Entstehung von Hybridgebilden

Seite 4: Ausblick: Auffächerung der Anwendungen und wachsende Macht synthetischer Daten auf allen Lebensfeldern

Angenommen werden kann jedenfalls, dass die Stoßrichtung drei nicht primär auf die Verbindung zwischen menschlichen und tierischen Gehirnen zielt, wie im chinesischen Experiment vorgeführt. Denn das würde letztlich wenig Sinn machen. Tiere durch menschliche Gedanken zu kontrollieren, wird eher ein Seitenziel der instrumentellen Entwicklung bleiben.

Denn Roboter sind in wenigen Jahren viel effizienter als Tiere einsetzbar, sind flexibler und können auch mehr im Sinne semi-autonomer Entscheidungsfindung und Handlung.

Man sehe zum Beispiel nur die jüngste Generation von Zivil- und Militärrobotern der US-Firma Boston Dynamics, die neue Dimensionen nicht nur der mechanischen Befähigung, sondern auch der – innerhalb eines relativ weiten Rahmens – offenen Handlungsausrichtung ermöglichen.

Schon deshalb dürfte der eigentliche Sinn der Direktverbindung zwischen Gehirnen nicht an der Mensch-Tier-Schnittstelle, das heisst nicht im Trans-Spezies-Bereich liegen. Die Direktverbindung zielt vielmehr in letzter Instanz offenbar auf die Verbindung zwischen zwei oder mehreren menschlichen Gehirnen: auf das "Gemeinsamdenken von Gedanken".

Das wäre, so die an Zahl zunehmenden Techno-Idealisten, die naturwissenschaftlich-technische Realisation des – bereits seit dem 19. Jahrhundert tatsächlich bestehenden – Traums von einer gemeinsamen menschlichen Noosphäre etwa eines Teilhard de Chardin und von anderen Vertretern der philosophischen und theologischen Anthropologie.

Allerdings würde das, soweit derzeit erkennbar, in der schönen neuen Technik-Mensch-Verschaltungs-Welt ohne ausreichende ethisch-humanistische Erwägungen, Eingrenzungen und Ziele erfolgen. Was einen ebenso großen Möglichkeiten- wie Problemraum eröffnet, von dem heute im deutschsprachigen Raum noch viel zu wenig die Rede ist.

Kapillare Robotisierung

Intelligente, zunehmend KI-ausgestattete Roboter werden in den kommenden Jahren jedenfalls immer mehr Bereiche durchdringen – auch auf der Meso- und Mikroebene, zum Beispiel in Wasserleitungen ständig aktiv sein. Spätestens seit Russlands Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 wurden auch militärische und Sicherheitsanwendungen von anthropogener KI wieder als "essentiell" erkannt.

Boston Dynamics "baut derzeit eine KI-Roboter-Armee". Im November 2022 hat das Stadtparlament (der 11-köpfige Board of Supervisors) der Metropole San Francisco entscheiden, teil-autonome "Killer-Roboter" zu Polizeizwecken grundsätzlich zuzulassen, weil das unter bestimmten Umständen "sicherer" als der Einsatz menschlicher Polizisten sein könne.

Insgesamt stellt das Zusammenwachsen von KI, Menschen und Robotik eine noch weitgehend unbewältigte Neuerung dar – die in den kommenden Jahren jährlich stärker ins Gesichtsfeld treten wird. Die bereits heute bestehende Menschenähnlichkeit der neuen Generation von AI-Robotern erschreckt nach eigener Aussage sogar Zukunftsvisionäre wie Elon Musk.

Dabei hat seine Firma Tesla just im Oktober 2022 selbst ihren humanoiden Roboter "Optimus" vorgestellt, der die Grundlage für weitere "Revolutionen" qualitativer und quantitativer Anwendungsart der KI-Mensch-Robotik-Schnittstelle bilden soll.

Politische Implikationen zwischen offenen und autoritären Gesellschaftserwägungen sind nicht nur bei solchen Einzelentwicklungen, sondern im Ganzen – das heisst bei allen drei angeführten Stoßrichtungen an der KI-Mensch-Robotik-Schnittstelle – gegeben. Ein Regime, das auf seine Weise mit Elon Musks Neuralink-Idee arbeiten könnte, jedem Menschen kleine elektrische Drähte einzupflanzen, um seine Gehirnaktivitäten mit Maschinen, Computer und KI zu verbinden, könnte zum Beispiel China sein.

Wie andere expandierende autoritäre Regierungen ist auch die Herrschaft von Xi Jinping bestrebt, neue Technologien für ihre Zwecke der Kontrolle und Unterdrückung zu nutzen. So setzt sie bereits heute bewusstseinslesende enzephalographische Technologie ein, um ausgewählte Berufsgruppen – wie zum Beispiel Lokomotivführer – systematisch in ihren Gehirnaktivitäten zu scannen.

Experten nennen dies "Brain Data Mining", welche das chinesische Regime bereits heute industriell betreibt. Ziel ist es, nicht nur die Psyche von stark Arbeitsbelasteten auszuloten, um sie präventiv zu steuern, sondern – weit darüber hinaus – so viel wie möglich über das menschliche Gehirn und die damit verbundene Innerlichkeit der Menschen überhaupt zu erfahren, um damit von Regierungsseite zu arbeiten, unter anderem mit dem massiven Einsatz von Auswertungs-KI.