Eiskalte Diamanten können widerstandslos Strom leiten

Überraschende Erkenntnisse über die härteste Brillanz der Welt

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Kohlenstoff ist ein wesentlicher Grundbaustein der belebten Natur. Die drei Formen des Kohlenstoffs sind aber auch wichtige Elemente für industrielle Materialien. Das ist erstens der Grafit, die sehr weiche, mattschwarze und sowohl Wärme wie Strom sehr gut leitende und häufigste Form reinen Kohlenstoffs. Nach Behandlung mit hohem Druck und hoher Temperatur kann er auch bei Raumtemperatur magnetisch sein (vgl. Magnetische Kohle).

Diamant, Bild: Universität Lyon

Die zweite Version sind die Fullerene, die erst seit 1985 bekannt sind. Das sind sehr seltene Kohlenstoffmoleküle in der Form eines Fußballs mit 60 C-Atomen. Sie spielen in der Nanotechnologie eine wichtige Rolle und erwiesen sich in der Vergangenheit als supraleitende Überraschungseier (vgl. Die höchsten Sprungtemperaturen). Die dritte Variante ist der Diamant, der härteste, sehr stabile und transparente Stoff, aus dem Frauenträume für die Ewigkeit geschliffen werden.

Seit Mitte der 50er Jahre werden Diamanten auch künstlich hergestellt, seit neuestem auch Laborzüchtungen von erstaunlicher Qualität, die angeblich von den natürlichen Steinen nicht zu unterscheiden sind (vgl. Gemesis). Das sind gute Nachrichten für Schmuckfreaks, aber noch bessere für die Industrie. Denn neben der Schönheit durch ihre hohe Lichtbrechung haben Diamanten noch einige andere Eigenschaften, die sie als Werkstoff für verschiedene technische Anwendungen äußerst interessant machen: sie haben nicht nur die härteste Oberfläche aller natürlich vorkommenden Mineralien, sondern auch eine hohe chemische Stabilität, eine hohe Wärmeleitfähigkeit (höher als Kupfer) und sie isolieren elektrisch (vgl. Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik: CVD Diamant). Jedenfalls galt das bisher.

In der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsjournals Nature veröffentlichen E. A. Ekimov vom Institute for High Pressure Physics der Russian Academy of Sciences und Kollegen vom Lebedev Physical Institute in Moskau sowie dem Los Alamos National Laboratory ihre verblüffenden Neuigkeiten über supraleitende Diamanten. Durch die Anreicherung mit einer Prise des Elementes Bor gelang ihnen das Kunststück. Bor leitet allein ebenfalls keinen elektrischen Strom. Die Kunstdiamanten wurden unter hohem Druck (fast 100 000 Atmosphären, eine Atmosphäre entspricht dem normalen Luftdruck oder 1,01325 bar) und bei hohen Temperaturen von 2500-2800 Kelvin (ca. 2200 - 2500 Grad Celsius) aus Grafit in dem russischen Labor erzeugt, mit einer Beimischung von ungefähr drei Prozent Bor in Form einer Kohlenstoffverbindung.

Gezielt mit Bor verunreinigte Diamanten sind normalerweise Halbleiter. Das liegt daran, dass Bor-Atome ein Elektron weniger besitzen als Diamanten und sich durch ihren engen atomaren Radius relativ einfach in deren Kristallstruktur einfügen. In der neuen, speziellen Mischung wird das Material nahe dem absoluten Temperatur-Nullpunkt bei minus 270 Grad Celsius supraleitend, der Strom fließt dann ohne Widerstand. Eines der russischen Teammitglieder, Vladimir Sidorov, kommentiert:

Diamanten sind als Edelsteine wegen ihrer leuchtenden Brillanz und extremen Härte begehrt. Die Entdeckung einer total unerwarteten neuen Facette des Diamanten steigert das Begehren nach ihnen, nicht bei den gut Gekleideten, aber in der Wissenschaft und in der Technologie.

Das Forscherteam ist zuversichtlich, dass die Supraleitung unter ähnlichen Umständen auch bei anderen Materialien, die strukturell ähnlich sind, möglich ist. Dazu gehören kristallines Silizium und Germanium Es eröffnen sich auch neue Wege, integrierte Schaltkreise mit Kohlenstoff in Diamantmodifikation zu bauen. Ein interessantes Potenzial für künftige Anwendungen in der Halbleitertechnologie.