Ein Schwarzes Loch im Labor
Wissenschaftler in Großbritannien wollen das erste künstliche Schwarze Loch für Licht- oder Tonwellen schaffen
Erst kürzlich hatte das Weltraumteleskop Hubble spektakuläre Bilder gemacht. Erstmals konnte es vermutlich einen direkten Beweis für die Existenz eines Schwarzen Lochs liefern, indem es zeigte, wie Materie hinter dem "Ereignishorizont" verschwindet. Sehen ließen sich ultraviolette Lichtwellen von heißen Gasschwaden, die sich auflösten, während sie um ein riesiges kompaktes Objekt namens Cygnus XR-1 im Sternbild Schwan (Kreuz des Nordens) wirbelten. Just ein derartiges Schwarzes Loch, das Materie ansaugt und schließlich verschwinden lässt, wollen Wissenschaftler der britischen St. Andrews University als erstes erzeugen. Das Schwarze Loch würde, wenn es denn herstellbar wäre, allerdings nur eine Art Simulation sein - und überdies äußerst verkleinert auf die Größe eines Wassertropfens.
Noch ist unsicher, ob Hubble tatsächlich im Jahr 1992 das Verschwinden von Materie in einem Schwarzen Loch beobachtet hatte, denn "sehen" ließen sich nur zwei Vorfälle, die jeweils 0,2 Sekunden dauerten. Dabei könnte es sich auch um zufällige Ereignisse handeln, die nur das Verhalten von Materien an einem Schwarzen Loch imitieren. Ausgewertet wurden Messungen von Hubbles Photometer, der Licht durch 100000 Messungen pro Sekunde erfasst. Direkt sehen lassen sich Schwarze Löcher nicht, sondern man kann auf ihre Existenz nur schließen, wenn man beobachtet, wie Gas oder Staub mit nahezu Lichtgeschwindigkeit auf ein Schwarzes Loch zustürzen. Die Reibung der derart beschleunigten Materie im Wirbel erhitzt das Gemisch, das Licht und auch Röntgenstrahlen abgibt. Weil die Strahlung noch vor dem Übergang in den Ereignishorizont emittiert wird, kann sie sich verbreiten und gesehen werden.
Schwarze Löcher, von Karl Schwarzschild aufgrund der Allgemeinen Relativitätstheorie schon 1916 vorausgesagt, entstehen, wenn die Masse eines zusammenbrechenden Sterns so komprimiert wird, dass die daraus folgende Raumzeitkrümmung die Gravitation so stark werden lässt, dass sich ihr nichts mehr, was dem Ereignishorizont nahe kommt, entziehen kann - es sei denn es ist schneller als die Lichtgeschwindigkeit, was aber unmöglich ist. Die Massekomprimierung ist dabei unvorstellbar groß. Wenn die Sonne beispielsweise zu einem Schwarzen Loch werden würde, dann müsste ihr Radius, der jetzt etwa 700000 Kilometer beträgt, auf gerade drei Kilometer schrumpfen. Die Erde müsste zu einer winzigen Kugel von einem Zentimeter zusammen gepresst werden.
Cygnus XR-1 ist 6000 Lichtjahre von der Erde entfernt. Wenn es denn ein Schwarzes Loch sein sollte, dann hatte Hubble nicht den Ereignishorizont selbst gesehen, sondern die chaotischen Fluktuationen des vom Gas ausgehenden ultravioletten Lichts, das in das Loch gezogen wurde. Bei einem Schwarzen Loch erwartet man, dass Materie nicht direkt in das Schwarze Loch gezogen wird, sondern diesem in einer enger werdenden Spirale immer näher kommt. Die Raum-Zeit-Veränderung durch das Gravitationsfeld eines Schwarzen Lochs verhindert schließlich, dass sich das Gas in einer stabilen Kreisbahn bewegt. Aus dem Gas lösen sich pulsierende Blasen, die dann hinter dem Ereignishorizont verschwinden, wobei das Licht immer längere Wellen ausbildet und schwächer wird. Normalerweise sollte eine Gasblase, die auf einen Körper trifft, heller werden.
Kein wirkliches Schwarzes Loch will das Team von Ulf Leonardt, einem schwedischen Wissenschaftler, der Theoretische Physik an der St. Andrews University lehrt, schaffen, sondern nur winzige Schwarze Löcher in der Größe eines Tropfens, die entweder Licht- oder Tonwellen verschlingen. Natürlich ist Leonhardt nicht der Einzige, der so etwas machen will, aber der Erste, dem dies gelingen wird, dürfte für sich einen großen Erfolg beanspruchen und würde womöglich der Physik neue Wege eröffnen. Man glaubt, dass man durch künstlich erzeugte Schwarze Löcher wertvolle Informationen über das Verhalten von Energie und Materie erhalten kann, wodurch sich möglicherweise auch Widersprüche zwischen der Allgemeinen Relativitätstheorie und der Quantentheorie lösen ließen. Völlig unbekannt ist, was sich im Inneren eines Schwarzen Lochs abspielt.
Als man über die Experimente zur Nachbildung des Urknalls am Brookhaven National Laboratory diskutierte, kam die Angst vor Gefährdungen durch die künstlichen geschaffenen Materiezustände auf (Urknall im Labor). In Zeitungen wie der Sunday Times wurde die Vermutung geäußert, man könne damit so etwas wie ein Schwarzes Loch schaffen, das dann Materie verschlingen würde (Will Brookhaven Destroy the Universe? Probably No). Leonhardt beruhigt daher auch gleich einmal die Menschen aus der Umgebung, dass bei seinen Experimenten, sollten sie gelingen, keine Gefahr drohe. Weder die Universität noch das Städtchen, in dem sie sich befindet, werde in den atomaren Strudel gezogen, zumal ja nur ein Schwarzes Loch nachgeahmt wird. Die Forschung von Leonardt wird vom Engineering and Physical Sciences Research Council unterstützt.
Das Prinzip des künstlichen Schwarzen Loch ist relativ einfach zu verstehen. Man muss nur, wenn man ein optisches Schwarzes Loch erhalten will, einen Strudel von Atomen erzeugen, in den dann Photonen hineingezogen werden. Das geht nur dann unter irdischen Bedingungen, wenn die Lichtgeschwindigkeit radikal abgebremst wird, so dass die kreisenden Atome schneller werden und die Photonen einfangen können. Möglich geworden ist dies seit 1999, als Lene Verstergaard Hau von der Harvard University erstmals eine Möglichkeit vorstellte, Lichtstrahlen weitgehend zu bremsen: von 300000 km/s auf 60 km/h. Offenbar haben, wie vor kurzem bekannt wurde, das Wissenschaftlerteam um Lene Hau sowie ein anderes Team vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, Cambridge, es geschafft, Licht ganz zu stoppen, zu speichern und wieder weiter zu senden (Photonen gebremst, gespeichert und wiederhergestellt).
"Wir glauben", so Leonardt, "dass wir ein Versuchssystem mit sich bewegenden Flüssigkeiten schaffen können, mit dem sich wie bei einem Schwarzen Loch entweder Licht- oder Tonwellen anziehen lassen. Eine gute Analogie dazu ist ein Fisch, der in einer Strömung schwimmt, die sich einem Wasserfall nähert. Die Geschwindigkeit der Strömung nimmt zu, je näher sie dem Wasserfall kommt. Der kritische Punkt ist erreicht, wenn die Strömung schneller ist, als der Fisch schwimmen kann. Der Fisch wird dann in der Strömung gefangen und kann sich nur noch in einer Richtung bewegen. Er hat keine Fluchtmöglichkeit mehr."
Leonardt hat die von den Wissenschaftlern der Harvard University verwendete Lichtfalle studiert, in der zwei Laserstrahlen Gas, das fast auf den absoluten Nullpunkt gekühlt wird, passieren. Die Idee des Physikers ist es, das Gas schneller sich bewegen zu lassen, als die von ihm abgebremsten Lichtwellen. Dadurch könne das Licht gefangen werden. Ein anderes Modell wäre die Schaffung eines akustischen Schwarzen Lochs. Hier könnte man eine ebenfalls bis auf fast Null Grad Kelvin abgekühlte Gaswolke durch einen Laserstrahl beschleunigen und dann Schallwellen in sie eintreten lassen. Unter diesen Bedingungen sei die Geschwindigkeit der Schallwellen langsamer als das sich kreisförmig bewegende Gas. Möglicherweise eröffne sich durch die Beobachtungen solcher künstlich geschaffener Schwarzer Löcher "ein neues Feld in der Physik", hofft Leonardt. In den 80er Jahren hatte William Unruh von der University of British Columbia zeigen können. dass Tonwellen in Flüsigkeiten sich ähnlcih wie Lichtwellen in einem Gravitationsfeld verhalten.