Ein deutsch-französisches Europa?
Seite 3: Deutsche Bedingungen
Man könne sich einen europäischen Finanzminister unter gewissen Bedingungen durchaus vorstellen, doch seien tiefgreifende Veränderungen der EU nur dann sinnvoll, wenn sie deren Prosperität erhöhten. Zudem schloss Merkel abermals kategorisch jedwede Haftung europäischer Institutionen für die Schulden der Eurostaaten aus, die Deutschlands Exportindustrie alltäglich produziert.
Der Deal zwischen Berlin und Paris zeichnet sich somit klar ab: Eine weitere Integration der EU, samt Euro-Finanzminister und Eurohaushalt, ist nach den Wahlen möglich, solange die "Bedingungen" hierfür erfüllt werden. Damit meint man in Berlin die Durchsetzung neoliberaler Reformen in Frankreich, die im Rahmen der deutschen Spardiktate bereits viele Krisenländer verwüsteten.
Macron stehe vor der großen Herausforderung, seine Pläne zur Reform der französischen Wirtschaft durchzusetzen, bemerkte Reuters. Nur wenn er erfolgreich sei, "kann das gegenseitige Misstrauen zwischen Paris und Berlin beendet werden".
Die konkreten Erfahrungen mit "Reformen" im deutschen Europa verweisen somit auf den Sankt-Nimmerleins-Tag. Ein durch innenpolitische Auseinandersetzungen geschwächter Verhandlungspartner käme Berlin bei der konkreten Ausformung einer stärkeren europäischen Integration gerade recht. Denn die muss ja nicht zum Nachteil Merkels oder Schäubles ausfallen.
Bei der imperialen Konkurrenz Berlins jenseits des Atlantik spricht man diese Zusammenhänge, die auf dem Brüsseler Gipfel mit europäischen Pathos übertüncht werden, inzwischen klar aus (spätestens nach Merkels Bierzeltrede). Die angeblichen "Konzessionen" Merkels an den neugewählten französischen Präsidenten spiegelten nur die Strategie wieder, mit der Deutschland - unter dem "Europäer" Kohl übrigens - die Europäische Union in die deutsche Eurozone lockte, erläuterte das Wirtschaftsportal Marketwatch in einem Kommentar.
Man "weigere sich anfänglich, um dann endlich widerwillig nachzugeben, solange Deutschland die Bedingungen diktiert".
Die Regeln der neuen europäischen Institutionen würden von Deutschland gesetzt, "einem Land, dessen Finanzminister glaubt, ein ausgeglichener Haushalt oder ein Haushaltsüberschuss sei eine gute Sache, selbst wenn jedes andere EU-Land und die ganze Welt Berlin anbetteln, ein Defizit zu erlauben, um Wachstum zu stimulieren und die Arbeitslosigkeit" in der EU zu reduzieren.
Ohne eine echte politische Union, ohne ein echtes Europaparlament, würde eine europäische Finanzpolitik das Schicksal der europäischen Geldpolitik erleiden: "sie wird nur durch Deutschlands interne Interessen geformt".
Die Frage, ob die EU ein europäisches Deutschland eindämmen, oder ob sie zu einem Deutschen Europa verkomme, "ist schon lange beantwortet worden", resümierte Market Watch. "Ein gemeinsamer Haushalt und ein Finanzminister würden nur den nächsten Schritt darstellen." Macron hege eindeutig die Ambitionen, die Ungleichgewichte in der Eurozone zu korrigieren, doch werde es für Merkel ein Leichtes sein, ihn auszuspielen.