Eine Werbekampagne für die Informationsgesellschaft
Die Bundesregierung will mit einer "kommunikativen Markenklammer" und einem animierten Adler alle ans Netz holen
Fast schon poetisch mutet an, wie die deutsche Bundesregierung den Bürgern des Landes einen Ruck im Hinblick auf das Internet geben will. Auch wenn die Attraktion der Dot.coms bereits nachgelassen hat, sollen jetzt möglichst alle Bürger nicht nur ans Internet, sondern es auch noch nutzen, um vielleicht neue Geschäfte und Firmen im Angesicht einer möglichen Pleitewelle zu gründen oder zumindest zu einem ECommerce-Konsumenten zu werden: ".com schon, Deutschland!" hat sich das Presse- und Informationsamt etwa für Anzeigen ausgedacht, die uns ab Montag erwarten.
Fit für das 21. Jahrhundert. Das Ziel des Bundeskanzlers heißt: Internet für alle
Kommentar: Der Adler hat abgehoben. Bundeskanzler Schröder hat ein lustloses 10-Punkte-Programm ohne Visionen vorgestellt.
Werbung nennt sich ja heute bekanntlich Kommunikation, und derart "kommunikativ" will das Presse- und Informationsamt, wie Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye und der Staatsminister Hans Martin Bury am Freitag verkündet haben, "den von Bundeskanzler Gerhard Schröder und der Bundesregierung gesetzten politischen Schwerpunkt, den Aufbruch in die Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts aktiv zu gestalten."
"Die Bundesregierung beginnt jetzt eine Kampagne zum Auftakt einer Bündelung und Forcierung der Aktivitäten. Denn wir wollen nach dem guten Start weiterhin dazu beitragen, dass Deutschland in der Champions League der Informationsgesellschaft vorne mitspielt.
Das 21. Jahrhundert ist das Online Jahrhundert. Und das Internet Jobmaschine und Wachstumsmotor Nr. 1. Nicht nur für die IT Branche sondern für Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt." (Hans Martin Bury, Staatsminister beim Bundeskanzler)
Recht viel Neues ist der Regierung nicht eingefallen, die wie viele andere auch jeweils ihr Land auf einen "Spitzenplatz im Informationszeitalter" bringen will, schließlich steht der "Masterplan" schon fest und wurden auch einige Maßnahmen schon eingeleitet. Weil das aber vielleicht noch nicht so bei der breiten Bevölkerung angekommen ist, die immer noch vor dem Fernseher sitzt und ganz normal einkaufen geht, muss man für Aufmerksamkeit sorgen. Die "Aktivierung breiter Bevölkerungsschichten für die Nutzung des Internet" hat etwas von einer Alphabetisierungskampagne oder gar einer Erweckungsbewegung an sich, aber sie scheint vorwiegend ein Problem der Werbung, also der Kommunikation zu sein. Man muss den Leuten schon einhämmern, dass sie nicht nur brauchen, was sie sollen, sondern wem das Verdienst zukommt, Deutschland auf den Weg über das Internet ins Glück zu schicken.
Das weltweite elektronische Informationsnetz steckt voller Zukunftschancen, die wir nicht verpassen dürfen."
In der Pressemitteilung heißt das, man müsse die Initiativen bündeln, was dadurch geschieht, dass man eine "übergreifende kommunikative Markenklammer etabliert". Das nennt man auch "Branding", was schlichtweg heißt, dass man einen Namen schafft, der sich einprägt und alles, was darunter sich befindet, mit entsprechenden Assoziationen umgibt. Die Markenklammer ist mit dem Slogan "Deutschland schreibt sich mit .de" etwas umständlich geraten und soll wohl suggerieren - kommunikativ, versteht sich -, dass dieser Standort sich mit aller Entschlossenheit vernetzt hat.
Und weil man so dem Internet aufgeschlossen ist, hat man in der "Markenklammer" noch eine "Wortmarke" versteckt - man sieht, da waren echte Kommunikationsprofis am Werk -, die man extra hat "entwickeln lassen". In dem .de von "Deutschland schreibt sich mit .de" soll nämlich "deutschland-erneuern" enthalten sein. Diese Wortmarke reflektiert, erklärt uns das Presse- und Informationsamt, den "Anspruch der Bundesregierung, die schöpferischen und innovativen Kräfte in Deutschland zu mobilisieren". Eine Mobilmachung also strebt die Regierung an, fragt sich nur, was dann ist, wenn alle wirklich einmal am Netz sind - und trotz aller innovativen Kräfte viele der Probleme bleiben werden und neue entstehen.
Die "Motive" der Anzeigen, die uns demnächst von der Regierung aufgedrängt werden, sollen, wie die Experten aus dem Amt für Propaganda mitteilen, "jeweils sprachlich mit dem Begriffen aus den Bereichen Computer und Internet" arbeiten. Das deutet schon an, dass man gerne bei der Erweckung stehen bleiben und damit lediglich das Positive an der Informationsgesellschaft herausstreichen will. Symbolische Politik also, eine Politik der Werbung, die letztlich nur den allgemeinen Slogan "Alle und Alles ans Netz" aufgreift, anstatt einen Unterschied zu setzen, der zeigt, wie man die vernetzte Wissens- und Informationsgesellschaft gestalten will. Wer so nur "Schaffung neuer Arbeitsplätze" verspricht, wird die Menschen nicht überzeugen können, die ihre Arbeitsplätze verlieren. Und ob langfristig tatsächlich mehr Arbeitsplätze entstehen werden, als verloren gehen, wird sich erst noch herausstellen.
Damit denn auch jeder sehen kann, dass Deutschland zumindest schon partiell erneuert wurde, haben sich die Kommunikationsexperten auch noch am Staatssymbol des deutschen Adlers vergangen. Ob nun der Staat oder Deutschland gemeint ist, jedenfalls soll der Adler - für den leider noch kein niedlicher Name gefunden wurde - von nun an nicht mehr Ehrfurcht gebietend sein, sondern einfach sympathisch - was er ist, wenn er zum animierten Maskottchen wird. Vielleicht fliegt er dann auch mal im deutschen Bundestag herum, wenn sich die Abgeordneten im argumentativen Diskurs üben, anstatt nur steif als Bild vergangener Zeiten steif herumzuhängen. Wäre auch besser für die Kameras der Fernsehanstalten, die als Träger der kollektiven Aufmerksamkeit sowieso wichtiger als die Kollegen sind, denn dann hätten sie immer etwas, was sich auch fernsehgerecht bewegt und schon allein deswegen auffällt.
"In der Vergangenheit wurde Deutschland als unbeweglich wahrgenommen. Diese Zeit ist vorbei. Der Bundesadler bekommt Wind unter die Flügel. Mit dem Logo der neuen Informationskampagne symbolisiert er Dynamik, Tempo und Freiheit. Und er ist Sympathieträger. Und damit Werbefigur für die Chancen und Möglichkeiten der Informations- und Wissensgesellschaft. Die Kampagne soll Aufmerksamkeit, Interesse und Begeisterung wecken. Ganz nach dem Motto des Anzeigenmotivs ".com schon Deutschland". (." (Hans Martin Bury, Staatsminister beim Bundeskanzler)
In einem "Pretest" habe man nämlich ermittelt, dass der bewegte Adler einen "hohen Aufmerksamkeits- und Erinnerungswert" besitzt - und einen "hohen Aufforderungscharakter zur Nutzung des Internets". Warum ein fliegender Adler gerade die Nutzung des Internet nahelegt, wo doch Mäuse, Viren, Würmer und manche Kriechtiere sich ebenfalls anbieten würden, erfahren wir allerdings aus der Pressemitteilung nicht. Geheimnis bleibt auch, warum er "Glaubwürdigkeit, Offenheit und Sympathie" vermittelt.
Richtig poetisch aber wirds, wenn man hört: "Dieser Adler hebt sich deutlich von dem Staatssymbol ab, indem er abhebt." Und dann kündigt man auch noch schöpferisch an, dass er "ins und durch das world wide web fliegen" soll. Wir sind gespannt, was sich da das Presse- und Informationsamt einfallen lassen wird. Tröstlich für die unverbesserlich Unvernetzen ist immerhin, dass auch sie dem Adler nicht entgehen werden, denn angedroht wird: "Für den Adler sind vielfältige Einsatzmöglichkeiten auch außerhalb des Internets denkbar."
Für mehr Aufmerksamkeit scheint auch das Pop-up-Fenster sorgen zu wollen, in dem auf den Geschäftsbericht 1999/2000 hingewiesen wird. Die Klippe zwischen der Erzeugung von Aufmerksamkeit und der von Ärger ist jedoch sehr schmal ...