Ein atheistischer Atlantiker, ein europhiler Cameron-Kontrahent und Hugh Laurie als Prinzregent

In Großbritannien sind die formellen Koalitionsziele und wichtigsten Kabinettsposten bekannt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Mittlerweile steht die Besetzung der wichtigsten Posten im Kabinett von Konservativen und Liberaldemokraten fest: Die Tories stellen mit dem ausgesprochen fiskalkonservativen George Osborne (den ein kritischer Kommentator einmal mit dem von Hugh Laurie gespielten Prinzregenten aus der Fernsehserie Blackadder verglich) den Finanzminister und mit dem Euroskeptiker William Hague (der als Teenager nach eigenen Angaben bis zu 14 Gläser Bier am Tag trank) auch den Außenminister. Verteidigungsminister wird der atheistische Atlantiker und Nuklearbewaffnungsbefürworter Liam Fox, Innenministerin Theresa May (eine Christin mit einem laut BBC "exotischen Schuhgeschmack"), Gesundheitsminister der Fettbekämpfer Andrew Lansley und Justizminister Kenneth Clarke, der als Sprecher des europhilen Parteiflügels und innerparteilicher Kontrahent Camerons gilt..

Finanzminister George Osborne. Foto: M. Holland. Lizenz: CC-BY-SA.

Der Liberaldemokrat Vincent Cable soll als Wirtschaftsminister auch für die Banken zuständig sein, denen er eine Zerschlagung in kleinere Einheiten angedroht hat. Er gilt zudem als entschiedener Gegner von Bonuszahlungen. Für die Energiepolitik, eines der LDP-Lieblingsthemen, ist Umweltsprecher Chris Huhne vorgesehen. Und Nick Cleggs Stabschef Daniel Alexander übernimmt das Schottlandministerium.

In dieser Region Großbritanniens hatten die Tories nur ein einziges Mandat errungen. Alexander drohen harte Auseinandersetzungen mit Alex Salmond, dem Chef der schottischen Regionalregierung, der ein Referendum über eine Unabhängigkeit seiner Heimat abhalten will.

Außenminister William Hague. Foto: Open Democracy. Lizenz: CC-BY-SA.

In ihrem Koalitionsabkommen einigten sich die beiden Parteien unter anderem auf eine Volksabstimmung über einen Wechsel zum AV-Wahlsystem und einen "Notfallhaushalt" für das Jahr 2010, der binnen 50 Tagen verabschiedet werden und 6 Milliarden Pfund an Kürzungen beinhalten soll. Andere Teile der Vereinbarung lassen allerdings daran zweifeln, ob die beiden Parteien dieses Ziel tatsächlich erreichen.

Die Liberaldemokraten verzichten nämlich auf die von ihnen ursprünglich geforderte Einführung einer Sondersteuer auf Millionärsvillen - dafür legen die Konservativen ihre Pläne ad acta, die Erbschaftsteuer erst ab einer Summe von einer Million Pfund zu erheben. Ihr Versprechen einer steuerlicher Bevorzugung von Verheirateten werden die Tories dem Abkommen zufolge zwar als Gesetzentwurf einbringen - allerdings dürfen sich die Liberaldemokraten bei der Abstimmung dazu enthalten. Anders läuft es bei der LDP-Forderung nach einer Heraufsetzung der Schwelle, unterhalb der Geringverdiener keine Einkommensteuer zahlen müssen: Hier sollen im Parlament auch die Tory-Abgeordneten dafür stimmen. Relativ einig waren sich beide Seiten, dass eine von Labour geplante Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge nur teilweise umgesetzt werden soll.

Die Europapolitik gilt als der Hauptgrund dafür, dass die Liberaldemokraten bei der Wahl relativ enttäuschend abschnitten. Entsprechend wenig überraschend setzten sich in diesem Bereich eher die Konservativen durch: Sie ließen festschreiben, dass Großbritannien den Euro auch weiterhin nicht einführt und jede zusätzliche Abgabe von Macht nach Brüssel durch ein Referendum genehmigt werden muss. Außerdem soll der Zuzug aus Nicht-EU-Ländern begrenzt werden.

Verteidigungsminster Liam Fox. Foto: Steve Punter. Lizenz: CC-BY 2.0.

Darüber hinaus mussten die Liberaldemokraten auch ihren Widerstand gegen die von den Konservativen geforderte teure Erneuerung der raketenbestückten Trident-Atom-U-Boote-Flotte aufgeben, erhielten als Zugeständnis aber die Zusage, dass eine Kommission eine Kosten-Nutzen-Analyse des Vorhabens durchführen soll. Im Schulbereich setzten die Liberaldemokraten ihr Ziel einer stärkeren Förderung von Kindern aus bildungsfernen Familien zwar grundsätzlich durch - jedoch ist noch nicht bekannt, in welcher Größenordnung diese erfolgen soll.

Die Stabilität der neuen Regierung will man dadurch gewährleisten, dass man die Regeln ändert: Danach soll ein Misstrauensvotum künftig nur noch mit mindestens 55 Prozent der Abgeordneten möglich sein. Dafür wird die Legislaturperiode formell auf fünf Jahre begrenzt.

Innenministerin Teresa May. Foto: Andrew Burdett. Lizenz: CC-BY 3.0.

Die Liberaldemokraten billigten mittlerweile das Koalitionsabkommen mit der erforderlichen Dreiviertelmehrheit. Ihr Parteivorsitzende Clegg meinte in einer Rede, er hoffe, dass mit der Koalition eine neue Politik beginne, in der Politiker verschiedener Überzeugungen ihre Differenzen zum Wohle des Landes überwinden. Er räumte ein, dass manche Wähler seiner Partei angesichts des Regierungsprogramms wahrscheinlich Zweifel haben würden, versicherte ihnen aber, dass er dieses Arrangement nicht eingegangen wäre, wenn er nicht ehrlich davon überzeugt gewesen wäre, dass es sich um eine "einzigartige Chance" handeln würde, jene Änderungen in die Wege zu leiten, an die seine Wähler glauben.

Tory-Führer David Cameron hob in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Clegg im Rosengarten des Anwesens Downing Street No. 10 hervor, dass beide Parteien zwar Zugeständnisse gemacht, aber auch Kernpunkte ihrer Wahlkampfforderungen durchgesetzt hätten. Seinen Willen, Differenzen aus der Vergangenheit zum Wohle einer stabilen Regierung zu begraben, bekräftigte er mit den Worten: "If it means swallowing some humble pie, and it means eating some of your words, I can't think of a more excellent diet."