EloKa - die Abhörtruppe der Bundeswehr

Seite 7: Zusammenarbeit mit BND

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Nach Angaben von Geheimdienstexperten beziehen die Nachrichtendienste rund 65 bis 75 Prozent ihres Nachrichtenaufkommens aus öffentlich zugänglichen Quellen (Open Source Intelligence - OSI). Das Informationsaufkommen aus geheimen Quellen stammt wiederum zu rund 75 Prozent aus der technischen Aufklärung, hier ist als erstes die Abhörarbeit (Signal Intelligence - SIGINT) zu nennen. Nur ein Bruchteil der Geheimmeldungen wird mittels der klassischen Spionage durch Spione (Human Intelligence - HUMINT) gewonnen.

Der Vorteil der technischen Aufklärungsmethoden gegenüber dem klassischen Agenteneinsatz liegt im Umfang, der Aktualität und der Zuverlässigkeit des Meldungsaufkommen, der Nachteil liegt darin, dass man Topmeldungen über die gegnerischen Perzeptionen und Absichten nur über Spione im Zentrum der gegnerischen Macht erlangen kann. Die Datenflut aus der technischen Aufklärung ist per se "dumm" und belastend, die Auswerter müssen hier erst Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden und die Daten "zum Singen" bringen.

Während des Kalten Krieges fungierte der BND quasi als "Untermieter" auf den Fernmeldeaufklärungstürmen der Bundeswehr entlang der innerdeutschen Grenze. Die Einheiten für Elektronische Kampfführung sind das militärische Pedant zu den geheimdienstlichen Abhörkräften, sie ergänzen und bestätigen das nachrichtendienstliche Meldungsaufkommen. Im Jahr 1958 wurde ein erstes Abkommen über die Zusammenarbeit zwischen der EloKa-Truppe der Bundeswehr und dem BND geschlossen. Während sich der BND insbesondere auf die Sowjetunion konzentrierte, war die Bundeswehr für die Vorfeldstaaten (Polen, CSSR, Ungarn) zuständig. Dem folgten am 18. Oktober 1969 die "Richtlinien für die Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und Bundesnachrichtendienst auf dem Gebiet der Fernmeldeaufklärung und Elektronischen Aufklärung". Diese so genannte "ZUGVOGEL"-Vereinbarung bestimmte, dass der BND-Präsident im nationalen Maßstab für die Gesamtplanung, Aufgabenverteilung und Koordinierung der Fernmeldeaufklärung zuständig ist.

Im Jahr 1981 wurde dann die "Richtlinie über die Zusammenarbeit innerhalb der deutschen Fm/EloAufkl und für die Aufgabenteilung bei der Aufklärung der Streitkräfte des Warschauer Paktes" (RiLiZus) vereinbart. Angesichts der weltpolitischen Veränderungen seit dem Ende des Kalten Krieges kann nur vermutet werden, dass zwischenzeitlich eine neue Vereinbarung getroffen wurde, Informationen darüber sind leider nicht verfügbar.

Während sich die EloKa auf die Überwachung des Funkverkehrs beschränkt, hört der BND zusätzlich auch Glasfaserkabel oder Mobiltelefone ab. Die Überwachung der Satellitenkommunikation und die strategische, politische Aufklärung waren und blieben die Domäne des Bundesnachrichtendienstes. Dabei ist die Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und Bundesnachrichtendienst nicht frei von bürokratischen Spannungen. Außerdem darf vermutet werden, dass der Informationsfluss ziemlich einseitig von der EloKa zum BND verläuft. Jahrelang konnte sich der BND gegenüber den Informationsanfragen der EloKa verwehren; erst im Jahr 1986 kam man mit der Einführung des internationalen Signals Intelligence Data System (SIGDASYS) der Bundeswehr und der NATO entgegen.

Für die Abhöraktionen ist innerhalb des BND die Abteilung Technische Aufklärung (TA) zuständig, die über einen eigenen Apparat zur Fernmeldeaufklärung verfügt, der unter der Tarnbezeichnung "Bundesstelle für Fernmeldestatistik" (BFSt) bekannt ist. Die erste Abhörstation richtete die damalige "Organisation Gehlen" bereits 1947 in Kransberg ein. Über die technischen Systeme wurde wenig bekannt. Immerhin heißt es, dass die amerikanische NSA sehr an den verwendeten Softwareprogramme Mira4 und Veras interessiert war.

Zwar gilt die Fernmeldeaufklärung als sehr zuverlässig, aber trotz des ganzen personellen und technischen Aufwandes, bleiben in der geheimdienstlichen Puzzlearbeit immer Aufklärungslücken. So erwähnen die beiden Militärhistoriker Oberstleutnant a. D. Dr. Armin Wagner und Dr. Matthias Uhl in ihrem Buch "BND contra Sowjetarmee" (2007) beispielhaft einen BND-Bericht über die 2. sowjetische Garde-Armee in der DDR aus dem Jahre 1970:

Ein klassischer order-of-battle-Bericht zur 2. Garde-Armee der GSSD von 1970 listete bei der Aufzählung der einzelnen Verbände auch die letzte Bestätigung auf, die der Bundesnachrichtendienst selbst hatte erbringen können: Bei einigen Bataillonen und Regimentern gingen sie zurück bis 1963 und 1964, als das Netz (gemeint ist das Agentennetz des BND in der DDR , G. P.) aus der Zeit vor dem Mauerfall noch nicht zerstört war; eine ganze Reihe anderer Verbände der Armee war 1965,1966 und 1967 zuletzt von BND-Quellen bestätigt worden. Der Dienst gestand zu diesem Zeitpunkt die Unbestimmtheit mancher Einschätzung in seinen Berichten ein, indem er nicht mehr erkannte Truppenteile und möglicherweise in bestimmten Regionen untergebrachte Verbände benannte, keine klar ersichtlichen Änderungen nur noch wahrscheinlich meldete, Beobachtungen angenommen hat, zugab, dass Erkenntnisse nicht ausreichten oder Bataillone und Regimenter schlicht als unlocated meldete.

Armin Wagner/Matthias Uhl

Der BND taxierte damals seine Fähigkeit, einen nachrichtendienstlich relevanten Vorgang tatsächlich zu erfassen, mit einer Wahrscheinlichkeit von 85 Prozent. In gleicher Weise stieß auch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) an seine Grenzen. Erst ab 1982 konnten sie James W. Hall (Deckname: DEVIL, später PAUL), einen Mitarbeiter des United States Army Intelligence and Security Command (INSCOM) auf dem Berliner Teufelsberg, anwerben. Dieser beschaffte ihnen das NATO-Dokument "Allied Communication Publication" (ACP): "Erstmal konnten wir nunmehr auch alle ELOKA-relevanten Standorte in der BRD und in Westberlin identifizieren und ihre Grundfunktion darstellen", berichtete später Oberst Klaus Eichner, Leiter des Auswertungsbereichs für die US-Geheimdienste im MfS (Abteilung IX Gegenspionage). Nach Verbüßung einer 23-jährigen Haftstrafe wurde James W. Hall im September 2011 "vorzeitig" aus dem US-Militärgefängnis in Fort Leavenworth entlassen.

Der BND betreibt heute folgende Abhör- bzw. Peilstationen:

Bad Aibling

Die amerikanische "Bad Aibling Station" (Deckname: WILDBORE) wurde bereits 1955 durch das damalige 312th Communications Reconnaissance Battalion in Dienst genommen. Zuletzt war hier die 6915th Electronic Security Squadron (ESS) des U. S. Air Force Security Service (AFSS) stationiert. Bis 2004 diente sei als Regional SIGINT Operation Center (RSOC) im weltweiten Echelon-Netzwerk der amerikanischen NSA. Hier sind heute nur noch zwei NSA-Verbindungsbüros weiterhin im Einsatz: die Joint SIGINT Activity (JSA) und das Joint Analysis Center (JAC).

Seit 1988 nutzt auch der BND die Abhörstation, um zunächst die damaligen Troposcatter-Funkverbindungen der damaligen Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes abzuschöpfen. Der Geheimdienst firmiert hier unter der Tarnbezeichnung "Fernmeldeweitverkehrsstelle der Bundeswehr" (FmWVStBw) bzw. "Objekt ORION" (frühere Bezeichungen: SEELAND und TORFSTICH). Seine Niederlassung befindet sich in der benachbarten Mangfallkaserne (Grassingerstr.).

Zur militärpolitischen Bedeutung von SEELAND schrieb Erich Schmidt-Eenboom in seinem Buch "Der BND - Die Unheimliche Macht im Staate" (1993):

Mit 'Seeland' stand dem westdeutschen Dienst nun ein von den USA unabhängiges Instrument zur Verfügung, mit dem die elektronische Aufklärung sowjetischer Raketentruppen, der Marine und des Generalstabs betrieben werden konnte. Und wenn der BND im Juli 1991 beim Putsch gegen Gorbatschow relativ schnell nach Bonn melden konnte, daß die Führung der sowjetischen Streitkräfte nicht voll hinter den Putschisten stehe und keine Generalmobilmachung erfolgt sei, dann war dies vor allem dem Bad Aiblinger Antennenkomplex zu verdanken.

Erich Schmidt-Eenboom

Butzbach

Hier firmiert eine "Messstelle" mit einer HF-Peilstation.

Diepholz

Die alte Peilstation der Bundeswehr (Deckname: ZITRONE) wird möglicherweise weiterbenutzt.

Gablingen

Auf dem Flugplatz Gersthofen-Gablingen befindet sich eine amerikanische Wullenwever-Ringantennenanlage vom Typ AN/FLR-9 mit einem Durchmesser von circa 365 m und einer Höhe hatte bis zu 40 m. Mit Hilfe ihrer Antennengitter können breitbandig Funkfrequenzen zwischen 1,5 und 30 MHz mit einer Reichweite von bis zu 5000 km abgehört werden. Die Anlage gehörte zum früheren "Iron Horse"-Netzwerk der NSA. In einem 1997 aufgetauchten Einsatzplan der Feuerwehr war zu lesen, 220 Büros und 400 Türen seien im Komplex vorhanden, der der "Datenverarbeitung" diene. Die so genannte Field Station Augsburg (FSA) umfasste Ende der achtziger Jahre US-Dienststellen, u. a. das 713rd,und das 714th Military Intelligence Bataillon, das "Detachment T" der U. S. Army Cryptologic Support Group (CSG), die 6950th Electronic Security Squadron des U. S. Air Force Security Service (AFSS) und eine "Acitivity" des Naval Security Group Command (NSGC). Die Kasernenanlage war intern als "Site 300" bekannt.

Im Jahr 1998 zog das amerikanische "Detachment T" ab. Der Bundesnachrichtendienst, der seit Mitte der siebziger Jahre als "Untermieter" der USA fungierte, betreibt die Anlage seitdem allein. Die fimiert unter der Tarnbezeichnung "Fernmeldestelle Süd" (FmSt Süd) bzw. dem Codenamen DREHPUNKT.

Hof

In Hof befindet sich eine Abhöranlage mit dem Codenamen PFERDESTALL. Die Abhörstation des U.S. Air Force Security Service (USAFSS) war mit ihren AN/FLR-12-Antennen am 30. Juni 1971 vom BND übernommen worden.

Husum

In Husum befindet sich eine HF-Peilstation.

Kassel

In der neuen Husarenkaserne (Bosestraße) befindet sich eine Niederlassung mit dem Codenamen HECKENROSE-KURFÜRST.

Kreuzholzhausen

Hier befindet sich eine "Prüfstelle" mit dem Codenamen MÜHLE. Außerdem befand sich hier früher eine Morsestelle für die Verbindung zu Agenten im Auslandseinsatz.

Pöcking

Hier befindet sich die Fernmeldeschule des BND mit dem Tarnamen "Prüfstelle" bzw. dem Codenamen KLEEFELD. Außerdem befand sich hier früher eine Morsestelle für den ungerichteten Agentenfunk.

Rheinhausen

Das "Ionosphäreninstitut" in Rheinhausen-Niederhausen (Vogesenstr.) dient dem Abhören der Satellitenkommunikation. Innerhalb des BND trägt die Dependance die Bezeichnung "Dienststelle 525". Der Bau der Anlage mit dem Codenamen TAMBURIN soll seinerzeit rund 90 Millionen DM gekostet haben. Bis in die neunziger Jahre wurde hier auch eine Parabolantenne mit einem Durchmesser von 43 m betrieben. Nach Angaben des Institutsleiters Reiner Aurich betreibt man "Entwicklungs- und Forschungsaufgaben auf dem Gebiet der Nachrichtentechnik. Da hier auch sicherheitsrelevante Aufgaben mit Berührungspunkten zum Bundesnachrichtendienst enthalten sind, können wir leider keine Detailangaben hierzu machen".

Schöningen

In Schöningen (Richard-Schirrmann-Str. 9) befindet sich die so genannte "Funktechnische Versuchsanstalt" mit zahlreichen Satellitenantennen unterschiedlicher Größe. Sie dient dem Abschöpfen der Satellitenkommunikation und als Versuchsstation. Der Codename lautet GOLFPLATZ.

Stockdorf

In Stockdorf (Wanneystr. 10?) befindet sich die Zentrale der BND-Abteilung TA mit der Tarnbezeichnung "Messstelle 3" und der Codebezeichnung STELLWERK. Außerdem befindet sich in Stockdorf das "Fernmeldetechnische Institut" für technische Entwicklungsaufgaben (Codename PLANET).

Übersee

In der Gemeinde Übersee am Chiemsee betreibt der BND die frühere Peilzentrale V des Bundesheeres (Deckname: WEIDE).

Sonstige

Weitere nicht identifizierte Niederlassungen des BND/BFSt befinden sich in Bonn, Brühl, Braunschweig, Bunzbach, Heiligenhafen und Starnberg.

Zusammenarbeit mit Anglo-Amerikanern

Der Aufbau einer deutschen, nationalen SIGINT-Kapazität stößt an Grenzen. Neben fehlenden technologischen Fähigkeiten sind dafür auch die potentiellen Kosten von Gewicht. Daher suchte die Bundesregierung schon frühzeitig die Zusammenarbeit mit leistungsfähigen Partnern im Ausland. Bereits Ende 1971 forderte der damalige BND-Vizepräsident Dieter Blötz eine verstärkte SIGINT-Zusammenarbeit mit den Amerikanern, um die Defizite des Bundesnachrichtendienstes in diesem Bereich auszugleichen. Blötz notierte damals:

Weiterhin wurde entschieden, ein Angebot der NSA zur Zusammenarbeit trotz damit verbundener gewisser Einschränkungen der Eigenständigkeit anzunehmen, um dadurch Zugriff zu den Aufklärungsergebnissen der weltweiten Erfassungs- und Radarsysteme dieses Partners zu bekommen.

Gleichzeitig ließ Blötz alle Möglichkeiten prüfen, um durch "Realisierung eines aktiven Systems im nationalen Bereich" und "Beteiligung an Aufklärungssatelliten anderer Organisationen" eine gewisses Maß an Unabhängigkeit gegenüber den USA zu bewahren.

Seit 1976 besteht ein Abkommen zwischen dem Bundesnachrichtendienst, der amerikanischen National Security Agency und dem britischen Government Communications Headquarters über eine Zusammenarbeit in der Fernmeldeaufklärung. Frankreich versuchte damals vergeblich, in den Verbund aufgenommen zu werden. Zur Organisierung der bilateralen Zusammenarbeit gründeten die USA eine Combined Group Germany (CGG), die erst in München (McGraw Kaserne, Tegernseer Landstraße 210), ab den achtziger Jahren in der Field Station Augsburg-Gablingen (FSA) untergebracht war; der BND bildete die so genannte "Bundeswehr-Austauschgruppe".

Allerdings ist die Zusammenarbeit zwischen BND und ausländischen Abhördiensten in Deutschland nicht frei von Misstrauen, wie der ehemalige Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz in Thüringen Helmut Roewer im Jahr 2008 berichtete:

Auf demselben Feld ackerten die Funkaufklärungseinheiten der Bundeswehr - und, nicht zu vergessen, die diversen militärischen und zivilen Dienste der USA und Großbritanniens, die sich in Deutschland häuslich eingerichtet hatten. Deren Existenz bedeutete weniger eine Form der angenehmen Zusammenarbeit als vielmehr einen Quell steten wechselseitigen Misstrauens. Das ging so weit, dass die US-Amerikaner ihr Hilfspersonal lieber aus den in Deutschland lebenden Türken als aus den Deutschen rekrutierten.

Helmut Roewer

Darüber hinaus besteht ungefähr seit Ende 1976 eine Zusammenarbeit des BND mit dem französischen Abhördienst.

Durch die Ukraine-Krise in Osteuropa ist die Technische Aufklärung des BND in diesem Jahr wieder besonders gefordert. Über seine Aufklärungsergebnisse drang nichts nach außen. Unklar blieb auch, in welchem Umfang die EloKa-Truppe hier Erkenntnisse beibringen konnte.

In Zukunft wird die Elektronische Kampfführung durch den so genannten "Cyber War" eine völlig neue Dimension erreichen. Seit 2006 wird dazu beim KdoStratAufkl eine Abteilung für Informations- und Computer-Netzwerk-Operationen (CNO) aufgebaut. Unter dem Kommando von Brigadegeneral Friedrich Wilhelm Kriesel agieren z. Zt. erst 76 Hacker-Soldaten. Die Abteilung ergänzt das 2011 gegründete, zivile Nationale Cyber-Abwehrzentrum (NCAZ), das beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in Bonn angesiedelt wurde.

Der Autor ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit.