Ein Rahmenkonzept zur Bekämpfung der Rockerkriminalität

Seite 3: Die Rolle der Medien

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Ein zweiter wichtiger Aspekt im Rahmenkonzept ist die Rolle der Medien bzw. das Konzept der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Sie hat eine: "zentrale Bedeutung." (S. 8) Ihr ist sogar ein ganzes Kapitel gewidmet (Kapitel VI, S. 55 - 58), denn: "Die Medien beeinflussen ganz überwiegend die Wahrnehmung der Öffentlichkeit und damit auch die Akzeptanz und Wirksamkeit polizeilicher Maßnahmen." (S. 55). Ziel der Öffentlichkeitsarbeit ist außerdem, die "Kooperationsbereitschaft der Bevölkerung" zu erhöhen (S. 55) und - erstaunlicherweise - die "[u]mfassende Information und Sensibilisierung aller Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten" (S. 55). Informiert die Polizei ihre Mitarbeiter über öffentliche Medien?

Bild: Roy Lister. Lizenz: CC-BY-2.0

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ist genannt als Teil der polizeilichen Taktik und bildet den Abschluss unter den taktischen Leitlinien: "Eine einsatzbegleitende und anlassunabhängige Presse- und Öffentlichkeitsarbeit macht das konsequente Vorgehen der Polizei deutlich, entmythologisiert die OMCG (Outlaw MotorCycle Groups) und berücksichtigt dabei ausgewogen die subjektive Sicherheitslage." (S. 14)

Auffällig ist gerade im Zusammenhang mit taktischen Leitlinien zweierlei: Erstens soll die Öffentlichkeitsarbeit anlassunabhängig sein. Das heißt: Man braucht keinen Anlass, um über Rockergruppen zu informieren. Kein Verbrechen, kein Vergehen, nichts. Zweitens soll die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit die subjektive Sicherheitslage der Bevölkerung berücksichtigen: also Empfindungen, nicht Fakten. Nun ist natürlich wünschenswert, dass die subjektive Befindlichkeit der Bevölkerung berücksichtigt wird. Es ist sogar lobenswert.

Es fällt jedoch auf, dass polizeiliche Presseinformationen, etwa über Razzien, in der Tat häufig ungenau und subjektiv sind: Es wird oft von "Drogenfunden" berichtet, aber vielleicht sind es bloß 20 Gramm Marihuana? "Verurteilungen" können sich auf Verbrechen beziehen - aber ebenso gut auch auf Verkehrsvergehen. "Messer" können auch Küchenmesser sein.

Eine angemessene Angst vor Kriminalität übt eine Schutzfunktion aus. Aber wenn solch eine Angst nicht angemessen ist, mindert sie die Lebensqualität der Verängstigten. Nun berichten sogar Polizisten, dass die Pressestellen der Polizei jene Meldungen und Informationen, welche die Bevölkerung ängstigen könnten, häufig nicht veröffentlichten. Warum ist dies in Bezug auf Rocker so offensichtlich anders?

Das Rahmenkonzept weckt den Eindruck, dass Vereinsverbote angestrebt werden, weil man den Hells Angels nicht nachweisen kann, dass es sich bei ihnen um eine kriminelle Vereinigung handelt. Wenn daher Vereinsverbote zweite Wahl gegenüber strafrechtlichen Verurteilungen sind, und wenn an Vereinsverboten Folgendes von Vorteil ist: "Das Verbot qualifiziert den Rockerclub öffentlich als kriminell." (S. 63): Dann stellt sich die Frage, ob hier nicht mithilfe der Medien das subjektive Sicherheitsempfinden der Bevölkerung manipuliert und instrumentalisiert werden soll.