"Erwartest du heute Besuch?"

Einreise in die USA: Eine Adresse ist seriöser

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Prinzipiell dürfen Deutsche für 90 Tage noch quasi ohne Visum in die USA einreisen, d.h. das Visum wird erst beim Einreisen beantragt und in der Regel problemlos genehmigt. Es wird jedoch zunehmend von Fällen berichtet, in denen unschuldige Menschen bestenfalls festgehalten und verhört, schlimmstenfalls zurück in die Heimat geschickt werden (Endstation Miami). So erging es der Schwägerin des Autors, einer adretten jungen Dame aus Deutschland, die in die USA einreisen wollte, um der Hochzeit einer Freundin aus den Schulaustauschzeiten beizuwohnen.

Als ich die Email las, dass Frau W., eine in Darmstadt ansässige Friseuse, eine Stunde lang vom US-Zoll verhört worden war, fragte ich mich, ob sie ihre Haarschneide-Werkzeuge mit eingepackt hatte. Doch der Grund für ihr Verhör war weit harmloser: Sie hatte keine Adresse auf dem Visumsantrag angegeben.

Die Adresse wusste sie nicht, brauchte sie auch gar nicht zu wissen, denn - so Frau W. gegenüber den Zollbeamten - sie werde am Zielflughafen abgeholt. Zum Glück hatte sie die Telefonnummer der Freundin Shelly, die sie abholen wollte, dabei, und so konnte der Zoll die Freundin direkt anrufen, um alles zu klären - aber natürlich erst, nachdem Frau W. 15 Minuten lang darüber ausgefragt worden war, wie es zu dieser Freundschaft gekommen war, was das für ein Austauschprogramm gewesen sei usw. Während sie und 20 weitere Ausländer warteten, wurden andere verhört und deren Details lauthals in den Wartesaal hinein bekannt gemacht.

Auch das klärende Telefonat gestaltete sich unnötig schwierig, wie die Freundin Shelly gegenüber Telepolis berichtete:

Zoll: "Hallo, hier ist Rick. Erwartest du heute Besuch?"
Shelly: "Entschuldigen Sie, wer ist denn da?"
Zoll: "Rick. Ich muss wissen, ob du heute Besuch erwartest."
Shelly: "Das tut mir leid, ich weiß nicht, wer Sie sind. Von wo rufen Sie an?"
Zoll: "Vom Flughafen. Erwartest du heute Besuch?"

Die in Minnesota wohnhafte Shelly bekam aus Rick endlich heraus, dass er beim Zoll in Atlanta arbeite und Frau W. zurück nach Deutschland zu schicken gedenke, wenn sie nicht bestätigen wolle, dass sie Besuch von Frau W. erwarte. Hätte Shelly nach ihrem ersten Eindruck den Hörer einfach auflegt, um mit diesem "perversen Typen" - wie sie vermutete - nicht mehr reden zu müssen, wäre die Reise von Frau W. wohl damit beendet gewesen.

So durfte Frau W. nach einer Stunde Wartezeit und Verhör weiter fliegen, allerdings nicht im vorgesehenen Flugzeug, das sie inzwischen verpasst hatte. Obwohl am Ende im Falle von Frau W. alles in Ordnung war, durfte sie den Fingerabdruck trotzdem in Atlanta hinterlegen - man weiß ja nie.

Auf die Frage, ob Deutsche einfach so für ein paar Wochen als Touristen in die USA einreisen dürfen, ohne eine Adresse zu haben, gab die US-Botschaft in Berlin keine eindeutige Antwort. Zwar könne man durchaus z.B. nach New York fliegen und das nächst beste Hotel erst bei der Ankunft suchen oder gleich ein Auto mieten und unterwegs in ein x-beliebiges Motel einchecken, aber eine Adresse wirke auf jeden Fall seriöser. Doch selbst diese Freiheit könnte sich bald verringern, wenn die EU den strengeren Sicherheitsanforderungen der Bush-Regierung für Flugreisende nachkommt.

Frau W. schaffte es trotz anfänglicher Schwierigkeiten, die Reise zu genießen, und wusste noch aus Minnesota zu berichten: "Ich kann euch versichern, die meisten Amis sind immer noch ganz okay - man kann hier George Bush-Spaßartikel kaufen, in Minneapolis zumindest. Es gibt Geburtstagskarten mit einem wirklich dummen Spruch und seinem Kopf drauf und es macht sich jeder, mit dem ich bisher gesprochen habe, über ihn lustig."