Emil und der Menschenhelfer

Seite 4: Weltgeltung mit kleinen Schönheitsfehlern

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Glamouröser Höhepunkt der Jahrestagung der Reichsfilmkammer war der Reichsfilmball. An der Berichterstattung in der gleichgeschalteten Presse ist abzulesen, wer sich der besonderen Wertschätzung des Regimes erfreute und wer gerade ein für besonders wichtig erachtetes Projekt in Arbeit hatte. Steinhoff nahm unter den im Film-Kurier (13.3.1939) aufgelisteten Regisseuren, die erschienen waren, den ersten Platz ein, Jannings bei den Darstellern. Vier Tage nach dem Reichsfilmball, am 15. März 1939, marschierte die Wehrmacht in Prag ein, um die "Zerschlagung der Rest-Tschechei" einzuleiten, wie es in der Propaganda hieß. Am folgenden Wochenende feierte man Jannings’ 25-jähriges Bühnenjubiläum. Bei einem Presseempfang sprach Steinhoff von dem großen Glück, das er darüber empfinde, in dreimonatiger Zusammenarbeit mit dem Jubilar "einen Film zu schaffen, der dem Andenken des großen deutschen Forschers und Mediziners [Robert Koch] gewidmet ist" (LichtBild-Bühne, 18.3.1939).

Am Abend darauf (Samstag, 18. März) erhielt Jannings bei einem Festbankett für seine Verdienste um die Filmkunst die Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft, "im Namen des Führers" überreicht von Joseph Goebbels. Der Führer selbst kehrte am Sonntag aus Prag zurück, wo er erklärt hatte, dass die Tschechoslowakei nun nicht mehr existiere. Goebbels erlebte gerade "schwere Kampftage" (Tagebuch, 20.3.), weil er sich wegen des Bruchs des Münchner Abkommens eine Propagandaschlacht mit der Auslandspresse lieferte, die in Robert Koch in Form einer Reichstagsdebatte mit Kanzler Bismarck wieder auftaucht. Für Hitlers Rückkehr nach Berlin organisierte er eine Massenveranstaltung auf dem Wilhelmplatz, den er und Albert Speer zur monumentalen Aufmarschstätte umgebaut hatten, damit Hitler auf dem "Führerbalkon" der Reichskanzlei die Huldigung der Volksgenossen entgegennehmen konnte. Bei der mit Lichteffekten und Feuerwerk aufgemotzten Jubelfeier am 19. März 1939 bedankte sich die Bevölkerung für den "grandiosen Abschluß der Schaffung eines neuen Mitteleuropas", wie tags darauf in der LichtBild-Bühne zu lesen war.

Für die 120.000 Juden im von Hitler ausgerufenen "Protektorat Böhmen und Mähren" bedeutete die Schaffung eines neuen Mitteleuropas Vertreibung, Deportation und Tod. "Schaffen" war in der Propaganda ein gern gebrauchtes Synonym für Krieg, Zerstörung und die Vernichtung irgendwelcher Feinde. In Robert Koch ist das nicht viel anders. Am Tag nach der Jubelfeier, am 20. März, begannen die Dreharbeiten zu dem Film, dessen Held den Tod bekämpft, ohne einen einzigen Patienten zu heilen. Es gibt nur Leichen. Geeignet für Kinder ab sechs Jahren. Schließlich ist das einer der "besten deutschen Ärzte-Filmklassiker". Was wohl einen schlechten deutschen Arztfilm charakterisiert? Wird da ein Kranker auch mal gesund, wenn der Doktor kommt? Kurioserweise hat Jannings-Apologet Frank Noack an The Story of Louis Pasteur zu bemängeln, dass er "eine Spur zu optimistisch" sei, weil nämlich: "Louis Pasteur rettet Leben, sogar von Schafen". In einem Arztfilm, der ein Klassiker sein will, schickt sich das nicht.

The Story of Louis Pasteur

Die Werbekampagne für den Bekämpfer des Todes ging schon los, als man noch gar nicht wusste, wann Drehbeginn sein würde. Im Januar 1939 besuchten Jannings und Steinhoff den damals größten Star unter Deutschlands Ärzten, den Chirurgen Ferdinand Sauerbruch, in der Charité und setzten sich zum Phototermin in eine seiner Vorlesungen. Dr. Unger, der "wissenschaftliche Bearbeiter" des Films, begleitete sie ins Robert-Koch-Institut, wo im Frühjahr 1933 alle Mitarbeiter jüdischer Herkunft entlassen und durch linientreue Wissenschaftler ersetzt worden waren. Diese Herren nutzten bereitwillig die Möglichkeiten zur schrankenlosen Forschung, die ihnen das Regime bot, Menschenversuche in den Konzentrationslagern inklusive. Wenn sich Jannings als Dr. Koch nicht an Regeln hält hat das einen sinistren Hintergrund. Er tat es auf den Leinwänden des Dritten Reichs.

Phototermin in der Sauerbruch-Vorlesung

Im einst von Robert Koch höchstselbst geleiteten Institut besichtigten die Filmschaffenden dessen früheres Arbeitszimmer und ließen sich die Funktionsweise seiner Geräte erklären. Hellmuth Unger war später voll des Lobes über Jannings’ minutiöse Vorbereitungen; angeblich hatte der Großschauspieler monatelang nichts anderes getan, als sich in die für Koch wichtigen medizinischen und wissenschaftlichen Fragen zu vertiefen. Nicht weniger begeistert zeigte sich Dr. Unger von Steinhoffs medizinischen Kenntnissen und von den Drehbuchbesprechungen mit den beiden Künstlern, die zu Fachsimpeleien unter Kollegen geworden seien. Die Presse hatte auch von Gesprächen der Filmschaffenden mit den Ärzten im Robert-Koch-Institut zu berichten, und über deren Geringschätzung von The Story of Louis Pasteur, der so misslungen sei, dass ihn nicht einmal die Franzosen hätten zeigen wollen.

Offenbar gab es ein starkes Bedürfnis, die Existenz des in Deutschland nicht verliehenen Films anzuerkennen und sich zugleich von ihm zu distanzieren. Das hat etwas von Vorwärtsverteidigung. Robert Koch entstand als Reaktion auf die amerikanischen Biopics, einige Handlungselemente sind von Louis Pasteur abgekupfert. Das konnte Zweifel an der Originalität der deutschen Filmkunst wecken. Also empfahl es sich, den da, wo er gezeigt werden durfte, zum Vergleich auffordernden Dieterle-Film präventiv in die Tonne zu treten. Wenn bei Jannings ein Bild von Pasteur an der Wand hängt scheint mir das mehr der Rivalität mit dem Hollywoodfilm geschuldet zu sein als Ungers Koch-Biographie, wo das Verhältnis der beiden Forscher auch schon eine Rolle spielt. Ideologisch ist Der Bekämpfer des Todes dem Ideal von einem reinen Deutschtum verpflichtet, das umso entschlossener behauptet werden muss, als es dieses nie gab. Störende Elemente in der Biographie des echten Robert Koch werden vorzugsweise weggelassen. Bei Pasteur, nehme ich an, hätte man es genauso gemacht, wenn da nicht das weltweit beachtete Biopic von William Dieterle gewesen wäre. Also änderte man die Taktik.

Forschung und Frivolität

Die Nazis bevorzugten ein Chauvi- und Patriarchenkino. Darum sind es die Patientinnen, auf deren Kosten Dr. Koch seine "Volkstümlichkeit" beweist. Eine beschwipste Rentnerin trinkt den Spiritus, mit dem sie sich einreiben soll. Um sie zu kurieren verschreibt ihr der Doktor eine Flasche Spiritus mit Abführmittel (Hoho). Elisabeth Flickenschildt trat 1932 in die NSDAP ein, wurde 1944 als für die Propaganda schwer verzichtbare Schauspielerin in die Gottbegnadeten-Liste aufgenommen und ist heute vor allem wegen ihrer Rollen in den Edgar-Wallace-Filmen bekannt (Die Bande des Schreckens, Das Gasthaus an der Themse), die sich auf ihre Weise der verdrängten NS-Vergangenheit nähern. In Robert Koch ist sie als die hypochondrische Baronin von Kossin zu sehen und beklagt sich über die Höllenqualen, die sie zu erleiden habe. Koch fordert sie auf, sich nackt auszuziehen und behandelt ihre Wehwehchen, indem er die Frau mit kaltem Wasser übergießt (ein doppeltes Hoho).

Robert Koch, der Bekämpfer des Todes

Die rabiate Behandlung seiner Gattin ruft den Baron auf den Plan. Frau Koch befürchtet schon das Schlimmste, doch der Baron ist vor Begeisterung ganz außer sich. Seit der kalten Dusche, berichtet er, sei seine Frau, die früher nur gejammert habe, wie verwandelt und "zum Vollweibe erwacht". Nun müsse er aber auch dafür sorgen, dass es so bleibt, sagt Koch, und das Temperament seiner Gattin "ein bisschen wach halten". Herr von Kossin findet das großartig. Bisher habe er die Baronin für zu zart gehalten und sie schonen wollen. Jetzt könne er "ein bisschen mehr … zupacken", sie also kräftig durchbumsen, um klar zu sagen, was gemeint ist. Das Ehepaar Koch wirkt leicht pikiert, doch es ist der Film (und nicht der Baron), der uns diesen gespielten Herrenwitz serviert. Erst muss sich die Baronin - im Off - nackt ausziehen. Dann sollen wir uns vorstellen, wie ihr Mann sie hart rannimmt, um ihr Leiden zu kurieren. Wer so etwas lustig findet darf sich kräftig auf die Schenkel klopfen. Kochs Gemahlin sitzt mit dabei, weil es zu dieser Art von Witz gehört, dass die Frauen Zeuge werden, wenn sich die Männer darüber austauschen, wie man sie zu behandeln hat. Das NS-Kino hatte kein Monopol auf die Demütigung von Frauen, aber es hatte besonders viel Übung darin, weil es ein ideologisches Interesse daran gab, das "schwache Geschlecht" auf "seinen" Platz zu verweisen. Um beim Sex zu bleiben: Die Missionarsstellung war obligatorisch. Der Mann oben, die Frau unten.

Robert Koch, der Bekämpfer des Todes

Und was hat das mit Louis Pasteur zu tun? Nichts und doch sehr viel. In Kochs Arztpraxis hängt der Franzose an der Wand. "Wer ist denn dieser scheußliche Mann, der hier hängt, Herr Doktor?", fragt die Baronin. "Das ist der Franzose Louis Pasteur, ein genialer Forscher", antwortet Koch. "Großes Vorbild für uns Ärzte." "So", sagt die Baronin. "Meinen Sie, dass ich nach Paris fahre und ihn aufsuche wegen meines Leidens?" Dabei zieht sie sich aus und hebt leicht den Unterrock wie eine Can-Can-Tänzerin. Von Pasteur merkt man sich, dass er scheinbar irgendwie bedeutend und ein hässlicher Mann war und mit Frivolität und Frauen in Unterwäsche zu tun hat, die weder schön noch jung sind, dies aber vielleicht wären, wenn man sich in Paris befände. Der Film verfolgt da eine Doppelstrategie, die auch an anderen Stellen zur Anwendung kommt. Als dumme Ignorantin wird die Baronin der Lächerlichkeit preisgegeben. Koch überschüttet sie mit kaltem Wasser, sobald sie nackt ausgezogen ist. Da kann auch mitlachen, wer selbst nicht weiß, wer Louis Pasteur war. Zugleich wird Pasteur beschädigt - durch Vergleich und Assoziation, was eine Spezialität des NS-Propagandakinos war. In der Arztpraxis wird schon einmal für die folgende Diffamierung Rudolf Virchows geprobt, den uns der Film in der Gesellschaft von Totenschädeln und Skeletten zeigen wird. Dabei kommt auch die Erotik wieder zu ihrem Recht, auf eine besondere Art und Weise.

Skandal: Dr. Ehrlich kuriert die Syphilis

Mittlerweile wurde mehrfach Hellmuth Unger erwähnt. Wer war das also, dieser Dr. Unger, dessen Name in zeitgenössischen Berichten zu Robert Koch immer wieder auftaucht (und nach 1945 nur noch sporadisch)? Dr. med. Hellmuth Unger war gelernter Augenarzt, fühlte sich aber bereits während des Studiums zum Journalismus und zur Schriftstellerei hingezogen. Er schrieb Gedichte, Novellen, Reiseerzählungen, Romane, Berichte über seine Erlebnisse als Soldat im Ersten Weltkrieg, dann auch Lobgesänge auf den Heldenmut deutscher Soldaten im Zweiten. Sein "Buch der Kameradschaft" (Die Männer von Narvik, 1941) dankte ihm der Gebirgsjägergeneral Eduard Dietl, als Held der "Schlacht von Narvik" von Hitler mit dem Ritterkreuz mit Eichenlaub auszeichnet, mit einem Besuch, der sich propagandistisch gut verwerten ließ.

Hellmuth Unger (rechts)

Als großes Vorbild nannte Unger Robert Koch, der die Begeisterung für die Medizin in ihm geweckt habe. Ihm widmete er die erste seiner Arztbiographien. Mit Helfer der Menschheit. Der Lebensroman Robert Kochs gelang Unger 1929 der Durchbruch. Das Buch wurde in 12 Sprachen übersetzt und erreichte eine deutsche Gesamtauflage von rund 350.000 Exemplaren. Um den Langzeiterfolg zu sichern musste Unger das Werk zweimal umschreiben. In der zweiten, erstmals 1936 erschienenen Fassung (Robert Koch. Roman eines großen Lebens) sind die Fremdwörter eingedeutscht, Kochs jüdische Kollegen und Förderer treten nur noch als Figuren ohne Namen auf oder sind getilgt wie Kochs Freund Paul Ehrlich, der 1908 den Nobelpreis für Medizin erhielt. Im Dritten Reich wurde Ehrlich systematisch totgeschwiegen, sein Name von Gedenktafeln und Straßenschildern entfernt. Das haben die Wissenschaft und der Krieg gemeinsam. Die Namen der jüdischen Mitbürger, die 1914/18 gefallen waren, mussten von den Kriegerdenkmälern verschwinden.

In der dritten Fassung von Ungers Sachbuch, die erstmals 1947 und weiterhin unter dem Titel der NS-Version erschien, sind Paul Ehrlich und die anderen jüdischen Wissenschaftler wieder drin. Nach dem Krieg war das ein beliebtes Verfahren. Erfolgsbücher aus der NS-Zeit wurden in entnazifizierten Versionen veröffentlicht, die alten Titel behielt man bei. So tat man, als sei vor 1945 nichts passiert, wofür sich ein Autor schämen musste. Beim Film war es ganz ähnlich. 1950 forderte die FSK die Entfernung einiger allzu offensichtlicher Propagandaelemente, ehe sie Robert Koch wieder freigab. Umgekehrt ging das jedoch nicht. Szenen mit Paul Ehrlich konnte man nicht einfügen, weil sie nie gedreht worden waren.

Robert Koch, der Bekämpfer des Todes

Dessen ungeachtet wurde Robert Koch "ein beliebtes Demonstrationsmittel in medizinhistorischen Vorlesungen" (Ulrike Reim in ihrer Doktorarbeit: Probleme filmischer Darstellung medizinhistorischer Sachverhalte am Beispiel des "Robert-Koch"-Films). Das, was den Studierenden da präsentiert wurde, ist nur leider eine "judenfrei" gemachte Version der Medizingeschichte. Daraus lässt sich lernen, dass Propaganda nicht allein da stattfindet, wo Hetzreden gehalten werden. Auslassungen können viel wirkungsvoller sein. Sehr instruktiv ist ein Vergleich mit Dr. Ehrlich’s Magic Bullet, einer 1940 entstandenen, von William Dieterle inszenierten Warners-Produktion mit Edward G. Robinson als Dr. Ehrlich und Albert Bassermann als Dr. Koch. Dr. Ehrlich träumt von einer "Zauberkugel", die man in die Blutbahn erkrankter Menschen injizieren kann, um die Krankheitserreger gleichsam abzuschießen. Dankenswerterweise hat man nie den Eindruck, dass damit (wie bei Robert Koch) die Feinde außerhalb der Blutbahn gemeint sein könnten.

Ehrlichs Bemühungen zielen tatsächlich darauf ab, kranke Menschen gesund zu machen und nicht etwa darauf, den Volkskörper von störenden Elementen zu befreien. Beide Filme, Magic Bullet wie Robert Koch, erlauben sich Freiheiten im Umgang mit der historischen Wahrheit. Bei Spielfilmen ist das kein Grund zum Vorwurf. Der Vergleich macht aber deutlich, dass man sich beim Erzählen einer Geschichte für das eine oder das andere entscheidet und dass solche Entscheidungen neben der künstlerischen auch eine politisch-ideologische Komponente haben. Ein Film wie Magic Bullet, in dem ein von den Nazis totgeschwiegener Jude als positive Identifikationsfigur auftrat, war für das NS-Regime ein unfreundlicher Akt. Im Kino des Dritten Reichs war so etwas verboten. Das möge bedenken, wer glaubt, dass sich bei den unter der "Schirmherrschaft" von Joseph Goebbels entstandenen Filmen trennscharf zwischen böser Propaganda (die Vorbehaltsfilme) und guter, weil unpolitischer Unterhaltung (der große Rest) trennen lässt. Wie unpolitisch kann ein Kino sein, in dem Juden und andere zu Feinden erklärte Gruppen nur vorkommen, wenn sie schlechte Menschen sind, Popanze oder Leute, die den Helden am Erreichen seiner Bestimmung hindern wollen?

Dr. Ehrlich’s Magic Bullet

Es muss nicht immer Jud Süß sein. Bereits der Verzicht der deutschen Filmindustrie auf jüdische Figuren mit positiven Eigenschaften war ein Beitrag zum Holocaust, weil durch Weglassen das ansonsten verbreitete Zerrbild vom "Juden" als Vergewaltiger, Geldsack und Krankheitserreger gestärkt wurde. Am Ende, auf dem Sterbebett, warnt Dieterles Dr. Ehrlich davor, dass es neben Krankheiten des Körpers auch solche der Seele gibt. Bald werde man den Kampf gegen Epidemien der Gier, des Hasses und der Ignoranz aufnehmen müssen. Ehrlich starb 1915 (im echten Leben) und in einem Film von 1940, weshalb man das auf den Ersten Weltkrieg wie auf das Nazireich beziehen kann. Dessen Arm reichte weit und führte in Hollywood zur Selbstzensur.

1938 sagte Hitler, dass jede wissenschaftliche Entdeckung eines Juden wertlos sei. Der Produzent Hal B. Wallis schreibt in seinen Memoiren, dass das für ihn die Motivation gewesen sei, Dr. Ehrlich’s Magic Bullet zu machen. Die Warner Bros. waren damals das einzige der großen Studios, wo so ein Film überhaupt möglich war. Die anderen reagierten übervorsichtig und brachten einen Brief in Umlauf, in dem davor gewarnt wurde, Ehrlichs Biographie in "politische Propaganda" zu verwandeln, also auf seine jüdische Herkunft hinzuweisen. Sie fürchteten, dass ein Film mit einem eindeutig jüdischen Sympathieträger das NS-Regime zu Gegenmaßnahmen provozieren würde. Das konnte die Geschäfte beeinträchtigen und dem alten Vorwurf Nahrung geben, dass Hollywood jüdisch unterwandert sei. Der Druck der Kollegen zeigte Wirkung. Jack Warner ordnete an, alle Hinweise auf Dr. Ehrlichs Judentum und den Antisemitismus, mit dem er in seinem Leben konfrontiert war, zwar nicht komplett zu entfernen, aber doch stark zurückzunehmen. Wer nicht ganz blind oder taub ist kriegt es trotzdem mit, auch wenn Worte wie Jew oder Jewish nicht mehr vorkommen.

Paracelsus

Die Filmgeschichte hat uns eine schöne Ironie geschenkt. 1943 sahen deutsche Kinogeher in Pabsts Paracelsus, wie der von der Propaganda zum "Arzt der Deutschen" und Vorkämpfer für eine deutsche Wissenschaft verklärte Held einem anderen Propagandaheros, dem an der "französischen Krankheit" leidenden Ulrich von Hutten, sagen muss, dass er ihm nicht helfen kann. Drei Jahre davor, bei Dieterle, hatte der von den Nazis seiner jüdischen Abstammung wegen aus den Geschichtsbüchern gestrichene Paul Ehrlich eine Kur für die Syphilis gefunden (dem echten Ehrlich gelang das 1909), als Chef eines international besetzten Forscherteams und als Repräsentant einer Wissenschaft, die weder völkisch noch rassistisch denkt und nur in der Krankheit ihren Feind sieht, weshalb ihr immer bewusst ist, dass Ärzte primär heilen und nicht Erreger bekämpfen sollten. In Robert Koch ist es umgekehrt.

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