Es gibt kein grünes Leben im Falschen
Seite 2: "Brace for Impact"
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Nach Dekaden, in denen die Dynamik des Klimawandels sträflich unterschätzt wurde, befindet sich das spätkapitalistische Weltsystem in einer manifesten Klimakrise, die einen katastrophalen Verlauf zu nehmen droht.
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) sieht kaum noch Chancen, den Temperaturanstieg in diesem Jahrhundert auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, so dass noch Hoffnung auf eine Eindämmung der Folgen des Klimawandels bestünde. Ein Temperaturanstieg von drei bis vier Grad sei möglich, so der DWD.
Die Klimakrise entfaltet sich bereits konkret, etwa in Gestalt der alljährlichen "Dürren", die eine verkrustete kapitalistische Landwirtschaft in der EU gefährden, deren Reformunfähigkeit jüngst die europäische Agrarlobby eindrucksvoll unter Beweis stellte. Grundlegende, ungeheuer aufwendige Anpassungsmaßnahmen wären in der EU notwendig, um schlicht eine stabile und ausgewogene Nahrungsversorgung sicherzustellen.
Der steigende Meeresspiegel wird weite Teile Nordeuropas - vor allem Holland und Norddeutschland - gefährden. Schon in den kommenden Jahrzehnten wird man in Berlin und Den Haag entscheiden müssen, ob viele Milliarden in den Deichausbau fließen sollen oder ob Teile des Territoriums aufgegeben werden.
Die Städte müssten an steigende Temperaturen angepasst werden, da sie ansonsten unbewohnbar werden. Folglich müssten nicht nur radikale, sofortige Maßnahmen zur Emissionsreduzierung implementiert werden (im Verkehrssektor wäre dies ein sofortiger Umstieg auf öffentlichen Nah- und Fernverkehr), sondern auch globale Schritte zum Entzug von Treibhausgasen aus der Atmosphäre, zum Carbon-Capture, die binnenkapitalistisch an den hohen Kosten scheitern.
Es wäre folglich ein gigantischer, schwindelerregender Aus- und Umbau der gesellschaftlichen Infrastruktur notwendig, der eigentlich global koordiniert werden müsste, um die kommende Klimakrise ohne Zivilisationsbruch zu überstehen.
Die Produktion immer neuer Waren, um aus Geld mehr Geld zu machen, wird dieser ungeheuren infrastrukturellen Aufgabe, die sich im volkswirtschaftlich im Kapitalismus als ein Kostenfaktor manifestiert, nicht gerecht. Elektroautos können nicht schwimmen, mensch kann sie auch nicht essen - genauso wenig wie Geld. Die Mittelklasse-Idee, mittels ökologischen Konsums, etwa durch ein Solardach samt Tesla, die Klimakrise zu überwinden, stellt eine bequeme Illusion dar. Es gibt kein grünes Leben im Falschen.
Die Systemtransformation in einer postkapitalistischen Gesellschaft, die - jenseits eines blindwütigen Wachstumswahns - die oben geschilderte ungeheure Transformationsaufgabe bewusst koordiniert und angeht, stellt somit tatsächlich eine Überlebensnotwendigkeit dar. Die Überwindung des Kapitals, das an seine Entwicklungsgrenzen stößt, ist der letzte kapitalistische Sachzwang.
Die Notwendigkeit, technische, organisatorische und strukturelle Reformen mit einem grundlegenden systemischen Wandel zu koppeln, müsste gerade bei den Grünen reflektiert werden, da die "Ökopartei" ansonsten zum Verwalter des drohenden ökologischen Kollaps zu verkommen droht.