Eklat um Vortrag: "Berechtigte Kritik an der Politik Israels" oder "Propaganda"?

Seite 2: "Veranstaltungen zum Thema Israel/Palästina nicht mit Diffamierungen verhindern"

Offener Brief von Georg Stein an die Hochschule für jüdische Studien.

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Arnold,

sehr geehrter Herr Prof. Dr. Schmitt,

sehr geehrter Herr Lüllemann,

sehr geehrte Frau D'Ambrosio,

ich nehme Bezug auf Ihr Schreiben vom 24.10.2023 an das Heidelberger Eine-Welt-Zentrum (EWZ). Darin verlangten Sie, dass das EWZ eine mit mir für den 26.10. geplante Veranstaltung zum Thema "Eskalation im Nahen Osten" absagen bzw. dafür keine Räumlichkeiten zur Verfügung stellen solle.

Die in diesem Schreiben gegen mich und meinen Verlag gerichteten Anschuldigungen weise ich hiermit mit aller Entschiedenheit zurück. Sie sind unwahr, beleidigend und ehrabschneidend. Strafrechtlich erfüllen sie den Tatbestand der üblen Nachrede und Verleumdung. Einen Beitrag zu der von Ihnen geforderten "sachbezogenen Debatte" leisten die Vorwürfe gegen mich mit Sicherheit nicht.

Meinem Vortrag im Eine-Welt-Zentrum "eine einseitige Ausrichtung" zu unterstellen, ohne dass Sie überhaupt wussten, worüber ich sprechen würde, ist einfach nur unseriös. Genauso wie Ihre Feststellung, die geplante Veranstaltung könne "Israel-Hass" verbreiten. Nichts liegt mir ferner als das!

Mein Verlag war nie wie Sie behaupten eine "Propagandaplattform" und vertrat nie "einseitige anti-israelische Positionen". Bücher – vor allem auch von renommierten israelischen Autoren –, die sich kritisch mit der israelischen Politik auseinandersetzen, sind allerdings durchaus in meinem Verlag erschienen. Ich nenne hier nur den Namen Uri Avnery, der sich als vor den Nazis geflüchteter deutscher Jude in Israel sein Leben lang für eine gerechte, gewaltfreie Friedenslösung unter Einbeziehung eines Palästinenserstaats eingesetzt hat.

In Anerkennung für meinen Verlag wurde ich zusammen mit Uri Avnery vor Jahren übrigens vom damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau zu einem politischen Hintergrundgespräch ins Schloss Bellevue nach Berlin eingeladen.

Das Eintreten für eine für beide Konfliktparteien gerechte Lösung auf der Grundlage von Verhandlungen und Dialog bestimmen das Nahost-Programm des Verlags seit seiner Gründung 1989. Für dieses Anliegen wurde der Verlag vor zwei Jahren für den Stuttgarter Friedenspreis nominiert.

Ich selbst bereise Israel/Palästina seit nunmehr 50 Jahren regelmäßig und war 30 bis 40 Mal in der Region. Der israelisch-palästinensische Konflikt war auch Schwerpunkt meines Studiums der Politischen Wissenschaften an der Universität Heidelberg bei Professor Klaus von Beyme.

Der Palmyra Verlag hat nie behauptet ein "wissenschaftlicher Verlag" zu sein, wie Sie es nennen. Als Vertreter einer wissenschaftlichen Einrichtung sollten Sie eigentlich erkennen können, dass es sich beim Palmyra Verlag – bewusst nicht – um einen Wissenschaftsverlag handelt, sondern um einen Sachbuchverlag, in dem natürlich auch Bücher von Politologen, Historikern, Orient- und Isalmwissenschaftlern erscheinen.

Dass der Palmyra Verlag sehr wohl "fundierte Positionen bezieht", können Sie der Tatsache entnehmen, dass in meinem Verlag u.a. auch Bücher erschienen sind in wissenschaftlicher Kooperation mit der Universität Hamburg, dem Goethe Institut (der amtierende Goethe-Generalsekretär Thomas Ebert ist ein Palmyra-Autor), dem Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit, der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GTZ (heute GIZ) und auch dem Institut für Deutsch als Fremdsprachenphilologie der Universität Heidelberg. Palmyra-Autoren wie Rafik Schami, Edward W. Said, Mahmoud Darwisch, Navid Kermani und Michael Lüders stehen sicherlich für "fundierte Positionen".

Vorworte zu Palmyra-Büchern schrieben u.a. Hans Küng, Nelson Mandela, Butros Butros-Ghali, Lea Rabin, Amos Oz, Joschka Fischer, Rudolf Augstein, Robert Jungk, Jutta Limbach und Erich Fried – Namen, deren Redlichkeit Sie sicher nicht bestreiten wollen.

Ihre Behauptung, Personen, "die antisemitische Positionen vertreten oder Beziehungen zu islamistischen oder anderweitig extremistischen (PFLP) Terrororganisationen unterhalten", würden meinen Verlag als "Propagandaplattform nutzen" ist empörend und geradezu perfide. Diese Personen gibt es nicht! Nennen Sie mir auch nur einen Namen, auf den dieser absurde Vorwurf zutreffen soll.

Vollkommen unberechtigt ist auch Ihr Vorwurf, ich sei bei Palmyra-Veranstaltungen ein "unfairer Gastgeber" gewesen, der "FragestellerInnen mit haltlosen, teils strafrechtlich relevanten Vorwürfen diskreditiert" habe.

Gerade der "reibungslose" Verlauf der Veranstaltung am 26.10. hat sicherlich bewiesen, dass diese Anschuldigungen vollkommen unbegründet sind. Sollte es in der Vergangenheit bei Veranstaltungen zu Äußerungen von Teilnehmern gekommen sein, die "antisemitische Klischees überschritten, ja krude Verschwörungsnarrative beförderten", so wurden diese von mir zurückgewiesen. Auch dies war bei der Veranstaltung am 26.10. der Fall.

Die von Ihnen angegriffene Professorin für Politische Wissenschaften, Helga Baumgarten, zählt im akademischen Bereich zu den sicherlich renommiertesten Nahost-Wissenschaftlerinnen. Sie hat auf der Veranstaltung im Sommer 2022 in keinster Weise die Hamas-Herrschaft im Gazastreifen "stark verharmlost" und schon gar nicht "legitimiert".

Sie tat nichts anderes, als die historischen Entstehungszusammenhänge der Hamas zu kontextualisieren und darauf hinzuweisen, dass diese im Januar 2006 – zum Missfallen des Westens – demokratisch gewählt wurde.

In meinem Vortrag am 26.10. ging ich auch auf meine siebenwöchige Israel/Palästina-Reise im letzten Jahr ein, die mich auch in den Gazastreifen führte. Im Rahmen von etwa 50 Begegnungen vor Ort (u.a auch in Yad Vashem, bei der Organisation für Holocaust-Überlebende AMCHA, dem Museum der Kämpfer des Warschauer Gettos und der Zeitung "Haaretz") traf ich auch die angesehene Biologieprofessorin Sumaya Farhat-Naser und die langjährige palästinensische Botschafterin in Deutschland, Khouloud Daibes. Die Art und Weise, wie diese beiden Frauen, die sich immer nur für eine friedliche Konfliktlösung eingesetzt und schon lange das Existenzrecht Israels anerkannt haben, in Ihrem Schreiben wegen angeblich "hochproblematischen Ansichten" diffamiert werden, ist einer akademischen Einrichtung wie der Ihrigen geradezu unwürdig.

Die haltlosen Einwendungen Ihres Schreibens machen deutlich, dass es der Hochschule für Jüdische Studien um nichts anderes geht, als die berechtigte Kritik an der Politik Israels – und die zeigt sich im aktuellen Gazakrieg auf dramatische Weise – zum Schweigen zu bringen, oder "mundtot zu machen", wie es in einem RNZ-Leserbrief vom 6.11.2023 formuliert wurde.

Es geht nicht an, dass Sie sich anmaßen, zu entscheiden, wer sich zum Thema Israel/Palästina äußern darf und wer nicht und ob für entsprechende Veranstaltungen Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden oder nicht. Noch leben wir in einem Staat mit grundgesetzlich garantierter Meinungsfreiheit.

Im Zusammenhang mit dem Gazakrieg möchte ich hier noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass ich das verabscheuungswürdige Massaker der Hamas vom 7. Oktober auf das Schärfste verurteile und mein tiefes Mitgefühl den israelischen Opfern und Geiseln gilt.

Ebenfalls wichtig ist mir die Feststellung, dass die Kritik an der Politik Israels kein Antisemitismus ist. Dass es in diesem Land leider aber immer noch einen weit verbreiteten Antisemitismus gibt, ist eine Tatsache, der es in aller Entschiedenheit entgegenzutreten gilt.

Ich weise an dieser Stelle auch noch einmal darauf hin, dass die Hochschule für Jüdische Studien im Mai dieses Jahres mit den fast gleichen haltlosen Argumenten schon einmal versucht hat, eine Veranstaltung meines Verlags zu verhindern.

Es handelte sich dabei um eine Filmreihe im Karlstorkino zum israelisch-palästinensischen Konflikt. Die Filme, fast alle von israelischen Regisseuren, wurden ebenfalls als "propagandistisch" diffamiert, obwohl sicherlich niemand von der Hochschule für Jüdische Studien die Filme gesehen hatte.

Im Interesse einer offenen Gesellschaft und zum Schutz der Meinungsfreiheit stünde es der Hochschule für Jüdische Studien sicherlich gut an, künftig Veranstaltungen zum Thema Israel/Palästina nicht mit Diffamierungen und Falschbehauptungen verhindern zu wollen. Sollte dies aber ein weiteres Mal der Fall sein, werde ich rechtlich dagegen vorgehen. Aus Respekt vor der Lehr- und Forschungstätigkeit der Hochschule für Jüdische Studien zur Geschichte, Religion und Kultur des Judentums würde mir das sicher nicht leichtfallen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.