Einheitsbestrebungen vor heißem Herbst in Katalonien
Erneut werden am Nationalfeiertag Hunderttausende für die Unabhängigkeit demonstrieren, womit eine Antwort auf die Urteile gegen Anführer der Bewegung vorbereitet wird
Seit Jahren ist die "Diada", wie der katalanische Nationalfeiertag heißt, von riesigen Protesten geprägt. Erneut werden am Mittwoch vermutlich mehr als eine Million Menschen in der katalanischen Metropole Barcelona demonstrieren. "Ziel Unabhängigkeit", lautet das Motto. Ein gelber fünfzackiger Stern an einem Stab wird von Hunderttausenden ins Zentrum Barcelonas gezeichnet werden.
Der Stern wird um einen zentralen Platz gebildet. Gezeigt werden soll, dass man aus unterschiedlichen Richtungen kommend auf ein Ziel zustrebt. Getragen werden sollen gelbe Baustellen-Helme. Sie stehen für das stets gewaltfreie Vorgehen der Bewegung und für Schutz gegen die spanische Repression. Dabei wird an "Prügelorgien" spanischer Sicherheitskräfte beim Unabhängigkeitsreferendum vor zwei Jahren erinnert.
Von einer Demonstration kann nicht gesprochen werden, da sich diese Masse erneut nicht bewegen wird. Für die Choreographie wurden 24 Abschnitte geschaffen. Mehr als 300.000 Menschen ließen sich registrieren, einen Abschnitt zuteilen und haben das das T-Shirt gekauft. Damit war Tage vor der Diada klar, dass alle Abschnitte schon Tage vor dem Nationalfeiertag voll oder gut gefüllt sind. Der eigentliche Akt beginnt um 17 Uhr 14, um an den Fall Kataloniens im Jahr 1714 unter die spanische Bourbonenherrschaft zu erinnern.
Die Basis macht Druck auf eine "strategische Einheit" der Parteien. Auf ein einheitliches Vorgehen drängen die großen zivilgesellschaftlichen Organisationen "Katalanischer Nationalkongress" (ANC) und die Kulturorganisation Òmnium Cultural sowie die Vereinigung der Gemeinden für die Unabhängigkeit (AMI), die den Protest gemeinsam organisieren. Die drei Parteien, die für die Unabhängigkeit eintreten, zeigten sich zuletzt darüber zerstritten, wie die Unabhängigkeit umgesetzt werden soll.
Mit Blick auf die zu erwarteten harten Urteile im Prozess gegen 12 ehemalige Mitglieder der katalanischen Regierung, des Präsidenten von Òmnium Cultural und des ehemaligen ANC-Chefs im Oktober, wird auf eine einheitliche Antwort in einem heißen Herbst gedrängt. Dass sie verurteilt werden, bezweifelt eigentlich niemand.
Die Frage ist nur, ob es sich eher um das Strafmaß 10 Jahre für Aufruhr oder um 20 Jahre Freiheitsstrafe wegen Rebellion handeln wird. Da es die dafür notwendige Gewalt nicht gab und man im Prozess nur die Gewalt spanischer Sicherheitskräfte zu sehen bekam, will die Bewegung nur Freisprüche akzeptieren.
Vor der Diada wurden Schritte in Richtung Einheit von den exilierten Führungsmitgliedern gemacht. Die Generalsekretärin der Republikanischen Linken (ERC), Marta Rovira, rief mit dem ehemaligen katalanische Regierungschef Carles Puigdemont gemeinsam dazu auf, "die Initiative zu ergreifen und zur Aktion übergehen".
Alle politischen Gefangenen und Exilierten haben einen Brief verfasst und die Diada-Proteste als Vorbote der "Antwort auf das Urteil am Obersten Gerichtshof" bezeichnet, um die "Kraft und das Potential der Bewegung" zu zeigen.
"Demokratischer Tsunami"
Immer stärker wird über massiven zivilen Ungehorsam diskutiert. So hat sich eine neue Organisation gebildet, die sich Demokratischer Tsunami nennt, um den voranzutreiben. Dahinter stehen vor allem die Komitees zur Verteidigung der Republik (CDR), in der wiederum die antikapitalistische linksradikale CUP stark ist.
Mit Blick auf Vorgänge in Hongkong schwenken auch die zivilgesellschaftlichen Organisationen darauf ein. "Hongkong zeigt uns den Weg, den wir gehen müssen", erklärt der ANC-Vizepräsident Josep Cruanyes. Es gebe zwei Modelle, verweist er auf Schottland und Quebec, wo Großbritannien und Kanada Unabhängigkeitsreferenden zugelassen haben, gegenüber dem Vorgehen Spaniens, der Türkei oder China, wo auf Repression gesetzt wird. Den Ungehorsam kenne man schon aus der Franco-Diktatur, "die es heute noch gäbe, wären die Leute nicht dagegen aufgestanden".
Die ERC ist bisher auf einem anderen Kurs. Sie ist, anders als die CUP oder die konservativere "Gemeinsam für Katalonien" (Junts per Cat) von Puigdemont, sogar dafür, den Sozialdemokraten Pedro Sánchez erneut zum spanischen Regierungschef zu machen. Das lehnen CUP und Junts per CAT ab, da auch Sánchez an der Repression festhält, über ein Referendum nicht sprechen will und keinen Plan für Katalonien hat.
Ohne jede Gegenleistung hatte sich die Republikanische Linke bei der gescheiterten Investitur im Juli enthalten, denn ohne Enthaltungen oder Stimmen der ERC kann Sánchez nicht regieren. Er wurde nur deshalb nicht erneut Regierungschef, da er auch unfähig zu einem realen Dialog mit der Linkspartei Podemos ist.
Da seine Regierung es nun sogar ablehnt, dass es eine Koalition und Podemos-Minister gibt, wird es immer wahrscheinlicher, dass in den verbleibenden zwei Wochen nichts herauskommt und es im November die vierten Wahlen in nur vier Jahren gibt.
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