Endlich ein Durchbruch beim Öl?

Ein Gespräch mit Brian Appel von Changing World Technologies

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2003 machte Changing World Technologies Schlagzeilen in den USA und Europa (Besser den Truthahn im Tank als die Taube auf dem Dach): Die Firma wollte aus allem Öl machen. Damals betrieb die Firma eine Anlage, die täglich sieben Tonnen Truthahnreste zu Öl machte - bei einem Preis von 15 $ pro Barrel. Nachdem die größere Anlage, die 238 Tonnen Truthahnreste pro Tag verarbeiten sollte, nicht nach Plan in Betrieb genommen wurde (die Firma sprach von Fehlern beim Bau, die nichts mit der Technologie selbst zu tun hätten), fragten sich manche Skeptiker, ob dies schon wieder so eine Tagesfliege wäre. Aber Ende 2004 funktioniert alles und die neue Anlage ist 80 Prozent ausgelastet. Craig Morris sprach mit Brian Appel, dem Geschäftsführer der Firma, für Telepolis.

Mr. Appel, Ihre Firma machte sowohl in den USA als auch hier in Europa für das Versprechen auf sich aufmerksam, zu wettbewerbsfähigen Preisen aus Abfall Biodiesel herzustellen. Wenn ich Ihre Pressesprecherin richtig verstanden habe, sind sie gerade aus Kanada zurückgeflogen, wo sie gestern den US-Präsidenten George Bush und den kanadischen Premier Paul Martin getroffen haben.

Brian Appel: Auf Einladung des Premiers.

Ihre Firma ist also durchaus ernst zu nehmen und nicht schon wieder eines der Unternehmen, die uns endlose Energie verspricht und morgen Insolvenz meldet.

Brian Appel: Wir haben 90 Millionen Dollar in diese Firma investiert. Andere Technologien verschwinden über Nacht, weil alles im Labor klappt, aber nicht auf der nächsthöheren Ebene. Man braucht mehr als nur Forscher. Man muss alles in Betracht ziehen: von der Logistik bis hin zu den Finanzen.

Wir haben mit einer großen Lebensmittelfirma zusammengearbeitet, die daran interessiert war, den ganzen Abfall aus der Lebensmittelproduktionskette zu verwerten, ohne ihn wieder zu Tierfutter zu verarbeiten. Wenn die ganze Produktionskette nachhaltiger werden soll, dann muss man auf diese Weise vorgehen. Als wir dann von der 7-Tonnen-Anlage in Philadelphia zu der 250-Tonnen-Anlage in Carthage/Missouri wechselten, musste alles neu ausgelegt werden.

Nehmen wir einmal die einzige andere Erfolgsgeschichte unter den Biotreibstoffen in den USA als Beispiel: das Ethanol. Manche sagen, das sei gar keine Erfolgsgeschichte, weil es ohne Subventionen nicht auskommt. Aber es ist ein Zusatzstoff für Benzin, während wir einen synthetischen Diesel herstellen. Nur: Das Ethanol hat eine Vorlaufzeit von 30 Jahren. Unsere Anlage in Missouri ist die erste kommerzielle Anlage seiner Art. Und wir tüfteln noch an vielen Stellen, um die Leistung zu verbessern. Ich bin mir auch sicher, dass die nächsten Anlagen, die wir bauen, sich leicht von dieser unterscheiden werden.

Wo werden diese Anlagen entstehen? Werden dort auch die Reste von Truthähnen verarbeitet?

Brian Appel: In aller Wahrscheinlichkeit wird dort Rind verarbeitet. Die nächste Anlage wird wahrscheinlich auf den britischen Inseln gebaut. Sie erinnern sich, dass die britischen Inseln eine große Rolle in der Verbreitung von BSE gespielt haben. Nun gibt es viel strengere Vorschriften für die Eingabe-Seite der Essenskette dort. Europa schützt seine Lebensmittel-Produktionsketten, weshalb wir auch bezahlt werden, um die Reste von Rindern zu "entsorgen". In den USA würde man uns dafür nicht bezahlen, weil die Bauern solche Reste immer noch an die Futtermittelindustrie zur weiteren Verarbeitung verkaufen kann.

Und dann gibt es die Ausgabe-Seite. Wie Sie wissen, muss laut einer EU-Richtlinie mehr Biotreibstoff produziert werden. In den USA werden vor allem Sojabohnen und Mais auf diese Weise subventioniert. Hinzukommt, dass wir ein Nebenprodukt als Düngemittel verkaufen können, weil die Vereinigten Staaten begonnen haben, die Biolandwirtschaft zu unterstützen. In Europa könnten wir diese Düngemittel nicht so teuer verkaufen, weil fast die ganze Landwirtschaft biologisch ist.

Ach, wir haben gar nicht so viel Biolandwirtschaft hier.

Brian Appel: Im Vergleich zu dem, was wir in den USA machen, ist die europäische Landwirtschaft schon biologisch. Fast der ganze Rest der Welt betreibt eine normale Landwirtschaft im Vergleich zu dem, was wir tun. Deshalb bekomme ich einen guten Preis, weil immer mehr Amerikaner Bioprodukte kaufen wollen. Wenn ich nach Europa gehe und diese Düngemittel verkaufe, darf ich dafür keine höheren Preise erwarten als für normale Düngemittel.

Zugegebenermaßen hätte Ihre Firma keinen Erfolg ohne richtiges Management, also Logistik, Finanzen, usw. Aber ich glaube, die meisten Menschen sind daran interessiert, dass die Technologie dahinter tatsächlich funktioniert. Als ich das erste Mal gehört habe, was sie vorhaben, habe ich nur die Augen verdreht: Sie wollten den ganzen Vorgang der Entstehung von Erdöl auf 15 oder 30 Minuten beschleunigen.

Brian Appel: Im Hauptreaktor dauert der Vorgang rund 15 bis 20 Minuten. Aber Sie schmeicheln mir. Wir sind gar nicht der Meinung, dass unsere Prozesse so kompliziert sind.

Wieso ist denn keiner zuvor auf diese Idee gekommen?

Brian Appel: Wir hatten Leichtöl in Hülle und Fülle. Früher konnte man in Texas einen Strohhalm in die Erde stecken, und herauskam leichtes Erdöl - das kann man heute in Saudi Arabien immer noch machen. Aber gerade das leichte Öl wird immer knapper, weshalb wir heute immer mehr Schweröl verbrennen.

Zweitens können wir mittlerweile auf 150 Jahre zurückblicken, um zu sehen, was die Auswirkungen der Verbrennung dieses ganzen fossilen Öls sein werden. Und seit den 60er und 70er Jahren wächst die Umweltbewegung. In den USA schrieb Rachel Carson "Der stumme Frühling", und in Europa wurden die Grünen gegründet, usw. Nachdem man also anfangs das Problem schlicht verleugnet hat, haben wir in den letzten 40 oder 50 Jahren angefangen, darüber nachzudenken, wie wir nachhaltiger wirtschaften können und welche Lösungen es für unseren Abfall gibt.

Das heißt, dass man jetzt erst nach solchen Technologien sucht?

Brian Appel: Sicher, aber wir dürfen nicht übersehen, dass man vieles schon vor 100 Jahren erfunden hatte, gerade in Deutschland. Einige der Sachen waren wirklich unglaublich. Und zu früh entdeckt.

Das beste Beispiel ist wohl die Brennstoffzelle, deren Grundform schon 1838 erfunden wurde.

Brian Appel: Richtig. Aber die Zeit war nicht reif. Seit langem verwendet man die Pyrolyse, aber diese hat ein sehr dreckiges Nebenprodukt. Die Ölfirmen beschweren sich über die Qualität des durch Pyrolyse gewonnenen Öls und kaufen es nicht. Und die Stromversorger kaufen es nicht wegen der Emissionen.

Umgekehrt wird ein Schuh draus, dachten wir, und wir fingen bei den Anforderungen an. Was muss man tun, um die Leistungsanforderungen für Motoren zu erfüllen? Dann haben wir unseren Hauptreaktor um nachgelagerte Reformierungsstufen erweitert. Das machen die Raffinerien auch: Sie nehmen das Erdöl, entsalzen es, trennen das leichte vom schweren Öl, usw. Das kann man nicht in ein oder zwei Stufen machen.

Sie sprechen von Motoren. Dabei denken die meisten Menschen an Autos und LKWs. Aber Ihre Firma verkauft das meiste Öl an einen Stromversorger. Gibt es irgendeinen Unterschied zwischen diesem Motor, der Strom erzeugt, und einem normalen Dieselmotor in einem Auto? So wie Sie das gerade erklärt haben, gehe ich davon aus, dass Sie für fast alle Vorgaben Biodiesel produzieren können.

Brian Appel: Die Energieversorgungsunternehmen in den USA müssen bestimmte Quoten für erneuerbare Energien erfüllen (sogenannte "renewables portfolio requirements"). Man bekommt also 1,75 Cent pro Kilowattstunde für "grünen" Strom steuerlich gutgeschrieben. Bei uns ist die Erklärung ganz einfach: Die Firma, die uns beim Pilotprojekt mitfinanziert hat, brauchte einfach mehr Strom in seinem Portfolio für Erneuerbares. Außerdem hat es einen Vorteil, wenn man mit stationären Motoren wie Generatoren zuerst arbeitet: Dort sieht man leichter, wie alles langfristig funktioniert, von Emissionen bis hin zum Verschleiß an Dichtungen, Filtern, usw.

Ich frage explizit danach, warum Ihr Biodiesel vorwiegend zur Stromerzeugung verwendet wird, weil es einen weit verbreiteten Irrtum gibt: Viele wollen mehr Solarenergie und Windkraft, weil uns das Öl ausgeht. Man übersieht aber dabei, dass man aus der Windkraft Strom macht und aus der Solarenergie Strom und Wärme. Wenn das Öl knapp wird, brauchen wir aber einen neuen Treibstoff. Deshalb ist das Potenzial der Biomasse, also auch das Potenzial Ihrer Firma, so wichtig.

Brian Appel: Wir arbeiten zusammen mit den drei großen Autokonzernen. Zur Zeit arbeiten wir mit DaimlerChrysler zusammen, um einen Treibstoff zu entwickeln. Aber wir arbeiten auch an einer Lösung, um den Sektor der schweren Treibstoffe sauberer zu machen, wo die Emissionen am höchsten sind.

Zur Zeit haben wir das Problem, dass die Motoren langsam für diese neuen Biotreibstoffe umgerüstet werden müssen. Zum Beispiel, wenn man Biodiesel in kalten Regionen benutzt, stellt man unter Umständen fest, dass der Treibstoff in den Leitungen nicht mehr fließt. Dann fängt man an, sich über diesen schlechten Treibstoff zu beschweren, obwohl er gar nicht schlecht ist. Man muss nur wissen, wie man ihn richtig nutzt. Ich fürchte, dass der ganze Hype momentan um die Biotreibstoffe nach hinten losgehen könnte. Wenn wir also eine Mischung in einem stationären Motor verwenden, können wir den langfristigen Betrieb besser untersuchen.

Ich arbeite intensiv mit dem DESC (Defense Energy Support Center) zusammen, dem größten Abnehmer von Treibstoffen weltweit - also dem US-Militär. Wir möchten auch gerne, dass die Post mit Biotreibstoffen fährt, dass so viele wie nur möglich mitmachen. Es gibt auch viele andere Firmen, die wie wir an synthetischen Kohlenwasserstoffen arbeiten, die als Übergang zur nächsten Ebene dienen könnten - jenseits von Ottomotoren, die viele meiner Meinung nach am liebsten abschaffen würden.

Und die nächste Ebene wäre dann die Brennstoffzelle?

Brian Appel: Ich selbst glaube nicht, dass das möglich ist. Im Moment wird der Wasserstoff vor allem aus Erdöl und Kohle gewonnen. Es gibt also viel Hype.

Uns geht es vielmehr um folgendes: Wir wollen den Müll beseitigen, einen sauberen Treibstoff herstellen und die globale Erdeerwärmung aufhalten, indem wir dafür sorgen, dass weniger Energie aus der Erde herausgegraben werden muss. Wenn uns das gelingt, steigt unser Lebensstandard, die Luft der sauberer, und unser Lebensstil wird nachhaltiger.

Ich danke Ihnen für das Gespräch.