"Es bedurfte eines gigantischen Idioten, um das zu vermasseln"

Früherer australischer Premierminister kritisiert die Rolle des jetzigen US-Finanzministers Geithner während der Asienkrise und die Folgen für die aktuelle Krise

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Als Barack Obama Tim Geithner als seinen Kandidaten für das US-Finanzministerium präsentierte, wurde der nicht zuletzt aufgrund seines Beitrags zur Bewältigung der Asien-Krise von 1997/98 rundum bejubelt. Zu diesem Zeitpunkt kämpfte Geithner gerade als Gouverneur der New Yorker Fed an vorderster Front gegen die Finanzkrise, was wohl nur insofern eine neue Erfahrung für ihn war, als er nun nicht als annähernd allmächtiger Hegemon auftreten konnte, sondern Probleme im eigenen Haus bekämpfen musste, und dabei unter anderem von Finanzierungen aus China abhängig ist.

Vor zehn Jahren hatte Geithner, der seine Kindheit in Asien verbracht hatte, als Staatssekretär für internationale Angelegenheiten im US-Finanzministerium das Management der Asienkrise zu verantworten, das in erster Linie aus einem Hilfspaket des in Washington angesiedelten Internationalen Währungsfonds (IWF) bestand.

Aufgrund seiner Vertrautheit mit Asien hätte Geithner das Vertrauen der asiatischen Finanzminister gewonnen und es geschafft, die zerstrittenen Finanzminister der Region auf ein 200-Mrd Hilfspaket einzuschwören, schrieb etwa die „New York Post“ und selbst republikanische Hardliner waren bereit einzugestehen, dass Geithner den Herausforderungen wohl gewachsen sei.

Paul Keating, von Dezember 1991 bis März 1996 australischer Premierminister, scheint diese Ansicht nicht zu teilen. So zitiert ihn die Sydney Morning Post:

Geithner hat 1997/98 das IWF-Programm für Indonesien ausgearbeitet, bei dem er die Probleme mit der Kapitalbilanz mit Problemen der Leistungsbilanz verwechselt hat. Er dachte, Asien hätte dieselben Probleme wie Lateinamerika während der 1980er Jahre. Nur hatten sich die dortigen Regierungen damals einfach untragbar hoch verschuldet und die Lösung war, dass der Währungsfonds nur unter der Bedingung Kredite zur Verfügung gestellt hatte, dass die Regierungen ihre Ausgabendrastisch reduzierten, was eine relativ vernünftige und erfolgreiche Strategie darstellte.

Die von der Asienkrise am schwersten betroffenen Länder Südkorea, Indonesien und Thailand, hatten jedoch durchaus ausbalancierte und stabile Staatsfinanzen, als sie beim IWF um Geld bitten mussten. Ihr Problem lag in der Dynamik privater Gelder. „Hot Money“, das zuvor in großen Mengen ins Land geflossen war und dann plötzlich wieder abgezogen wurde. Geithner habe die Lage also völlig falsch eingeschätzt und daher auch falsche Lösungen verordnet. Die von Geithner und dem IWF verordneten Sparmassnahmen hätten die Krise nur verschärft. „Suhartos (Anm.: der langjährige Diktator Indonesiens) Regierung hat 21 Jahre lang im Schnitt sieben Prozent Wachstum erzielt. Da braucht es schon einen riesigen Idioten um das zu ruinieren. Aber der IWF hat es ruiniert.

Paul Keating nach SMH

Die Zeitung macht auch klar, dass es sich bei dem „gigantischen Idioten“ nur um Geithner handeln könne, obwohl laut Keating auch der Managing Director des IWF, Michel Camdessus, in diese Kategorie falle.

Soeharto's government delivered 21 years of 7 per cent compound growth. It takes a gigantic fool to mess that up. But the IMF messed it up. The end result was the biggest fall in GDP in the 20th century.

Paul Keating

Geithner habe damit jedoch auch den IWF massiv geschädigt, der ohnehin 20 Jahre lang nur Mist gebaut habe. Der größten Fehler wurden in Asien gemacht, so dass keine asiatische Regierung sich jemals wieder beim IWF um Hilfe anstellen würde, selbst wenn sie sie unbedingt nötig hätte. Speziell China hätte daraufhin beschlossen, alles zu unternehmen, um niemals in Gefahr zu geraten, sich dem IWF unterwerfen zu müssen.

Das Ergebnis war die größte Kriegskasse, die die Welt je gesehen hat. Denn Staatsrat und Politbüro haben alles genau registriert und das ist einer der Gründe – und vielleicht der wichtigste Grund -, warum in China eine freie Konvertibilität des Renmimbi nicht in Frage kommt und warum sie mit einer Serie von Währungsinterventionen Tag für Tag weiter diese riesigen Devisenreserven aufbauen.

Paul Keating

Keating stehe mit seiner Meinung laut „Sydney Morning Herald“ übrigens nicht alleine, auch der frühere stellvertretende Chef der australischen Notenbank Stephen Grenville teile diese Meinung. Dis asiatischen Staaten hätten mit kaum 16 Prozent der Stimmrechte im IWF nichts zu reden und Keating drängt darauf, dass die G20 die Kontrolle des IWF übernehmen müsste. Was hingegen Geithners Taten während der Asienkrise angehe, sei es das Schlüsselerlebnis der asiatischen Eliten, dass die USA ihre Bitten um finanzielle Hilfe brüsk zurückgewiesen hatten. Während die USA keinen Cent an eigenem Geld zur Verfügung stellten, so der SHM, haben Australien und Japan an alle drei der am schwersten in die Krise geratenen Länder Kredite vergeben.

Indem er China dazu gebracht habe, zwei Billionen Dollar an Devisenreserven anzuhäufen, sei Geithner gleichzeitig auch für den Aufbau der gewaltigen Ungleichgewichte (Bretton Woods II) im globalen Finanzsystem (massive Leistungsbilanzüberschüsse z.B. Chinas, horrende Defizite der USA) verantwortlich, welche wiederum maßgeblich zur aktuellen Finanzkrise beigetragen haben.

Genau dieser Meinung tritt übrigens der IWF selbst in einer laut eigenem Bekunden ersten umfassenden Analyse der aktuellen Finanzkrise entgegen. Demnach waren nicht die Ungleichgewichte verantwortlich, sondern die mangelhafte Regulierung. Versagt habe die Marktdisziplin, ein unkontrolliertes „Schatten-Finanzsystem“, das ebenso umsatzstark wie das reguläre Bankensystem gewesen sei, sei völlig aus dem Ruder gelaufen. Die Ungleichgewichte hätten hingegen nur indirekt zur Krise beigetragen. Das behauptet jedenfalls Olivier Blanchard, der Chef-Volkswirt des IWF. Alles andere wäre auch eher peinlich, immerhin ist nicht von der Hand zu weisen, dass neben Geithner vor allem der IWF für den Aufbau der asiatischen Devisenreserven und die Ungleichgewichte verantwortlich ist.