Eisenwolken über HR 8799c

Das Sonnensystem um HR 8799 in einem frühen Stadium seiner Entstehung, wie es sich ein Künstler vorstellt (Bild: Dunlap Institute for Astronomy & Astrophysics; Mediafarm)

Die Liste der bekannten Exoplaneten umfasst inzwischen einige Tausend Exemplare - nun gelang Astronomen erstmals ein Blick in die Atmosphäre eines Gasriesen, der nicht zu unserem eigenen Sonnensystem gehört

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Der Sonnenaufgang auf HR 8799c könnte, wenn dereinst intergalaktischer Tourismus die Regel geworden ist, zu den in den Reiseführern meistgenannten Sehenswürdigkeiten der kosmischen Provinz gehören, in der sich unser Sonnensystem befindet. Immerhin ist die Reise nicht allzu weit: 130 Lichtjahre ist der Mutterstern HR 8799 von der Erde entfernt. Der Planet, einer von vier Gasriesen, die seine Sonne umkreisen, ist wie seine Geschwister selbst im Vergleich zu unserem Jupiter ein Riese.

Was den Sonnenaufgang dort so besonders macht, dürften die Wolken aus Eisen- und Silikat-Teilchen sein. Im schwachen Licht der dortigen Sonne, die 30 bis 40 Mal weiter entfernt ist als unser Zentralgestirn von der Erde (und damit etwa in Pluto-Entfernung), dürften die Wolkengebilde besonders bedrohlich wirken.

Der Tourist sollte lediglich darauf achten, seinen Raumanzug nicht abzulegen, denn die Atmosphäre enthält auch einen großen Anteil an giftigem Kohlenmonoxid. Dass es außerdem zwischen 600 und 900 Grad Celsius heiß ist, könnte das Besucherinteresse zusätzlich schmälern. Da stört die Oberflächen-Gravitation, die etwa zehnmal so stark wie auf der Erde ist, am Ende wohl kaum noch.

Zum Ausgleich darf sich der Exoplanet HR 8799c in der Gegenwart zumindest des Interesses der Astronomen und Kosmologen sicher sein. Die haben zwar bereits fast 1.000 Planeten außerhalb des Sonnensystems identifiziert, doch die allermeisten sind direkter Beobachtung bisher nicht zugänglich. HR 8799c hat den Vorteil, dass er einerseits besonders groß ist - und wie seine Geschwister in relativ großem Abstand um sein mit 30 Millionen Jahren noch relativ junges Zentralgestirn kreist.

Die Forscher vom Keck-Observatorium auf Hawaii, die ihn 2008 entdeckt haben, verraten jetzt in Science, wie sie einen Einblick in seine Atmosphäre gewinnen konnten - und was das für seine Entstehung bedeutet.

Die der Veröffentlichung zugrunde liegenden Aufnahmen haben die Astronomen demnach bereits vor zwei Jahren angefertigt. Ein ausgefeiltes Extraktionsverfahren hat ihnen nun ermöglicht, das Spektrum des Planeten genauer zu bestimmen. Dabei fiel ihnen unter anderem ein unerwartet hoher Anteil an CO auf. Ebenfalls sehr deutlich waren die für Wasserdampf typischen Spektrallinien. Allerdings fanden die Forscher weniger H2O, als sie für einen derart jungen Planeten seiner Größe erwartet hätten. Interessant ist das, weil es etwas über die Entstehung des ganzen Systems verrät.

Zwei Modelle zur Planetenbildung

Zur Planetenbildung konkurrieren zwei unterschiedliche Modelle: Nummer 1 geht davon aus, dass sich in einer Staubscheibe gravitationelle Instabilitäten herausbilden. Der Effekt: Kern und Atmosphäre des Planeten entstehen gemeinsam. Theorie Nummer 2 hingegen stellt sich den Prozess umgekehrt vor, vom Kleinen zum Großen - kleine Materieklümpchen bilden durch Zusammenstöße größere, diese vereinigen sich zu immer weiter wachsenden Brocken, die irgendwann die Größe eines Planetenkerns erreichen. Erst dann sammelt das Neugeborene seine Atmosphäre aus dem übrig gebliebenen Gas der Staubscheibe auf.

Eines der Entdecker-Fotos des Systems um HR 8799. Planet "c" verriet jetzt Details über die Zusammensetzung seiner Atmosphäre (Bild: RC-HIA, C. Marois & Keck Observatory)

Dabei spielt nun der geringere Wasseranteil in der Atmosphäre von HR 8799c eine Rolle: Würde hier Modell 1 zutreffen, passen die Messdaten nicht mehr. Das fehlende Wasser würde demnach in seinem Kern stecken, der sich unter anderem aus Eiskristallen der protoplanetaren Scheibe bildete. Erst als dieser Kern etwa die 10-fache Masse der Erde hatte, begann er, über seine Gravitation die Atmosphäre aufzubauen, die die Astronomen heute beobachten können.

Der Planet sollte also über die Kern-Akkretion, also Modell 2, entstanden sein. Das finden die Forscher auch deshalb bemerkenswert, weil das ganze System HR 8799 an eine junge Variante unseres Sonnensystems erinnert und demnach Schlüsse darauf zulässt. Es besitzt wohl ebenfalls einen Asteroidengürtel und eine Oortsche Wolke jenseits der Planetenbahnen - und weiter innen vielleicht auch ein paar erdähnliche Planeten.