Ein Herz für Al-Qaida

Washington fordert Iran zur Kooperation in der "Allianz gegen den Terror" auf; Teheran soll geflüchtete Al-Qaida-Mitglieder vor den US-Militärs verstecken

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Nach ausbleibenden Erfolg bei der Suche nach hochrangigen Mitgliedern des Al-Qaida-Netzwerkes hat Washington nun die iranische Regierung beschuldigt, flüchtige Terroristen zu beherbergen. Damit wird der zunehmende Druck deutlich, der auf der US-Regierung wegen ausbleibender Fahndungserfolge lastet. US-Regierung US-Präsident George W. Bush forderte die Regierung in Teheran daher am Donnerstag während einer Pressekonferenz in Washington schroff auf, sich der Allianz gegen den Terror anzuschließen. Wenn sich die Berichte als bewahrheiteten, sagte Bush, werde man sich mit dem Iran beschäftigen, "zunächst auf diplomatischem Weg".

Solche Drohgebärden trafen im Iran auf entsprechende Reaktionen. Der Vizepräsident Mohammad Ali Abtahi wies die Anschuldigungen prompt zurück. "der Iran", hielt er entgegen, "hat mit den Taliban nie gut gestanden." Und schließlich seien die Grenzen zu dem Land unmittelbar nach den Terroranschlägen vom 11. September geschlossen worden.

Die Beziehungen zwischen der iranischen Regierung und den Taliban war tatsächlich von dem vielbeschworenen Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten bestimmt. Aufgrund ihrer von den Saudis übernommenen Wahhabit-Richtung des Islam wurden die Taliban nicht nur von der iranischen Regierung misstrauisch beäugt. Auch hatten die orthodoxen Taliban-Sunniten die afghanischen Schiiten in den vergangenen Jahren verfolgt und Teheran in diesem Konflikt als ihren Hauptfeind bezeichnet. Iran konterte mit der Charakterisierung, die Taliban seien "eine kriegslüsterne, extremistische und radikale" Gruppe.

Diese Konflikte können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die neue afghanische Regierung wegen ihrer Nähe zum Westen und besonders zu den USA jetzt als größerer Feind angesehen wird als die entmachteten Taliban. Warum auch sollte das Motto "Der Feind meines Feindes ist mein Freund" nur auf die Politik Washingtons beschränkt bleiben?

Misstrauen gegen USA als gemeinsamer Nenner

Mit größter Aufmerksamkeit verfolgt die iranische Regierung unter Khatami in diesen Wochen die Errichtung US-amerikanischer Militärstützpunkte in Zentralasien. Die Konsolidierung der amerikanischen Präsenz in der Region und die Errichtung neuer Stützpunkte in Kirgisien wird von der Regierung als Bedrohung empfunden. Dort wurde zuletzt eine Transportbasis errichtet, von der aus 3000 Soldaten in kürzester Zeit zu Einsätzen gebracht werden können. Ähnliche Pläne gibt es, wenn nicht schon realisiert, für Pakistan und Usbekistan. Mit der massiven Truppenpräsenz in Afghanistan droht der Iran nun von den USA eingekreist zu werden.

Als Zeichen des Misstrauens auch von Seiten Washingtons ist ein Zwischenfall am 19 Dezember zu werten, als im Persischen Golf ein iranischer Tanker von US-Militärs angegriffen und geentert wurde. Die Besatzung hatte sich einer freiwilligen Durchsuchung verweigert. Der Schweizer Botschafter in Teheran, Tim Guldimann, rechtfertigte das Vorgehen mit dem Verdacht, das Schiff hätte illegal irakisches Erdöl transportiert. Tatsächlich ist Erdöl derzeit nicht das primäre Ziel der Suchaktionen des US-Militärs in der Region. Solange diese Suche weitergeht, werden die USA allem Anschein nach auf politische Befindlichkeiten in der Region wenig Rücksicht nehmen. An den Reaktionen der Regierungen wird sich messen lassen, wie stabil Bushs Allianz wirklich ist.

Nach Berichten der Schottischen Tageszeitung "The Herald" sind mindestens 2000 Talibankämpfer nach Pakistan geflüchtet, nur wenige hundert von ihnen seien trotz großer Truppenkonzentration an der Grenze festgenommen worden. Zudem sind zwei Drittel der Talibankommandeure flüchtig. Weil zahlreiche Taliban aus Ländern des Mittleren Ostens nach Afghanistan gekommen waren und bei den Taliban mit der Zeit in den Kommandostrukturen aufstiegen, vermutet Washington sie nun in ihren Herkunftsländern. Iran könnte also zumindest als Transitland dienen. Stellt man die offensichtlichen Bedenken der dortigen Regierung gegen die USA in Rechnung, ist es nicht unwahrscheinlich, dass der iranische Sicherheitsapparat ein Auge zudrückt.

Wie weit gehen die USA?

Ein Zeichen für den zunehmenden Erfolgsdruck sind auch die Spannungen zwischen dem Pentagon und der CIA, die für die Suche nach Al-Qaida-Mitgliedern in Afghanistan verantwortlich ist. Auch wenn diese Differenzen natürlich nicht in der Öffentlichkeit ausgetragen werden, lässt eine Pressekonferenz des US-Militärs John Stufflebeem am 7. Januar Rückschlüsse zu: "Wir werden aufhören, irgendwelchen Schatten hinterher zu jagen, von denen wir vermuten, dass sich Usama bin Ladin dahinter verbirgt", kündigte der Militär an. Statt dessen sollten künftig "übergeordnete, landesweite Aktionen" stattfinden, um sich nicht im Detail zu verlieren. Dieses Vorgehen ist unüblich, denn die Ausarbeitung der Fahndungsstrategien obliegt in erster Linie dem Geheimdienst. Eine Änderung würde von ihm verkündet werden.

Die jüngsten Äußerungen von Bush lassen vermuten, dass der Druck, unter dem die USA stehen, verstärkt zu Aktionen in den Afghanistan umgebenden Staaten führt. Die sensible politische Situation in der Region wird sich dadurch nicht gerade entspannen.