"Es war ein Schock für mich, diese Äußerungen zum Karlsruher Attentat zu lesen"

Seite 5: "Die Preisgabe der Wahrheit über das Attentat wäre ein wichtiger Schritt zu einer Versöhnung"

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Was halten Sie von der Idee, dass es in Sachen terroristischer Verbrechen in Deutschland eine Wahrheits- und Versöhnungskommission nach südafrikanischem Vorbild geben sollte?

Michael Buback: Zunächst würde ich es mir wünschen, dass die für die Strafverfolgung zuständigen Stellen eine Klärung der schweren Verbrechen herbeiführen. Es ist bedrückend, dass kaum gesicherte Kenntnisse über die Täter bei den vielen der RAF zugerechneten Verbrechen vorliegen. Eine Ausnahme bildet der Anschlag auf Jürgen Ponto, vermutlich weil dessen Ehefrau die Tat von einem Nebenzimmer aus verfolgt hat.

Die Einrichtung von Wahrheitskommissionen bedeutet für mich auch das Eingeständnis, dass die Ermittler nicht in der Lage sind, die ihnen zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen. Erst wenn die Ermittler und Staatsanwälte im Bemühen, Verbrechen aufzuklären, definitiv versagen, sollte man eine Wahrheits- und Versöhnungskommission als Option in Betracht ziehen. Allerdings werden auch dann kompetente Beamte benötigt, um sicherzustellen, dass sich niemand einer Tat rühmt, die er nicht begangen hat.

Dieser Fall ist ja durchaus realistisch. Knut Folkerts hat in dem gegen ihn geführten Prozess zum Karlsruher Attentat keine Argumente gegen seine Täterschaft vorgebracht, aber Jahrzehnte später in einem "Spiegel"-Interview durchaus nachvollziehbar erklärt, weshalb er nicht der Karlsruher Schütze gewesen sein könne.

Übrigens gibt es inzwischen mehrere wegen des Karlsruher Attentats verurteilte Personen, die alle, ohne nachteilige juristische Folgen befürchten zu müssen, die Wahrheit über das Attentat preisgeben könnten. Dies wäre ein wichtiger Schritt zu einer Versöhnung. Ich würde ihn sehr begrüßen.