Entschärfungsversuch für Terror und Antiterror auf andere Art

Subcomandante Marcos will mit dem umstrittenen spanischen Ermittlungsrichter Garzón über eine friedliche Lösung des baskischen Konflikts sprechen, fordert Waffenstillstand von der ETA und Gespräche aller Beteiligten

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Nach einem Hin und Her offener Briefe erklärte sich Subcomandante Marcos zu einem Gespräch mit Ermittlungsrichter Baltasar Garzón bereit. Parallel sollen im Baskenland alle am Konflikt Beteiligten über eine Lösung reden. Die ETA soll dafür ihre Waffen ab dem 24.12. für ein halbes Jahr ruhen lassen.

Subcommandante Marcos

Alles begann am 12. Oktober in den Bergen im Südosten von Mexiko, in Chiapas. Am Tag der Hispanität (bis 1977 noch Tag der Rasse), während in Spanien das umstrittene Gesetz zur Kontrolle des Internet (LSSI) in Kraft trat, schrieb Subcomandante Marcos, Führer der Zapatistischen Befreiungsarmee (EZLN) einen offenen Brief über die Situation der Basken. In dem Schreiben, später in der mexikanischen Tageszeitung La Jornada veröffentlicht, verteidigt Marcos deren Selbstbestimmungsrecht in seiner gewohnt blumigen Sprache und greift den umstrittenen spanischen Ermittlungsrichter Baltasar Garzón scharf an (Europäischer Haftbefehl wirft Schatten voraus).

Er wirft dem "grotesken Clown" vor, einen" Staatsterrorismus voranzutreiben, dem keine aufrechte Frau und kein aufrechter Mann zusehen kann, ohne sich zu empören". Wegen des Verbots quasi aller politischen Organisationen der linken baskischen Unabhängigkeitsbewegung ist Marcos der Meinung: "Ja, der Clown hat den politischen Kampf der Basken verboten" und führt das auf mehreren auch literarisch lesenswerten Seiten aus.

Wegen der Vorwürfe des angesehenen Marcos und der Reputation, die Garzón wegen der Anklage gegen den chilenischen Diktator Pinochet in Lateinamerika zu verlieren hat (Spanien - gleichzeitig Ankläger und Verteidiger von Pinochet?), sah dieser sich zu einer Antwort herausgefordert. Dessen Antwort wurde am 6. Dezember in der mexikanischen Zeitung El Universal veröffentlicht. Darin spricht er Marcos jede persönliche und politische Legitimität ab.

"Sie brauchen sich Ihre Maske gar nicht mehr abzunehmen, denn sie haben sich schon demaskiert: Sie glauben weder an die essentiellen Menschenrechte noch an die Demokratie, geschweige denn an die zivilen Rechte ihres Volkes."

Garzón begründet dies mit der Tatsache, dass in dem Schreiben von Marcos keine "Zeile an die Opfer des Terrorismus" zu finden sei. Garzón betont, in "Spanien werden keine Ideen verboten oder jemand dafür verfolgt, was er denkt, glaubt oder worin er in seiner Meinung abweicht".

Dabei baut Garzón seine Argumentation wie seine Verbotsbegründungen auf: Er setzt die Organisationen der linken Unabhängigkeitsbewegung einfach mit der bewaffneten Separatistenorganisation ETA gleich. Beweise dafür ist er aber noch in jedem Verfahren schuldig geblieben. Zudem hat Marcos ausdrücklich zweideutig vom "politischen Kampf" gesprochen. Was ist die unrechtmäßige Inhaftierung einer gesamten Parteiführung oder was sind unrechtmäßige Verbote von Medien durch Garzón anderes als die Verfolgung von Meinung?

Großzügig bietet Garzón in seinem Brief an: "Wenn Sie wollen, können wir uns ohne Masken und direkt miteinander über Terrorismus auseinander setzen." Den Fisch einmal am Haken, zieht Marcos die Leine sofort an und nimmt die "Herausforderung" an. In dem Schreiben, das erneut in La Jornada veröffentlicht wurde, macht er Nägel mit Köpfen: Das Streitgespräch soll zwischen dem 3. und 10. April 2003 auf der Insel Lanzarote stattfinden. Garzón soll die dafür nötigen Sicherheiten bei den Regierungen Mexikos und Spaniens einholen. Da er herausgefordert worden sei, stelle er auch die nicht "verhandelbaren" Bedingungen "gemäß den Regeln" unter "Ehrenmännern".

Dazu gehört, "dass parallel zu dem Treffen, aber nicht gleichzeitig, im Baskenland eine Debatte unter allen politischen, sozialen und kulturellen Gruppen über das baskische Problem stattfinden soll." Garzón solle dazu beitragen, dass die spanische Regierung für eine Entspannung der Lage sorgt. An dem Treffen will auch Marcos, wenn auch nur als Zuhörer, teilnehmen: "Das Thema liegt ausschließlich in der Kompetenz der Basken".

Marcos fordert dafür von der ETA in einem Brief eine Waffenruhe von 177 Tagen, die am 24. Dezember beginnen soll. Darin verurteilt er ausdrücklich deren bewaffnete Aktionen gegen Zivilpersonen. In einem weiteren Schreiben richtet sich Marcos an die baskische Zivilgesellschaft mit der Aufforderung, die Konferenz unter dem Motto "Wege im Baskenland" vorzubereiten. Falls Marcos in dem Streitgespräch unterliege, habe Garzón das Recht ihn zu demaskieren und der "spanischen Justiz zur Folter zu übergeben (so wie auch die Basken gefoltert werden, wenn sie verhaftet werden".