Es ist eine patriotische Pflicht das Kapital in Griechenland zu belassen

Trotz Krise herrscht spürbare Ruhe in Griechenland

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In Athen steht erneut eine Zitterwoche um den Euro an. Nachdem am 30. April die Auszahlung der Renten um knapp drei Stunden verzögert wurde, standen zunächst die Pensionäre Schlange. Später fluchten sie größtenteils auf die EZB und die EU. Noch hat die Regierung von Alexis Tsipras den Großteil der Bevölkerung hinter sich. Am Samstag schien sich ein kleiner lokaler Bankrun ereignet zu haben. Sämtliche Bankautomaten des Athener Vororts Pikermi waren leer geräumt worden. Aus Bankkreisen verlautete, dass eine Summe von 200.000 Euros binnen weniger Stunden abgehoben wurde.

Bild: W. Aswestopoulos

Von ganz anderem Kaliber sind die Bekenntnisse von Griechenlands früherer Vertreterin beim IWF, Miranda Xafa. Die jahrzehntelange Beraterin des früheren Premierministers Konstantinos Mitsotakis und bekennende Neoliberale erklärte frank und frei, dass sie sämtliche Spareinlagen aus Griechenland abgezogen habe. Es sei, schlussfolgerte die Dame, keine patriotische Pflicht das Kapital im Heimatland zu belassen. Ähnlich wie Xafa, die ihren Landsleuten die vom IWF geforderten Reformen ans Herz legt, machen es zahlreiche Befürworter konservativer Politik. Im Prinzip entzieht genau dieser Schritt dem Land das liquide Kapital, welches es zum Überleben braucht. Damit bewirken die Konservativen genau das, wovor sie als Horrorszenario im Fall einer linken Regierung warnten.

Am Montag beginnt unter solchen Vorzeichen die neue Runde der Gespräche der Regierung mit den Kreditgebern, die so genannte Brussels Group. Vor diesen Diskussionsrunden machte die Parteilinke von SYRIZA bereits klar, dass sie eher eine Konfrontation als eine Kapitulation sieht. Energie- und Strukturminister Panagiotis Lafazanis findet gar, dass SYRIZA eher das eigene Versagen zugeben, abtreten und Neuwahlen ausrufen solle, statt einem faulen Kompromiss zuzustimmen.

Manolis Glezos schickt vom EU-Parlament in Brüssel aus eine klare Botschaft nach Hause. Der greise Expartisan empfiehlt Tsipras "keinen Schritt zurückzuweichen". Die offizielle Regierungsbekanntmachung besagt, dass auf dem Weg zur endgültigen Einigung mit den Kreditgebern zahlreiche Zwischenschritte notwendig seien.

Was bei all dem verwundert, ist die den dramatischen Finanzlagen konträre, weiterhin spürbare Ruhe im Land. Im privaten Gespräch bewunderte die international bekannte Sängerin Maria Farantouri die Geduld ihrer Landsleute. Farantouri meinte, dass die einfachen Bürger in Griechenland seit Jahren unter den Sparmaßnahmen leiden würden. Mehr als 57 Prozent Zustimmung zur Regierung Tsipras, wie eine von ihr zitierte Umfrage ergab, wertete sie als positives Zeichen. Für die vor allem für die Interpretationen von Liedern des Komponisten Mikis Theodorakis bekannte Interpretin sind die verkrusteten Organisationsstrukturen des öffentlichen Dienstes aber auch die langsame Justiz an allem schuld. Farantouri spricht damit einen Punkt an, der von den Kreditgebern gern übersehen wird. Diese fordern primär Steuererhöhungen, Renten- und Gehaltskürzungen sowie eine drastische Verringerung von Krankenversicherungsleistungen und weiteren Sozialmaßnahmen.