folgebuch zu empfehlen.

Wem Erzählungen nicht so zusagen, für den ist vielleicht Bronnie Wares Buch über die Dinge, die Sterbende am meisten bereuen, ein guter Tipp. Die australische Pflegerin und Sterbebegleiterin wurde damit weltberühmt. Zu ihrer Top 5 ergänzte mir eine Münchner Karrierefrau, die mir das Buch einmal schenkte, noch einen sechsten Ratschlag: wichtige Dinge nicht aufschieben! (Für Ungeduldige gibt es hier hier eine kurze Zusammenfassung auf Englisch.)

Schicksalsschläge

Während ich dies schrieb, berichtete mir eine Bekannte von ihrem 39-jährigen Chef, der gerade eine Krebsdiagnose bekommen habe. Psychisch mache ihm sein junges Alter besonders zu schaffen. Ich behaupte aber, dass so eine Nachricht einen 19-, 39-, oder 59-Jährigen gleich schwer treffen kann. "Warum ich?", hilft einem hier nicht weiter.

Mit Bronnie Ware gesprochen machen Menschen sich dann oft den Vorwurf, warum sie ihr Leben nicht mehr im Einklang mit ihren Wünschen gelebt haben: Warum habe ich den Erwartungen Anderer so gehorcht? Warum so viel gearbeitet? Meinen Gefühlen so wenig Raum gegeben? Meine Freundschaften so vernachlässigt? Warum mir nicht mehr Glück gegönnt?

Im Interview mit dem Organspende-Botschafter Godfried Beumers ging es auch darum, sich ab und an die Frage zu stellen, welche großen Ziele man noch im Leben hat und wie man diese verwirklichen kann (Organspende und der Sinn des Lebens). Niemand von uns weiß, wie viel Zeit ihm noch bleibt. Wirklich sicher können wir uns nur des gegenwärtigen Moments sein. Solche Einsichten waren schon den antiken Philosophen der Stoa bekannt, allen voran der Sklavenphilosoph Epiktet (Deutsche wollen weniger Stress - doch wie?).

Psychologie für den Alltag

Ganz am Ende möchte ich noch einen Autor aus meinem Fach erwähnen, den belgischen Professor für Klinische Psychologie Paul Verhaeghe. In Deutschland wie auch in den Niederlanden herrscht ja eine universitäre Monokultur in dem Sinne, dass alle Lehrstühle an öffentlichen Universitäten von Vertretern der kognitiven Verhaltenstherapie besetzt sind.

Verhaeghe macht vor, wie fruchtbar und sinnvoll man psychoanalytisches, soziologisches, philosophisches und literarisches Wissen auf die Probleme unserer Zeit anwenden kann. Sein Bestseller über Liebe in Zeiten der Einsamkeit ist bereits übersetzt. Das neuere Buch über Intimität folgt hoffentlich bald. Ich lese es gerade im Original.

Vielleicht ist aber auch der Besuch im Telepolis-Forum einen Versuch wert. Wenn man sich dort nicht permanent Beleidigungen an den Kopf wirft oder haltlos über Ausländer, Gutmenschen et cetera schimpft, dann können dort durchaus sinnvolle Gespräche über den Sinn des Lebens (Streleckys Fans dürfen auch gerne "ZDE" sagen) entstehen. Mir ist insbesondere der Gedankenaustausch mit einem Bienenzüchter in guter Erinnerung geblieben. In diesem Sinne: Allen ein besinnliches Jahresende und bis zum nächsten Mal!

Dieser Artikel erscheint ebenfalls im Blog "Menschen-Bilder" des Autors.