"Es ist Zeit, das Gewehr zu ergreifen und die verdammten Russen zu töten"

Schon wieder wurde ein vermutlich vom russischen Geheimdienst abgehörtes Telefongespräch veröffentlicht, dieses Mal wurde Julia Timoschenko offensichtlich mit provozierenden Äußerungen bloßgestellt

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In der Türkei spielen abgehörte und veröffentlichte Telefonate eine große Rolle bei der Aufdeckung des Korruptionsskandals, in den sich Regierungschef Erdogan und seine Partei AKP verstrickt hat. Wild um sich schlagend versucht Erdogan vor den anstehenden Kommunalwahlen, die über die sozialen Netzwerke kursierenden Mitschnitte und das Aufschaukeln der Öffentlichkeit durch das vergebliche Verbot von Twitter und YouTube zu unterbinden (Türkei weitet Sperren aus).

Auch in der Ukraine haben abgehörte und veröffentlichte Telefongespräche schon einen gewissen Effekt gehabt. Man darf davon ausgehen, dass dahinter der russische Geheimdienst steht, der passende Gespräche an die Öffentlichkeit bringt - und auch dabei spielen natürlich soziale Netzwerke im Verein mit den russischen Medien eine zentrale Rolle. Das weist auch darauf hin, welche Macht Geheimdienste - auch etwa die NSA - mit ihren Mitteln haben, um die Politik zu beeinflussen.

Man wird sich noch an das Telefongespräch von Obamas Europaberaterin Victoria Nuland und dem US-Botschafter Geoffrey Pyatt erinnern, das Anfang Februar an die Öffentlichkeit gelangte, als die Situation sich zuspitzte ("Fuck the EU"). Nuland machte mit ihrem Spruch "Fuck the EU" klar, dass die US-Politik wenig auf die europäische Politik Rücksicht nimmt, was auch jetzt wieder geschieht, wenn die USA auf die Verschärfung der Sanktionen und die Beendigung der G8-Treffen pocht - und die Europäer in trauter transatlantischer Hörigkeit folgen.

Brisant war das Telefongespräch nicht nur wegen der Haltung zur EU, sondern weil hier auch deutlich wurde, dass die USA ebenso wie die EU ein großes Interesse hatten, die Maidanbewegung zu ihren Gunsten zu steuern, diese also keineswegs eine autonome und spontane Bewegung von unten war. In dem Gespräch geht es etwa um das "Personality Management" und wie man die gewünschten Ergebnisse erhält. Klitschko, der deutsche Liebling, gilt als problematisch, Nuland findet, er gehöre nicht in eine Regierung, man setzt auf Jazenzuk, der schließlich - nach dem Willen der USA? - auch Interimsregierungschef wurde, während Klitschko außen vor blieb. Pyatt äußerte Bedenken gegenüber Oleh Tyahnybok und der rechten Swoboda-Partei, was Nuland aber beiseite wischte. Die Umsetzung der amerikanischen Interessen hat Vorrang vor Überlegungen, mit wem man zusammenarbeitet. Das betrifft auch die EU, die etwas diplomatischer vorgehen wollte, während die US-Regierung die Hauruckmethode bevorzugte., allerdings auch weiterhin mit Janukowitsch im Gespräch bleiben wollte.

Anfang März wurde dann das abgehörtes Telefongespräch zwischen dem estnischen Außenminister Urmas Paet und der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton geleakt (Kamen die Scharfschützen aus der Opposition?). Ashton spielte hier den Part der Machtstrategie, den Nuland in dem anderen Gespräch eingenommen hatte. Paet berichtete von einem Gespräch am 25. Februar mit einer bekannten Maidan-Aktivistin, die auch Ärztin war. Ihr war aufgefallen, dass Polizisten und Demonstranten offenbar mit denselben Waffen getötet worden waren und dass es problematisch sei, dass die Interimsregierung dies nicht wirklich aufklären wolle (was sie immer noch sehr zögerlich macht, der Generalstaatsanwalt ist ausgerechnet ein Mitglied der rechtsextremen Swoboda-Partei). Zudem habe die Ärztin gesagt, die Menschen hätten kein Vertrauen in die Politiker der Oppositionsparteien. Ashton waren die Vorbehalte ziemlch egal, die Menschen müssten halt akzeptieren, wie das Land - von Gnaden der EU und der USA - regiert wird.

Julia Timoschenko. Bild: www.tymoshenko.ua

Was tun mit den 8 Millionen Russen in der Ukraine?

Gestern kam erneut ein Telefongespräch an die Öffentlichkeit. Dieses Mal soll es sich um ein Gespräch handeln, das Julia Timoschenko von der Vaterlandspartei, tief verwurzelt in die Korruption, die alte politische Elite und die Oligarchenclique, mit dem ehemaligen stellvertretenden Leiter des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats, Nestor Shufrych, am 18. März, kurz nach der Rede Putins und der Unterzeichnung des Beitrittsvertrages der Krim zur Russischen Föderation (Putin: "Vitale Interessen" Russlands an der Krim), geführt haben soll. Und wie bei den beiden anderen, dient es der russischen Position, in dem Fall soll wohl demonstriert werden, dass von den nationalistischen Ukrainern tatsächlich eine Gefahr für die Russen in der Ukraine ausgeht.

Begleitet wird die Meldung von Berichten, wie Russen in der Ukraine drangsaliert werden (was natürlich auch umgekehrt der Fall mit Berichten von ukrainischer Seite ist, wie Ukrainer auf der Krim behandelt werden oder dass russische Agenten Demonstrationen organisieren und Vorfälle inszenieren wollen, die eine Gefahr für die russischen Ukrainer darstellen sollen). Die Lage ist mithin weiter angespannt. Und aufgeheizt.

Timoschenko, die schon einmal Regierungschefin war und nun Präsidentin werden will, hat gestern bestätigt, dass das Telefongespräch stattgefunden hat. Sie erklärte über Twitter nur, dass die Passage "8 Millionen Russen in der Ukraine" manipuliert worden sei. Die hatte es nämlich in sich und könnte Unruhe in der russischsprachigen und russischen Bevölkerung der Ukraine hervorrufen. Sie habe nur gesagt, dass die Russen in der Ukraine Ukrainer seien. Und sie erklärte gegenüber dem russischen Geheimdienst FSB: "Hallo FSB :) Sorry für die obszöne Sprache." Shufrych stritt hingegen ab, dass das Telefongespräch überhaupt stattgefunden hatte. Es sei alles ein Fake.

In dem veröffentlichten Gespräch zeigte sich Shufrych schockiert über den Beitrittsvertrag, während Timoschenko aufgebracht reagierte: "Das übersteigt wirklich alle Grenzen. Es wird Zeit, dass wir unsere Gewehre ergreifen und losziehen, um diese verdammten Russen zusammen mit ihrem Führer töten." Timoschenko, die aufgrund einer Einladung von Bundeskanzlerin Merkel in Deutschland wegen ihres Rückenleidens behandelt und vor kurzem zurückgekehrt war, muss noch immer im Rollstuhl sitzen oder mit Krüken gehen. Gleichwohl sagte sie nach der Übersetzung in russischen Medien, dass die Russen, wenn sie im Amt gewesen wäre, die Krim nicht bekommen hätten, statt der Krim hätten sie "einen Dreck bekommen". Bekanntlich wurde sie deswegen verurteilt, weil sie angeblich einen Gas-Deal mit Russland auf Kosten der Ukraine gemacht haben soll.

Shufrych machte zwar darauf aufmerksam, dass die Ukraine keine militärischen Mittel hat, um die Krim zu verteidigen. Timoschenko, die sich gerne als eine Art unschuldige Maria darstellt, entgegnete, sie hätte schon "eine Möglichkeit gefunden, diese Arschlöcher zu töten". Sie werde alle ihre Beziehungen spielen lassen, fuhr sie fort, und alle Mittel einsetzen, "damit die ganze Welt sich erhebt, so dass in Russland nicht einmal ein verbranntes Feld zurückbleibt". Sie sei auch bereit, ein Maschinengewehr zu ergreifen und "diesem Mutterficker in den Kopf zu schießen". Und dann soll Shufrych gefragt haben, was man denn mit den 8 Millionen Russen in der Ukraine machen soll. Timoschenko soll gesagt haben, dass hier nur eine Atombombe helfen könne. Das aber soll, so Timoschenko, manipuliert worden sein.

Gut möglich, dass auch dieses Telefongespräch eine Niederlage im Medienkrieg ist. Zumindest sprach gestern der ukrainische Vizeregierungschef Oleksandr Sych davon, dass die Informationspolitik Schwächen habe, obgleich die Ausstrahlung russischer Sender schon verboten wurde: "Heute ist der Informationsschild der Ukraine löchrig. Aber die ukrainische Gesellschaft erhält viele Informationen, die nach den Regeln des klassischen Kriegs von russischen Medien in die Ukraine gebracht werden." Die russische Kriegsführung würde die eigene Gesellschaft manipulieren, um sie für den Krieg vorzubereiten, und dann die Gesellschaft, die das Ziel der Aggression ist: "Heute können wir kaum viele Bürger der Krim und in der Süd- und Ostukraine verurteilen, dass sie treu an die Wahrheit der Information und die Mythen glauben, die sie von den Medien erhalten. Bis jetzt haben wir diesen Krieg verloren. Wir produzieren kein Gegenprodukt." Seltsam, dass die angeblich übermächtige NSA da nicht zur Seite stehen kann.

ukraine.htm