"Es war ein Schock für mich, diese Äußerungen zum Karlsruher Attentat zu lesen"

Seite 4: "Was bringt es, wenn ich persönlich von Tätern ein Geständnis erhalte?"

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Michael Buback: Bedrückend in der Rückschau ist die auch von vielen Prozessbeobachtern konstatierte Nähe von Anklage und Verteidigung, wie man sie eigentlich für Anklage und Nebenklage erwarten würde. Es ging sogar soweit, dass mir die Bundesanwaltschaft in der öffentlichen Verhandlung - in Anwesenheit von Verena Becker - vorgeworfen hat, dass ich die Wahrheit mit Füßen treten würde. Dies zeigt, dass es auch für einen Opferangehörigen keine Schonung gibt, wenn er konsequent auf bedenkliche Punkte hinweist und Klärung einfordert.

Sehr unbefriedigend ist, dass dem Gericht Akten vorenthalten wurden. Warum kann nicht verlässlich mitgeteilt werden, wann der Kontakt des Verfassungsschutzes mit Frau Becker zustande kam, nachdem nun klar ist, dass es diesen Kontakt gegeben hat. Warum wurde die Verfassungsschutzakte aus dem Jahre 1982 mit der Aussage der Quelle zum Karlsruher Attentat gesperrt, nachdem ihre Existenz im Jahre 2007 bekannt geworden war. Ist die Akte in 25 Jahren geheimer geworden?

Im Tresor bei Erich Mielke wurde ein erheblicher Aktenbestand zu Verena Becker gefunden. Warum wurden diese Unterlagen nicht in die Hauptverhandlung eingeführt? Es stellt sich die Frage, was so viel wichtiger ist als die Klärung der Ermordung eines Generalbundesanwalts und seiner beiden Begleiter und deshalb geheim gehalten werden muss.

Die Nebenklage hatte auch beantragt, die bei der Bundesanwaltschaft bereits zum Zeitpunkt des Attentats beschäftigten und mit der Klärung dieses Verbrechens befassten Beamten als Zeugen zu laden. Dies ist in keinem Fall gelungen. Die als Zeugen aufgetretenen Bundesanwälte waren entweder zum Zeitpunkt des Attentats noch nicht in der Behörde oder sie waren nach eigener Auskunft mit anderen Verbrechen befasst. Die Nebenklage musste auf sehr viele ihrer Anträge auf Zeugenladung als Entscheidung hinnehmen, dass es der Senat nicht als geboten sehe, dem Antrag nachzukommen.

Sie versuchen seit Jahren über den Rechtsweg Klarheit in Sachen Mord an ihrem Vater zu bekommen. Bisher hat das nicht so funktioniert, wie Sie es sich erhofft haben. Doch wenn man mal von der strafrechtlichen und juristischen Dimension absieht: Meinen Sie nicht, dass die Tat vielleicht auch den Täter belastet, er aber aus Angst vor Konsequenzen schweigt? Wie würden Sie reagieren, wenn Ihnen der bzw. die Täter in einem vertraulichen Rahmen die Wahrheit gestehen würde?

Michael Buback: Aus Respekt vor den Aussagen von mehr als zwanzig Augenzeugen, die von einer Frau auf dem Soziussitz des Motorrads berichtet haben, sollte man etwas vorsichtiger sein mit Formulierungen wie "den Täter" und "er". Nach Abschluss des Stuttgarter Verfahrens gegen Verena Becker und nachdem Günter Sonnenberg nicht mehr wegen des Karlsruher Attentats angeklagt werden kann, gehe ich davon aus, dass es zu keiner Klärung dieses Verbrechens und zu keiner Verurteilung der unmittelbaren Attentäter vor einem deutschen Gericht kommen wird.

Es ist ein Phänomen des Stuttgarter Prozesses, dass ausgehend von der Anklageschrift der Bundesanwaltschaft, in der Verena Becker vorgeworfen wird, "gemeinschaftlich mit anderen handelnd durch dieselbe Handlung am 7. April 1977 in Karlsruhe aus niedrigen Beweggründen und heimtückisch drei Menschen getötet zu haben" und trotz weiterer im Verlaufe des Prozesses zutage geförderter Hinweise auf ihre Mittäterschaft der Senat zur Überzeugung gelangt ist, Frau Becker sei definitiv nicht an der Karlsruher Tat beteiligt gewesen.

Ich werde andererseits von kompetenter Seite gefragt, was denn beim Karlsruher Attentat noch aufzuklären sei. Günter Sonnenberg und Verena Becker hatten, als sie in Singen verhaftet wurden, die Karlsruher Tatwaffe bei sich, für die sich in Verena Beckers Umhängetasche Munition befand. Sonnenberg hatte das Tatmotorrad ausgeliehen. Verena Becker hatte bei der Verhaftung außerdem einen Suzuki-Schraubenzieher bei sich, wie er im Bordset des Karlsruher Tatmotorrads als einziges Werkzeug fehlte.

Die Haarspur in einem der Täterhelme stimmt - nach Auskunft eines BKA-Dokuments - mit Haaren in Verena Beckers Haarbürste überein. Gehe es noch klarer, werde ich gefragt. Bei jedem "normalen Verfahren" würde dies zur Verurteilung der beiden wegen Mittäterschaft führen.

Es kommt hinzu, dass im Stuttgarter Verfahren sechs konkrete Hinweise auf die Karlsruher Tatbeteiligung von Verena Becker bekannt wurden, darunter sind zwei Zeugen, die persönlichen Kontakt zu Christian Klar hatten. Im Prozess wurden, wie erwähnt, zudem zahlreiche Zeugenaussagen bekannt, wonach eine Frau hinten auf dem Tatmotorrad gesessen habe. Sie stützen nicht die Feststellung im Urteil, zwei Männer hätten die Tat ausgeführt, wie sie nun zur juristischen Wahrheit erhoben worden ist.

Über die Gründe der Täter oder Mitwisser, die Wahrheit nicht zu offenbaren, kann ich nur spekulieren. Offensichtlich ist bei ihnen keine allgemeine Bereitschaft zur Kommunikation mit der Justiz vorhanden. Eine Rolle spielt sicher, dass Verena Becker Informantin des Verfassungsschutzes war.

Immerhin hat sie in einem abgehörten Telefonat davon gesprochen, dass sie die "Buback-Geschichte" aufschreiben wolle. Dazu kam es leider nicht. Sie wurde verhaftet. Bei einem zufälligen Zusammentreffen mit Frau Becker auf dem Stuttgarter Hauptbahnhof habe ich ihr gesagt, falls sie mit mir sprechen wolle, wäre ich hierzu bereit. Sie wusste, dass wir im selben Zug fahren würden, sodass sich gleich eine Gelegenheit geboten hätte.

Ein anderer Punkt noch: Was bringt es, wenn ich persönlich von Tätern ein Geständnis erhalte. Der Prozess in Stuttgart hat gezeigt, dass nur zählt, was vor Gericht mitgeteilt wird. Wenn uns Angehörigen privat ein Tatbekenntnis gegeben würde, wäre das in der Sache wenig hilfreich. Man könnte uns falsche Angaben oder Wunschdenken unterstellen. Meine Frau und ich haben nach der langen, intensiven und vorurteilsfreien Befassung mit dem Karlsruher Attentat ein klares Bild von Tat und Tätern. Ungeachtet davon würden wir es als bemerkenswertes Zeichen akzeptieren, wenn uns die Täter die Wahrheit sagen würden.