Energiesparen am Stromzähler
Kalifornien könnte zum Vorbild für die Senkung des Stromverbrauchs durch elektronische Stromzähler mit zeitaktueller Verbrauchsanzeige werden
Die Privathaushalte in Deutschland erhalten nur einmal pro Jahr eine Stromrechnung, die deshalb keinen genauen Einblick in den täglichen Verbrauch gibt. Aus dem Rechnungsbetrag ist es unmöglich, den Strombedarf einzelner Haushaltsgeräte oder den Einfluss umweltbewussten Verhaltens zu erkennen. Die unterschiedlichen Preise von Elektroenergie aus Atomkraft, Kohle, Erdgas oder erneuerbaren Quellen werden ebenfalls nicht angegeben.
Die Stromversorgung ähnelt somit einem Supermarkt ohne Kassen, in dem das Gesamtgewicht aller Waren den Endpreis bestimmt. Kartoffeln kosten pro Kilogramm genauso viel wie Kaviar. Auch wenn man dort täglich einkauft, wird erst zum Jahresende abgerechnet. Um seine laufenden Ausgaben zu kontrollieren, muss der Kunde selbst Buch führen. Er kann aber auch dann den Preis der einzelnen Produkte niemals erfahren.
Dieses System ist ungeeignet, den Kunden aktiv an einer Verringerung des Energieverbrauchs zu beteiligen. Im US-Bundesstaat Kalifornien hingegen soll bald jeder Stromzähler zeitaktuelle Tagespreise anzeigen. Die Nutzung bestimmter Elektrogeräte kann somit vom Kunden auf kostengünstige Stunden verlagert werden. Auf diese Weise lassen sich ganze Kraftwerke einsparen, weil der Verbrauch zu Zeiten steigender Stromkosten von den Kunden reduziert wird.
Der Betrieb von Klimaanlagen, Wärmepumpen und einzelne Maschinen kann zudem bei drohender Netzüberlastung durch den Energieversorger unterbrochen werden. Die an diesem Programm beteiligten Haushalte und Gewerbeunternehmen erhalten einen niedrigeren Strompreis, da der Versorger keine zusätzliche Elektroenergie für sie einkaufen muss.
Im Hinblick auf die absehbare Markteinführung von intelligenten Haushaltsgeräten (“smart appliances”) werden auch viele Zähler mit einer universellen Datenschnittstelle ausgestattet. Eine Zugriffsmöglichkeit des Stromversorgers auf den Raumthermostaten ist in Kalifornien schon ab 2008 für alle ausgetauschten und neu eingebauten Zähler vorgeschrieben, um den Bedarf nach Heiz- und Kühlungsenergie zentral steuern und begrenzen zu können.
Eine elektronische Displayeinheit im Wohnzimmer zeigt den laufenden Stromverbrauch an. Die Werte können mit einem internen Energie- und CO2-Budget verglichen werden, das entweder von Kunden aufgestellt oder automatisch aus Erfahrungswerten eingerichtet wird. Dadurch kann das eigene Verbrauchsverhalten als Trendentwicklung bewertet werden, um daraus Regeln für einen sparsameren Umgang mit Elektroenergie zu liefern.
Bei einem neuen Zählermodell wird die Stromrechnung vom Gerät selbst ausgestellt, um so den Datenverkehr mit dem Versorger einzuschränken. Dieses Verfahren verhindert fremde Einblicke in den Tagesablauf eines Haushalts und entlastet den Versorger, weil keine umfangreiche Datenspeicherung für die Rechnungslegung erfolgen muss. Nach Wunsch kann der Zähler den anfallenden Rechnungsbetrag automatisch überweisen lassen.
Per Anordnung der kalifornischen Staatsregierung sollen die CO2-Gesamtemissionen bis 2020 auf den Stand von 1990 gesenkt werden, obgleich in diesem Zeitraum mit einem 46%igen Bevölkerungszuwachs gerechnet wird. Während die Emissionen aus dem Straßenverkehr einen Schwerpunkt der neuen Klimastrategie bilden, gelten auch besonders strenge Vorschriften für die Energiewirtschaft. Ab 2007 dürfen die Versorger nur noch Stromlieferungen mit einem Emissionswert geringer als 500 Gramm CO2 pro Kilowattstunde neu vereinbaren. Konventionelle Kohlekraftwerke können diese Anforderung nicht erfüllen. Der Preis für Strom aus weniger belastetem Erdgas ist aber zu teuer, um alle Versorgungsaufgaben zu übernehmen.
Die kalifornische Zählertechnik wird für alle Haushalte gesetzlich vorgeschrieben
Windräder und Solaranlagen sind andererseits bei Versorgungsengpässen schon mit Erdgaskraftwerken konkurrenzfähig, sofern überhaupt der Wind weht und die Sonne scheint. Aufgrund ihres CO2-freien Betriebs ist ihre Nutzung für den Klimaschutz unerlässlich. Die Unstetigkeit dieser umweltfreundlichen Energieanlagen kann durch Preissignale an den Kunden teilweise ausgeglichen werden. Wird überschüssiger Strom aus Biomasse, Wind-, Solar- und Wasserkraft am Stromzähler verbilligt angeboten, könnten dann einzelne Haushaltsgeräte wie z. B. Wäschetrockner oder Bügeleisen eingeschaltet werden.
Ein ähnliches Verfahren soll in Zukunft zur Wiederaufladung von neu entwickelten Hybrid-Autos mit Netzanschluss verwendet werden. Es ist dabei unerheblich, zu welchen nächtlichen Stunden der Ladevorgang erfolgt, solange das Fahrzeug am nächsten Morgen mit ausreichend viel Elektroenergie aus dem Netz versorgt worden ist. Dieses Zukunftsauto benötigt einen eigenen Stromzähler mit bis zu drei Tarifstufen für das Aufladen der Bordbatterie, für die Entladung zur Entlastung des Stromnetzes und für die Nutzung des Elektrogenerators am Motor zur Netzeinspeisung. Dadurch könnten eines Tages Millionen von Hybridautos zu einem dezentralen Bestandteil der netzgebundenen Energieversorgung werden.
Viele der bislang in Europa vorgestellten “intelligenten Stromzähler” kommunizieren ständig über DSL-Anschluss mit dem Energieversorger. Die daraus gewinnbaren Erkenntnisse über das jeweilige Konsumverhalten stellen einen besonderen Kritikpunkt für Verbraucherschützer dar. Darüber hinaus ist das Verfahren relativ energieintensiv, weil der eigene Heimrechner als Datenmonitor dienen soll. Zur zeitaktuellen Anzeige des Stromverbrauchs müssen PC und Bildschirm ständig in Betrieb sein. Die erzielbaren Einsparungen müssen deshalb den relativ hohen Strombedarf des Computers übertreffen, um den Gesamtaufwand überhaupt zu rechtfertigen.
Da die kalifornische Zählertechnik für alle Haushalte gesetzlich vorgeschrieben wird, kann weder DSL noch Computer generell vorausgesetzt werden. Durch die ständige Anzeige des Verbrauchs sowie täglich empfangener Preisinformationen an der zählereigenen Displayeinheit stellt sich sparsames Verhalten durch Kundeninteraktion ein. Die allgemeine Umrüstung auf diese ressourcenschonende Technik wird in Kalifornien weniger Zeit in Anspruch nehmen, als der sonst erforderliche Bau neuer Kraftwerke.
Die Zähler können über einen Internetanschluss miteinander kommunizieren und somit die Bildung eigenständiger Stromeinkaufgemeinschaften ermöglichen. Der Energieverbrauch der beteiligen Haushalte lässt sich dabei untereinander vergleichen, um das jeweils vorhandene Energiesparpotential aufzuzeigen. Durch die Kombination eines kostenreduzierten Stromeinkaufs und der Einsparwirkung der Datenanalysen können die Kosten für den Haushaltsstrom auf ein technisch erreichbares Minimum gedrückt werden.
Die Bildung entsprechender Stromzählergenossenschaften wird in Deutschland durch § 21b des Energiewirtschaftsgesetzes erleichtert. Es ist demnach jedem Verbraucher erlaubt, seinen eigenen Zähler durch qualifizierte Dritte einbauen, warten und ablesen zu lassen. Private Dienstleistungsfirmen können somit die Betreuung des Zählers übernehmen, die preiswertesten Stromangebote für ihre Kunden vermitteln und gemeinsame Einsparstrategien umsetzen.
Durch die elektronische Anzeige des aktuellen Verbrauchs wird umweltgerechtes Nutzungsverhalten in jedem Haushalt gefördert. In einer 2003 veröffentlichen Analyse von weltweiten Abrechnungspraktiken hat das britische Centre for Sustainable Energy festgestellt, dass eine monatliche Abrechnung den Stromverbrauch bereits um 5 bis 10% reduzieren kann. Der Grund dafür ist die häufige Rückkopplung von Nutzungs- und Kosteninformationen an den Konsumenten. Bei einer Jahresabrechnung ist es hingegen unmöglich, einen unerwartet hohen Energieverbrauch selbst auf die dafür verantwortliche Jahreszeit einzuordnen. Die Verfügbarkeit von elektronischen Stromzählern mit zeitaktueller Verbrauchsanzeige kann nun endgültig diesen technologischen Rückstand beseitigen.