Erschwerter Zugang zur Klimakonferenz

Kohle-Kraftwerk Datteln IV. Bild: Maschinenjunge/CC BY-SA-3.0

Die Energie- und Klimawochenschau: Von gefährdeten Küstenregionen, einer Klimaklage und fragwürdigen Entschädigungsforderungen für Kohlekraftwerke

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Nun ist es offiziell: Die 25. Weltklimakonferenz (COP25) wird vom 2. bis zum 13. Dezember in der spanischen Hauptstadt Madrid stattfinden. Die chilenische Regierung hatte die für denselben Zeitraum in Santiago de Chile geplante Konferenz aufgrund der anhaltenden Unruhen im Land kurzfristig abgesagt. Die Verlegung stellt nicht nur das Gastgeberland und die Stadt Madrid vor enorme Herausforderungen, sondern auch diejenigen, die eine Teilnahme an der Konferenz geplant hatten.

Nichtregierungsorganisationen wie Action Aid International befürchten, dass viele Vertreter des globalen Südens aufgrund von Kosten und logistischer Schwierigkeiten nicht werden anreisen können: "Das Verlegen der COP25 von Chile nach Madrid nur vier Wochen im Voraus stellt eine Barriere für die Beteiligung der Länder des globalen Südens sowie der Zivilgesellschaft dar. Hotels in Madrid sind bereits ausgebucht. Last-Minute-Flüge sind teuer und Visa kurzfristig nur schwer zu erlangen.

Diese plötzliche Entscheidung wird wahrscheinlich die Kräfteverhältnisse zugunsten der reicheren Länder des globalen Nordens verschieben", erklärt Harjeet Singh von ActionAid. Die Anwesenheit von Vertretern des globalen Südens sei aber notwendig, um über den Ausgleich von Verlusten und Schäden (Loss and Damage) durch den Klimawandel zu verhandeln und die Interessen der betroffenen Länder gegenüber den Industrienationen stark zu machen.

Die Organisation Climate Action Network befürchtet zudem, dass die Absage der Klimakonferenz in Santiago für die gegen die neoliberale Regierungspolitik Prostestierenden in Chile eine noch stärkere Repression bedeuten könnte, da das Land damit weniger im Fokus der Weltöffentlichkeit stehen würde. Nach Angaben der Menschenrechtsinitiative Defensoría Jurídica der Universidad de Chile sind durch das Vorgehen der Regierung gegen die Proteste bereits 20 Menschen gestorben, über 400 erlitten Schussverletzungen, hinzu kämen Fälle von Folter und Misshandlungen. Zudem würden mindestens 13 Personen vermisst.

Küstenregionen liegen tiefer als angenommen

Für Schlagzeilen sorgte in der vergangenen Woche auch ein Bericht von Climate Central, wonach bis zum Jahr 2050 bis zu 300 Millionen Menschen von Überflutungen durch den Anstieg des Meeresspiegels betroffen sein würden. Bis zum Jahr 2100 könnte die Heimat von 200 Millionen Menschen permanent unterhalb des Meeresspiegels liegen.

Diese Zahlen sind nicht etwa darauf zurückzuführen, dass der Meeresspiegel stärker steigt, als bislang angenommen, sondern darauf, dass bisher verwendete Satellitendaten nicht die exakte Höhe von Küstenregionen wiedergaben. Nach dem von Climate Central verwendeten Modell liegen die Küstenregionen jedoch im Schnitt um zwei Meter niedriger. In den vielfach verwendeten Satellitendaten der NASA würde die tatsächliche Landhöhe überschätzt, da die Messungen im Falle von Bewaldung die Höhe des Blätterdachs oder im Fall von Städten die Höhe von Gebäuden wiedergeben würden.

Korrigiert man diesen Effekt, so sind die zu erwartenden Überflutungen vor allem im asiatischen Raum verheerend. Dicht besiedelte Regionen um Dhaka in Bangladesch, Shanghai in China und Kalkutta in Indien seien weiten Teils von jährlichen Überflutungen bedroht. Bis 2100 könnte in Asien der Lebensraum von 151 Millionen Menschen permanent unter Wasser stehen, aber auch andere Länder auf allen Kontinenten sowie zahlreiche Inselstaaten seien betroffen.

Der Bericht von Climate Central beschäftigt sich nicht mit den unterschiedlichen sozialen Folgen der prognostizierten Überflutungen. Aber er macht deutlich, dass die Industrienationen als Hauptverursacher des ansteigenden Meeresspiegels im Prinzip sehr hohe Summen in einen Fonds für Schäden und Verluste einzahlen müssten. Manche Prognosen gehen von Überflutungsschäden zwischen 14 und 27 Billionen US Dollar pro Jahr zum Ende des Jahrhunderts aus. Dabei geht es nicht nur um direkte physische Schäden, sondern die Zerstörung ganzer Küstenökonomien.

Klimaklage abgewiesen

Verglichen mit dem, was Küstenbewohner ärmerer Länder schon heute zu erleiden haben und was ihnen bevorsteht, mögen die Schäden durch den Klimawandel hierzulande noch vergleichsweise harmlos aussehen. Doch auch hier haben Land- und Forstwirte durch die letzten beiden Dürresommer extreme Einbußen erlitten.

Drei Familien, die in Deutschland von ökologischer Landwirtschaft leben, hatten im Herbst 2018 Klage gegen die Bundesregierung eingereicht, da sie nicht genug tun würde, um das Klimaziel für 2020 zu erreichen. Als Betroffene des Klimawandels sahen sich die Familien in ihren Grundrechten verletzt. In allen drei Fällen sei die Existenzgrundlage der Familie durch den Klimawandel gefährdet: etwa auf der Insel Pellworm durch den steigenden Meeresspiegel, im Obstbau im Alten Land durch eingewanderte Schädlinge und in Brandenburg durch die zunehmende Dürre.

Die von Greenpeace unterstützte Klage der drei Familien wurde nun am 31. Oktober in erster Instanz vom Verwaltungsgericht Berlin abgewiesen. Das Gericht betrachtete die Klage als unzulässig, da das im Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 festgelegte Ziel "keine rechtsverbindliche Regelung mit Außenwirkung" enthalte. Zudem sei die Einhaltung per Kabinettsbeschluss bis zum Jahr 2023 hinausgeschoben worden.

Die Anwältin der Klage, Roda Verheyen, wertete allerdings als Teilerfolg, dass das Gericht festgestellt hatte, dass überhaupt Grundrechte von Bürgerinnen und Bürgern durch die Folgen der Erderwärmung verletzt sein können.

Zudem hat das Gericht die Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Die Klägerinnen und Kläger beraten nun, ob sie tatsächlich in Berufung gehen wollen.

Netzanschluss von Datteln 4 geplant

Streitigkeiten gibt es auch weiterhin um das Steinkohlekraftwerk Datteln 4. Aus Presseberichten vergangener Woche geht hervor, dass der Energiekonzern Uniper den Block mit einer Leistung von 1100 Megawatt zum Sommer nächsten Jahres regulär in Betrieb nehmen möchte. Zuvor war mit dem Bundeswirtschaftsministerium darüber verhandelt worden, das Kraftwerk gegen Zahlung einer Entschädigung nicht in Betrieb zu nehmen. Genauere Informationen dazu gibt es derzeit aber weder von Seiten Unipers noch des Wirtschaftsministeriums.

Bis Ende November wird mit einem Beschluss zum Ausstieg aus der Steinkohle gerechnet, wovon wohl abhängen wird, ob Datteln 4 ans Netz gehen darf. "Das wäre ein Angriff auf den mühsam ausgehandelten Kohle-Kompromiss", sagt der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger, der mit in der Kohlekommission vertreten war. "Die Bundesregierung würde sich damit nicht nur von der angekündigten Eins-zu-eins-Umsetzung der Kommissions-Empfehlungen verabschieden, es wäre auch eine unnötige, schwere Bürde für das Erreichen des Klimaziels 2030." Der BUND betrachtet das Kraftwerk weiterhin als einen "Schwarzbau", da planungsrechtliche Grundlagen bei Planung und Bau nicht eingehalten wurden.

Nun werden die deutschen Kraftwerksbetreiber generell nicht abgeneigt sein, Kohlekraftwerke vom Netz zu nehmen oder gar nicht erst anzuschalten, erhoffen sich aber dafür hohe Entschädigungen durch die Bundesregierung. Für den älteren Teil des Kraftwerksparks, vor allem für die Braunkohle gilt, dass eine Entschädigung weitaus rentabler sein könnte als der Weiterbetrieb. Laut Berechnungen des Thinktanks Sandbag fahren ältere Braunkohlekraftwerke in Deutschland bereits jetzt Verluste ein.

Doch die Erwartung auf staatliche Entschädigung könnte auch aus rechtlicher Sicht gebremst werden. Nach einem Rechtsgutachten der Organisation ClientEarth könnten solche Zahlungen gegen das Beihilferecht der EU verstoßen, selbst wenn der deutsche Kohlekompromiss Entschädigungen an die Kraftwerksbetreiber empfiehlt. "Damit solche Auszahlungen nach deutschem Recht gezahlt werden können, müssen Unternehmen nachweisen, dass sie bedeutende finanzielle Verluste durch die Schließung ihrer Kraftwerke verzeichnen. Und für eine Auszahlung nach europäischem Recht müssten die Betriebe nachweisen, dass sie durch die Zahlungen keinen marktverzerrenden Vorteil gegenüber anderen Energieunternehmen haben", erläutert die ClientEarth-Juristin Ida Westphal.

In dem Rechtsgutachten stützt sich ClientEarth in wirtschaftlicher Hinsicht auf die Analyse von Sandbag sowie auf die Tatsache, dass 90 Prozent der betroffenen Kraftwerke zum Zeitpunkt der Schließung mehr als 25 Betriebsjahre hinter sich haben und damit komplett abgeschrieben sein werden. "Dies macht es schwer, ein wirtschaftliches - und damit rechtliches - Argument für Entschädigungen herzuleiten", heißt es in dem Gutachten. Die Stilllegung von unrentablen Kraftwerken könne nicht als Härte betrachtet werden und müsste daher nach deutschem Recht (Artikel 14 Grundgesetz) nicht oder nur in geringem Maße entschädigt werden.

Nach EU-Recht würden solche nicht notwendigen Entschädigungen aber als staatliche Beihilfe gelten und müssten daher von der Kommission geprüft und genehmigt werden. Dabei würde sich die Frage stellen, ob die Beihilfe mit dem europäischen Binnenmarkt vereinbar ist. ClientEarth kommt zu dem Schluss, "dass die Europäische Kommission nur einen geringen Entschädigungsbetrag als mit dem Binnenmarkt vereinbar genehmigen kann. Die zu genehmigende Gesamtsumme wäre dabei sicherlich deutlich niedriger als die von RWE angestrebten 1,2 bis 1,5 Mrd. Euro pro GW." Zudem würde auch in Großbritannien und den Niederlanden ein Kohleausstieg ohne Entschädigung durchgeführt, was sicherlich in die Beurteilung durch die Kommission einfließen würde.

EU will Gasinfrastrukturprojekte fördern

Als verlässlicher Akteur in Sachen Klimaschutz ist die EU-Kommission jedoch keinesfalls zu betrachten. Gerade erst hat diese eine Liste der Vorhaben von gemeinsamem Interesse von Energieinfrastrukturprojekten veröffentlicht. Auch wenn die EU-Kommission hervorhebt, dass es sich in 70 Prozent der Fälle um elektrische Leitungen und Smart Grids handelt, die für eine bessere Integration erneuerbarer Energien notwendig seien, geht es bei 21 Prozent der Projekte um Gasinfrastruktur.

Die Umweltorganisation Friends of the Earth kritisiert, dass die Unterstützung der EU für fossile Gasprojekte einen Schritt weiter in den Klimakollaps führen würde. Obwohl die EU beabsichtigt, fossile Projekte nicht mehr zu subventionieren, stünden Projekten auf dieser Liste Subventionen zu.

Aufgeführt seien etwa Gaspipelines und LNG-Terminals. Über letztere wird vornehmlich Fracking-Gas aus den USA importiert, das als extrem umwelt- und klimaschädlich gilt. Die Projektliste muss nun noch im europäischen Parlament abgestimmt werden.

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