Erst provozieren, dann zuschlagen
US-Militär will bei verdeckten Operationen mitmischen
Im "Krieg gegen den Terror" setzt das Pentagon zunehmend auf verdeckt agierende Spezialeinheiten. In Afghanistan sind diese auf der Suche nach Mitgliedern von al-Qaida. Bei einem Krieg gegen Irak dürften es ebenfalls die Einheiten des US Special Operations Command (USSOCOM) sein, die das Land nach Massenvernichtungswaffen durchsuchen oder Mitglieder des Hussein-Regimes aufspüren werden. Jetzt plant die Regierung, zusätzliche Milliarden für das USSOCOM bereitzustellen und die Spezialeinheiten einem neuen Gremium aus Militär und CIA zu unterstellen.
In der bisher unveröffentlichten Studie für das Verteidigungsministerium unter dem Titel "Summer Study on Special Operations and Joint Forces in Support of Countering Terrorism" hat das "Defense Science Board", ein Beratergremium des Verteidigungsministeriums, empfohlen, die Zuständigkeiten für verdeckte Operationen neu zu strukturieren. Die Experten schlagen vor, eine "Proactive, Preemptive Operations Group" (P2OG) einzurichten, deren Aufgabe nach Informationen des Militärexperten William Arkin wäre, die verdeckten Operationen von CIA und Militärs zusammenzuführen. Verantwortlich für die P2OG soll eine neu zu schaffende "Special Operations Executive" im National Security Council (NSC) sein.
"Unsere Aufgabe ist es, die Feinde zu finden und zu vernichten, bevor sie uns angreifen", hatte Verteidigungsminister Donald Rumsfeld im Mai gesagt. Präventivschläge wurden denn auch in die jüngst veröffentlichte National Security Strategy der Bush-Regierung aufgenommen (Amerikanischer Internationalismus). Offenbar sollen solche Präventivschläge auch mit Spezialeinheiten ausgeführt werden. Denn als ein mögliches Einsatzszenario nennt das Defense Science Board verdeckte Aktionen, die terroristische Gruppen zu Reaktionen veranlasst. Wenn diese sich dann zeigten, könne das amerikanische Militär schnell zuschlagen. Wie das aussehen könnte, hat das US-Militär am 4. November vorgemacht (Schuss aus der Ferne). Damals tötete eine Hellfire-Rakete, abgeschossen von einem Unbemannten Flugobjekt vom Typ Predator, mutmaßliche Terroristen im Jemen.
Geheime Elite-Armee geplant
Von der möglicherweise "größten Ausdehnung verdeckter Aktionen durch die Streitkräfte seit dem Vietnam-Krieg", spricht Arkin. Das Pentagon plane eine "geheime Elite-Armee", die auf das "gesamte Spektrum verdeckter Aktionen" zurückgreifen könne. Arkin schreibt unter Berufung auf Beamte des Pentagon, das Militär setzte deshalb verstärkt auf eigene Spezialtruppen, weil es mit der Arbeit von Geheimdiensten, Behörden und einem Großteil des ganzen Regierungsapparates, der sich mit Heimatsicherheit beschäftige, unzufrieden sei. Zudem wolle der Verteidigungsminister die gesamte Kontrolle über den "Krieg gegen den Terror" an sich ziehen.
William Schneider Jr., der Vorsitzende des Defense Science Board, argumentierte dagegen, sein Gremium wolle nicht in die Autorität anderer Behörden eingreifen, sondern nur Wege finden, wie die Einheiten für Special Operations noch mehr in den Krieg gegen den Terror einbezogen werden können. "Die CIA führt die Pläne aus, aber sie benutzt die Mittel des Verteidigungsministeriums", beschrieb er die Arbeitsteilung.
Verdeckte "Counter-Terror"-Aktionen gehen laut Arkin auf die Geiselnahme im Iran 1979 zurück. 1982 wurde die Intelligence Support Activity (ISA) geschaffen, die vom Nahen Osten bis nach Südamerika im Anti-Drogenkrieg und für "Counter-Terror" eingesetzt wurde. Als "Gray Fox", wie der Codename mittlerweile lautet, ging die Spezialeinheit in Bosnien auf Jagd nach serbischen Kriegsverbrechern und war bei der Verhaftung des kolumbianischen Drogenbosses Pablo Escobar beteiligt.
Heute sind alle Spezialeinheiten, darunter "Army's Rangers", "Green Barrets" oder "Navy Seals", dem US Special Operations Command (USSOCOM) mit Sitz in Florida unterstellt. Ein Unterkommando, das 1980 gegründete Joint Special Operations Command (JSOC), ist für die verdeckten Operationen zuständig. Sein Sitz ist in Fort Bragg in North Carolina, dem "Epizentrum der verdeckten Operationen", so Militärexperte Arkin. Das JSOC darf auch im Inneren Einsätze durchführen, etwa bei der Einführung des Präsidenten oder Olympischen Spielen. Normalerweise ist dem US-Militär aufgrund des Posse Comitatus Act der Einsatz im Inneren untersagt (Der Feind steht im eigenen Land). In Fort Bragg sitzen auch die berüchtigten Special Forces Operational Detachment Delta, besser bekannt als Delta Force. "Die Existenz des hoch geheimen Kommando wurde bis heute nicht offiziell bestätigt", so Arkin.
Unter dem Namen Task Force 11 gehen Seals und Delta Force seit der Operation Anaconda auf die Jagd nach geflohenen al-Qaida-Mitgliedern, die irgendwo in Dörfern und Bergen in Afghanistan untergetaucht sind oder versuchen, sich nach Pakistan abzusetzen. Dabei sind die Spezialeinheiten ausgestattet mit GPS-System, Nachtsichtgeräten oder einem Videosystem, das gerade in Afghanistan getestet wurde. Das Militär verspricht sich davon eine weitere Verfeinerung der Kriegsführung einschließlich Treffsicherheit. Dabei sollen Bilder beinahe in Echtzeit zwischen kämpfender Truppe und Hauptquartier ausgetauscht werden können.
Spezialeinheiten kamen auch schon im Vietnam-Krieg zum Einsatz. John Pike von GlobalSecurity.org sieht aber wegen der verbesserten Technik einen grundsätzlichen Unterschied zu damals: "Die Amerikaner greifen heute eher aus dem Hinterhalt heraus an als selbst aus dem Hinterhalt angegriffen zu werden."
Das Militär verdeckte Operation durchführen zulassen, ist u.a. deswegen rechtlich problematisch, weil das Militär nicht denselben Regeln unterliegt wie die CIA. So muss der Geheimdienst dem Kongress über seine verdeckten Aktivitäten Bericht erstatten. Sollte die P2OG beim National Security Council (NSC) angesiedelt werden, liefe das auf eine Stärkung des Präsidenten hinaus, dem der NSC unterstellt ist. Dem Parlament könnte damit die Kontrolle über verdeckte Operationen entgleiten.